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Ski Alpin Kitzbühel - Cyprien Sarrazin: Vom Quereinsteiger und Sturzpiloten zum Helden auf der Streif

Thomas Janz

Update 22/01/2024 um 07:23 GMT+1 Uhr

Cyprien Sarrazin hat die Ski-Fans in Kitzbühel mit seinem Doppelsieg in der Abfahrt binnen 24 Stunden verzaubert. Der Franzose hat bei seinem Triumph auf der Streif am Samstag nicht nur ein Skirennen gewonnen. Der als Sturzpilot verschriene Draufgänger raste in 1:52,96 Minuten in den Kreis von Skilegenden wie Beat Feuz, Stephan Eberharter und Franz Klammer und strafte seine Zweifler Lügen.

Sarrazin kontert Odermatt: Franzose mit "Höllenritt" auf der Streif

Ob Didier Cuche, Beat Feuz, Aleksander Kilde, Dominik Paris oder aus deutscher Sicht Thomas Dreßen: Die Abfahrt in Kitzbühel hat in den letzten Jahren einige Sieger hervorgebracht, die in die Heldengeschichte der Gamsstadt eingehen.
20 Jahre nach der legendären Fahrt von Stephan Eberharter, der Daron Rahlves im Januar 2004 in 1:55,48 um 1,21 Sekunden deklassierte, wurde im Monte Carlo des Skisports mit Cyprien Sarrazin ein neuer Matador geboren.
Ausgerechnet ein als Sturzpilot verschriener Quereinsteiger in den Speed-Disziplinen rockte die schwerste Abfahrt der Welt mit einer Präzision und dosiertem Risiko, wie es zuvor nur der Crème de la Crème in der Historie der Hahnenkammrennen gelungen war.
"Rein optisch hat die Fahrt von Sarrazin gar nicht ausgesehen wie die von Eberharter, bei dem man seinerzeit gesehen hat, er riskierte sein Leben. Sarrazin kam spielerisch herunter. Aber definitiv gehört die Fahrt in eine Kategorie mit Eberharter, Cuche oder Franz Klammer", adelte Marco Büchel den Auftritt des neuen Ski-Giganten aus Gap.

Feierbiest Sarrazin bringt Kitzbühel zum Kochen


Sarrazin selbst sprach am Eurosport-Mikrofon vom "besten Moment meines Lebens" und sagte: "Ich bin mit Herz gefahren." Im Ziel schnallte der drahtige Athlet sofort seine Skier ab, sprang völlig euphorisiert auf eine Werbebande und feierte mit den 45.000 frenetisch jubelnden Zuschauern.
Eine Jubelpose, wie Kitzbühel sie nie zuvor gesehen hatte. Die Idee dazu kam ihm nach seinem ersten Sieg auf der Streif in der Nacht von Freitag auf Samstag: "Als ich um zwei Uhr aufgewachte, habe ich mir überlegt, was ich machen könnte, wenn es grün aufleuchtet."
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Cyprien Sarrazin in der Abfahrt von Kitzbühel 2024

Fotocredit: Getty Images

Sarrazin ist ein Schlitzohr. Der 1,85 Meter-Mann fühlte sich schon im Starthaus pudelwohl und wollte einfach nur loslegen. Er habe die Zeit von Marco Odermatt gehört und wusste, er müsse eine große Leistung erbringen.
Das große Problem bei Cyprien war in dieser Zeit, dass er sich in jedem dritten Rennen wehgetan hat, weil er viel zu viel riskiert hat.
Gesagt, getan. Es läuft beim introvertierten Rennläufer aus dem Südosten Frankreichs, der auf der Piste zum Tier wird. Seinen ersten Weltcupsieg feierte er vor sieben Jahren im Parallel-Slalom in Alta Badia. In diesem Winter platzte mit den Erfolgen in Bormio, Wengen und Kitzbühel endlich der Knoten. Zwischen Dezember 2016 und Ende 2023 lief jedoch wenig rund in der Laufbahn des 29-Jährigen. "Das große Problem bei Cyprien war in dieser Zeit, dass er sich in jedem dritten Rennen wehgetan hat, weil er viel zu viel riskiert hat“, erklärte Angelo Maina, der damals Cypriens Rennchef bei Rossignol war, gegenüber der Schweizer Tageszeitung "Blick".
Maina sorgte sich gar um seinen einstigen Schützling: "Kein anderer geht in den Rennen ein höheres Risiko ein als Cyprien. Deshalb fürchte ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er im Fangzaun landet." Auch der ein oder andere Kommentator der Kitzbühel-Rennen äußerte sich während der Auftritte Sazzazins mit Skepsis. "Hoffentlich bleibt er stehen, kommt nicht zu Sturz", schallte es mehrfach aus den Lautsprechern der TV- und Streaminggeräte.
Ich bin weder verrückt noch ein Draufgänger. Auch wenn ich ein gewisses Risiko eingehe. Ich habe alles unter Kontrolle.
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Kitzbühel hat einen neuen Rockstar: Cyprien Sarrazin

