Alexander Zverev: Wer will Deutschlands Tennis-Star wirklich sein?

Alexander Zverev ist als Tennisprofi unberechenbar. Das gilt in sportlichen Belangen genauso wie im Hinblick auf sein Verhalten abseits des Courts. Es ist bei einem 23-Jährigen verständlich, dass er die richtige Balance noch sucht. Für den weiteren Verlauf von Zverevs so erfolgsversprechender Karriere ist es aber wichtig, jetzt eine Entscheidung zu treffen - wie das Beispiel Roger Federer zeigt.

Alexander Zverev: Zwischen Kritik und sportlicher Extraklasse

Fotocredit: Getty Images

Versteh' einer diesen Alexander Zverev.
Verbale Ausfälle gegen den Vater, großzügige Spenden für die Opfer der Buschbrände in Australien, Wutausbrüche mit zerdepperten Schlägern, das erste Grand-Slam-Halbfinale der Karriere, wilde Party-Szenen in Zeiten der Corona-Pandemie - Deutschlands Nummer eins im Tennis hat in der ersten Jahreshälfte so gut wie nichts ausgelassen.
Ach ja, das Show-Event in Berlin hat er auch noch abgesagt, arbeitet dafür aber mit seinem neuen "Test-Coach" David Ferrer an der Form. Die Entscheidung löste in der Hauptstadt eine gewisse Verwunderung aus.

"Zverev hätte sich kritischen Fragen stellen können"

"Zverev hätte hier in Berlin eine große Chance gehabt. Auf den Pressekonferenzen hätte er sich den kritischen Fragen stellen und auch wieder sportlich auf sich aufmerksam machen können", gab Turnierveranstalter Edwin Weindorfer zu Protokoll.
Wer es gut mit Zverev meint in diesen Tagen, sieht in ihm einen dieser echten Typen, deren vermeintliches Fehlen regelmäßig bedauert wird. Kritiker halten dem Weltranglisten-Siebten indes mangelnde Reife und Arroganz vor. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Zverev muss sich nun allerdings entscheiden, wer er sein will und wie er dahin kommt, wo er hin möchte: an die Spitze seines Sports.
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Zverevs Top-Shots zum 23. Geburtstag: Showman und Laver-Cup-Entscheider

Quelle: Eurosport

Denn klar ist: In den ersten ein, zwei Jahren nach Wiederaufnahme der Tour wird die neue Generation ihre Claims abstecken. Die alten Dominatoren Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic sind auf den Zielgeraden ihrer unglaublichen Karrieren, dahinter lauert ein hungriges Feld an potenziellen Thronfolgern.
Dominic Thiem, Daniil Medvedev, Stefanos Tsitsipas, Karen Khachanov, Nick Kyrgios, Félix Auger-Aliassime oder Andrey Rublev gehören dazu, Zverev selbstverständlich auch. Welche Rolle der 23-Jährige in diesem Kreis spielen wird, hängt davon ab, für welches seiner vielen Gesichter er sich in der Zukunft entscheidet.

Offene Worte von Federer: So habe ich die Kurve bekommen

Kein Fehler wäre es, sich an Federer zu orientieren. Der Rekord-Grand-Slam-Champion galt als junger Spieler ebenfalls als Rüpel, auch beim Schweizer überlebte nicht jeder Schläger ein Match. 2001, nach einem weiteren Ausraster, wandte sich Federer schließlich an einen Sport-Psychologen.
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Roger Federer in Wimbledon

Fotocredit: Getty Images

Das sei "ein extrem langwieriger Prozess" gewesen damals, wie der heute 38-Jährige im Gespräch mit der "Zeit" berichtete. "Erst zwei Jahre später habe ich wirklich gewusst, wie ich mich auf dem Platz verhalten muss, um einerseits nicht zu gleichgültig und andererseits nicht immer gleich auf 180 zu sein."
Federer hat diese Balance gefunden, spätestens 2003, als er im Alter von 21 Jahre in Wimbledon seinen ersten Grand-Slam-Titel holte. Zverev ist noch auf der Suche nach dieser Balance, die aus einem sehr guten Tennisspieler einen Champion macht.

Becker: "Diese Events tun Zverev nicht gut"

Aus Sicht von Boris Becker setzt Zverev mitunter die falschen Schwerpunkte. Damit spielt der dreimalige Wimbledon-Sieger auf die Show-Events an, die der junge Deutsche im Vorjahr zusammen mit Federer in Mexiko, Chile, Argentinien und Ecuador absolvierte.
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Becker moniert im Legenden-Vodcast: "Zverev ist noch nicht Federer"

Quelle: Eurosport

"Diese Events tun Zverev nicht gut, denn er ist noch kein Federer", monierte Becker bei Eurosport zu Beginn des Jahres. "Er sollte nicht im Privatjet von A nach B fliegen, denn er hat sich das sportlich noch nicht verdient. Das ist erst dann der Fall, wenn du Grand-Slam-Champion bist, die Nummer eins, zwei oder drei der Welt."
Spielerisch liegen Zverevs Stärken und Schwächen auf der Hand. Der Schlüsselfaktor zu Beginn des Jahres war der Aufschlag. Kommt er, ist er eine Waffe, sitzt er nicht, ist der Hamburger aufgeschmissen. So geschehen im Januar beim ATP Cup, als er grauenhaft servierte und auf die Anweisungen seines Vaters rüde reagierte. "Halt die Klappe, was zum Teufel redest du da. Ich habe keinen Aufschlag mehr, und du erzählst mir irgendeinen Scheiß", brach es aus dem Sohnemann heraus.

Was macht Zverev aus dem Australian-Open-Halbfinale?

Zverev verlor seine drei Einzel beim ATP Cup allesamt, nichts ging mehr. Zwei Wochen später sah die Welt dann schon wieder ganz anders aus.
Der Aufschlag sei "20 Mal besser geworden", erklärte er im Exklusiv-Interview mit Eurosport. Und siehe da: Zverev stieß erstmals in seiner Laufbahn in ein Grand-Slam-Halbfinale vor. Ein sportlicher Meilenstein.
Die Basis für die ganz großen Erfolge hat er also gelegt, sein Image hat dagegen gelitten wie nie zuvor. Man kann Alexander Zverev nur wünschen, dass er nun kluge Entscheidungen trifft - in allen Bereichen.
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Becker macht Hoffnung: "Zverev hat Grand-Slam-Blut geleckt"

Quelle: Eurosport

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