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Alpine Ski-WM 2019 in Are | Andreas Sander exklusiv über Felix Neureuther

Tobias Laure

Update 05/02/2019 um 10:46 GMT+1 Uhr

Noch ist unklar, wann Felix Neureuther seine Karriere beendet. Teamkollege Andreas Sander stellt im Exklusiv-Interview mit Eurosport.de aber klar: "Felix wird eine Lücke hinterlassen, die nicht zu füllen ist." Sander selbst erholt sich derzeit von einem Kreuzbandriss und wird die WM in Are vom 5. bis 17. Februar verpassen. Dafür hat der 29-jährige Speed-Spezialist zwei heiße Tipps für die Abfahrt.

Andreas Sander

Fotocredit: SID

Das Interview führte Tobias Laure
Herr Sander, wie sehen Sie die jährlich wiederkehrende Debatte um die Gefahren in den Speed-Rennen. Treffen die Verantwortlichen derzeit den schmalen Grat zwischen Spektakel und Athletenschutz?
Sander: Ich finde schon, dass dies der Fall ist. Und: Verletzungen gehören dazu, auch bei den absoluten Topleuten. Wir müssen damit leben. Es ist ein extremer Sport, der auch extrem gefährlich sein kann. Von daher sehe ich die Debatte nicht so wild, wenngleich es immer schade ist, wenn sich jemand verletzt. Ich persönlich hatte nie über längere Zeit Schmerzen, auch wenn ich in meiner Karriere bereits zwei Kreuzbandrisse hatte. Der erste ist super verheilt und ich gehe davon aus, dass das auch beim zweiten so sein wird. Diese Verletzungen sind eben ein Nachteil, den unser Sport mit sich bringt.
Are ist nicht Kitzbühel, Wengen oder St. Moritz. Wie unterscheidet sich die WM-Abfahrt von den genannten Klassikern und worauf wird es ankommen?
Sander: Es ist für mich extrem schade, dass ich nicht dabei sein kann. Ich hätte mich sehr gefreut, bei der WM an den Start zu gehen, denn die Piste wäre mir sehr entgegengekommen. Das haben unsere Trainingseinheiten in Are in den vergangenen Jahren gezeigt. Das gilt übrigens auch für Thomas Dreßen. Aber es stimmt schon: Es erwartet uns in Are eine ganz eigene Art von Abfahrt. Entscheidend werden die Schneebedingungen sein. Ist der Schnee wirklich so aggressiv, wie man das von Skandinavien kennt? Kann man von ganz oben starten, was aufgrund des Windes in Are nicht immer sicher ist? Wie ist das Wetter während der Weltmeisterschaften generell? Die Strecke selbst hat einige Sprünge drin und garantiert ein interessantes Rennen. Aber wie gesagt: Es kommt drauf an, ob der Schnee die Piste schnell oder langsam macht. Je nach dem sind zwei komplett verschiedene Rennen mit ganz unterschiedlichen Siegkandidaten möglich.
Dann ganz schnell aus dem Bauch raus: Wer ist Ihr Favorit?
Sander: Beat Feuz und Aksel Lund Svindal.
Aus deutscher Sicht war das bisherige Highlight der Saison der Sieg im Super-G von Josef Ferstl in Kitzbühel. Macht ihn das zum Gold-Kandidaten für Are?
Sander: Eine WM ist grundsätzlich etwas ganz Anderes und man kann nicht erwarten, dass er jetzt immer zwingend um den Sieg mitfährt, auch wenn ich ihm das natürlich wünsche. Ich glaube, dass Josef auch in Are bessere Chancen im Super-G als in der Abfahrt hat. Normalerweise kommen ihm die Rennen in Kitzbühel oder Garmisch-Partenkirchen mehr entgegen, aber ich hoffe, dass er uns in Are alle überraschen kann.
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Andreas Sander (li.) mit Teamkollege Josef Ferstl (re.)