Fotocredit: Getty Images

Sarrazin: "Bin kein Draufgänger"

Sarrazin begegnete seinen Kritikern in einem bemerkenswert reflektierten Gespräch mit dem "ORF": "Ich bin weder verrückt noch ein Draufgänger. Auch wenn ich ein gewisses Risiko eingehe. Ich habe alles unter Kontrolle." Bormio sei "irre gewesen". Danach hatte er eine Pause, um runterzukommen. "In Wengen habe ich meine Leistung bestätigt. Die drei Tage waren intensiv. Emotional und körperlich. Das ist neu für mich, mit diesen Dingen klarzukommen, auch von den Emotionen her. Jetzt fühle ich mich bereit dafür."
Nach seinem Abflug in Kitzbühel in der Traverse im vergangenen Jahr war die Saison für den sympathischen Draufgänger vorbei. Die Heim-WM in Méribel/Courchevel verfolgte er zwangsweise vom Sofa aus und musste zusehen, wie Ersatzfahrer Maxence Muzaton die Grande Nation mit Rang sechs begeisterte: "Ich bin beim Zuschauen aufgesprungen. Diese Emotion, die seine Fahrt in mir ausgelöst hat, war unglaublich", gestand Sarrazin und verriet: "Da wurde mir bewusst, dass ich aus der Situation mit den Verletzungen und mentalen Problem sowie den privaten Schwierigkeiten. Ich hatte einen Tiefpunkt erreicht."

Selbstfindung als Erfolgsrezept

Fortan ging Sarrazin seine Schwierigkeiten pro aktiv an, kontaktierte einen Mental-Trainer sowie einen Energie-Coach. Mit Erfolg. "Sie haben mir geholfen, mich wieder zu finden. Früher hatte ich Angst vor diesen Dingen. Mir war bewusst, ich musste mich verändern, um wieder erfolgreich zu sein. Mit 29 Jahren bin ich endlich ich selbst."
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Cyprien Sarrazin rauscht die Streif herunter

Fotocredit: Getty Images

Binnen weniger Wochen ist Sarrazin zum Superstar der Ski-Szene aufgestiegen. Der letzte Franzose, der das Kunststück vollbracht hatte, einen Zweifachsieg in Kitzbühel einzufahren, war Luc Alphand im Jahr 1995. Dieser rang im Zielraum nach Superlativen: "Sarazzin ist momentan von einem anderen Planeten." Die französische Sportzeitung "L'Equipe" titelte: "Sarrazin, das Meisterwerk des Künstlers."

Sarrazin fordert Superstar Odermatt

Zu Beginn der Saison dachten viele, Marco Odermatt würde die Konkurrenz diesen Winter Grund und Boden fahren. Nun trennen beide Ausnahmerennläufer im Abfahrtsweltcup nur noch sechs Punkte. Selbst Überflieger Odermatt gestand sich nach den Hahnenkammrennen ein, zumindest für ein Wochenende in Sarrazin seinen Meister gefunden zu haben: "Wenn man in Kitzbühel mit einer Sekunde auf Platz zwei und eineinhalb Sekunden auf Rang drei gewinnen kann, war das sicher ganz nah an der Perfektion."
Fortsetzung folgt…
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Sarrazin gewinnt auch zweite Streif-Abfahrt: Die Highlights

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