Fotocredit: Imago

Im deutschen Team steht ansonsten Felix Neureuther im Fokus, der seine Karriere möglicherweise nach der Saison beendet. Was würde das für den DSV bedeuten?
Sander: Ich selbst weiß da auch nicht mehr, aber wenn es zu einem zeitnahen Rücktritt käme, wäre das extrem schade. Wann auch immer: Felix wird eine Lücke hinterlassen, die nicht zu füllen ist. Auf gar keinen Fall! Aber das muss auch nicht sein. Er wird im Skisport immer präsent sein mit dem, was er in seiner unglaublich erfolgreichen Karriere erreicht hat. Wir haben außerdem in Deutschland einen Thomas Dreßen, der im vergangenen Winter die Abfahrt auf der Streif gewonnen hat und noch sehr jung ist.
Für viele Fans in Deutschland steht der WM-Slalom unter dem Motto ‘Neureuther contra Hirscher‘. Ist der Dominator aus Österreich überhaupt schlagbar, wenn er ins Ziel kommt?
Sander: Es wird definitiv irre schwer, Marcel im Slalom zu schlagen, auch, weil die Piste im Slalom vereist werden soll. Im Riesenslalom soll wohl nicht vereist werden und dann kommen auch andere Fahrer als Weltmeister infrage. Bei Stefan Luitz muss man sehen, wie sich die verletzte Schulter entwickelt, denn wenn die Bedingungen stimmen, passt Are gut zu seinem Stil. Generell glaube ich, dass Hirscher schlagbar ist - bei einer WM noch eher als im Weltcup.
Dort nimmt Hirscher Kurs auf den achten Gesamtweltcup-Sieg in Serie. Wie erklären Sie sich eine derart konstante Leistung auf absolutem Ausnahmeniveau?
Sander: Marcel ist mein Jahrgang, ich kenne ihn also gut und schon sehr lange. Daher weiß ich auch, dass er ein extrem harter Arbeiter ist. Was ich und viele der anderen Weltcup-Fahrer seit fünf bis acht Jahren investieren, macht er seit 20 Jahren. Ich zum Beispiel habe in den ersten zehn Jahren auf Skiern nicht ganz so hochprofessionell trainiert, Marcel schon. Er ist uns einfach ein paar Jahre voraus und lebt für diesen Sport. Bei Marcel kommen Talent, Ehrgeiz, harte Arbeit und ein Topteam mit seinem Vater und den Serviceleuten zusammen. Das passt einfach alles, es ist sensationell. Ich bin mir sehr sicher, dass es einen Skifahrer wie ihn auf absehbare Zeit nicht wieder geben wird.
Im deutschen Team drängte zuletzt auch Kira Weidle ins Rampenlicht, die in der Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen Dritte wurde. Wie sehen Sie generell die Entwicklung bei den DSV-Damen?
Sander: Ja, Kira Weidle hat wirklich überzeugt. Sie hat mich positiv überrascht mit ihren tollen Ergebnissen. Da haben wir eine richtig gute Abfahrerin, auch wenn man mit den Erwartungen vorsichtig bleiben muss. Aber vielleicht ziehen ihre Leistungen die eine oder andere Kollegin mit. Ich denke, dass die DSV-Damen auch im Technikbereich einen Schritt nach vorne machen werden. Das kann eine Welle werden, da kann ein Ruck durch die Mannschaft gehen. Und natürlich freuen wir uns auch bei den Herren, wenn es so positiv weitergeht.
Die absolute Überfliegerin heißt Mikaela Shiffrin, die mit Ausnahme der Abfahrt alle Weltcup-Wertungen anführt. Verstehen Sie dieses Phänomen?
Sander: Es ist sensationell, was sie macht und sehr schwer zu erklären. Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas funktionieren kann. Es ist ein wenig wie bei Marcel Hirscher. Mikaela Shiffrin hat ebenfalls ein super Team um sich, sie stemmt große Trainingsumfänge und verfügt über ein wahnsinniges Skigefühl. Solche Erfolge sind ohne eine unglaubliche Fitness nicht zu schaffen. Da kann man nur den Hut ziehen.
Im vergangenen Dezember haben Sie sich beim Training in Bormio einen Kreuzbandriss zugezogen. Damit war die Saison gelaufen. Wie gut schreitet der Heilungsprozess voran?
Andreas Sander: Seit einer guten Woche kann ich mich wieder ohne Krücken bewegen. Langsam zwar, aber das Knie macht super Fortschritte. Ich bin sehr zufrieden mit dem Heilungsverlauf und werde in dieser Woche in Bad Wiessee in die Reha einsteigen. Danach sollte es noch einmal deutlich besser gehen mit der Bewegung. Im März will ich mit dem Aufbautraining beginnen, sodass ab April einer kompletten Vorbereitung auf den kommenden Winter inklusive Skitraining ab Juli nichts mehr im Wege stehen sollte. Ich hoffe, dann ohne Rückstand in die nächste Saison gehen zu können.
Nach der Abfahrt von Bormio haben Sie auf Facebook einen Post abgesetzt und Ihnen selbst eine "sehr schlechte Leistung" attestiert. Deutlicher geht’s kaum. Sind Sie generell der selbstkritische Typ?
Sander: Ja, diese Selbstkritik ist typisch für mich. Ich darf es nur nicht übertreiben, sonst könnte das negative Auswirkungen mit sich bringen. Ich habe auch meine Rennen dieser Saison unter die Lupe genommen und schnell gemerkt, was nicht so gut lief. Meine Trainingsleistungen im Sommer und Herbst waren top, aber ich habe es überhaupt nicht geschafft, dies im Rennen zu zeigen. Das soll mir nicht noch einmal passieren! Und so schlecht dieser erneute Kreuzbandriss auch ist, hoffe ich doch, dass er für irgendwas gut war und ich im kommenden Winter stärker zurückkommen kann.
Herr Sander, ich bedanke mich für das Gespräch.
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