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US Open 2016 - Angelique Kerber liegt die Welt zu Füßen: Der Beginn einer neuen Ära?

Petra Philippsen

Publiziert 12/09/2016 um 09:36 GMT+2 Uhr

Angelique Kerber beweist mit dem Sieg bei den US Open endgültig, dass sie keine Eintagsfliege ist, ihr Mut zur Veränderung könnte eine neue Ära im Frauentennis einläuten. Auftreten und Erscheinungsbild als Gewinnerin können sich schon mal sehen lassen, wie Tennis-Expertin Petra Philippsen in ihrem Blog aus New York feststellt.

Angelique Kerber posiert mit ihrer Trophäe

Fotocredit: AFP

Die Nacht war kurz für Angelique Kerber gewesen, sehr kurz. "Ich habe vielleicht zwei, drei Stunden geschlafen", erzählte sie am Sonntag: "Aber als ich aufgewacht bin, wusste ich sofort - wow, ich habe es wirklich geschafft!"
Was für einen Trip hatte Kerber da in den vergangenen acht Wochen hingelegt: Silber in Rio, Sieg bei den US Open, neue Nummer eins. "Das war wirklich die erfolgreichste Reise, die ich je hatte", freute sie sich und sah dabei gar nicht zu verschlafen aus. Denn aus dem Feier-Fauxpas aus Melbourne hatte Kerber gelernt: bloß etwas Wein und Sekt trinken - auf keinen Fall Shots.
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Yes, she can! Kerber gewinnt US-Open-Finale (Highlights)

So blieb der Kater am Sonntagmorgen also aus und Kerber erschien perfekt gestylt zum Pokal-Shooting auf der Plaza vor dem Arthur-Ashe-Stadium. Die Fotografentraube hatte den Brunnen bereits belagert, zusammen mit hundert Schaulustigen, die ihr zujubelten und allesamt die Telefone zückten. Und dann posierte Angelique Kerber, balancierte auf ihren schwarzen High-Heels am Brunnenrand mitsamt ihrer silbernen Trophäe.
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Angelique Kerber auf der Plaza vor dem Arthur-Ashe-Stadium

Fotocredit: Eurosport

Küsschen hier, Drehung dort, lächeln, bitte nochmal hierher lächeln - und das machte Kerber in ihrem wunderschönen Kleid so elegant und gekonnt, als hätte sie nie etwas Anderes gemacht. Es war ihr großer Auftritt, sie war die Queen of Queens.
Dann hieß es umziehen, ins nächste schicke Kleid schlüpfen und hinaus zur großen Weltkugel vor den Eingangstoren von Flushing Meadows. Das Metallmonument "Unisphere" ist von der Expo 1964 übrig geblieben und durch Iron Man 2 wieder zur Berühmtheit gelangt. Und die Welt liegt Angelique Kerber ja nun quasi zu Füßen, als neue Nummer eins.
Davon hatte sie immer geträumt. Und sie hatte standgehalten in ihrem dritten Grand-Slam-Finale der Saison nach Melbourne und Wimbledon, und das erstmals als Favoritin. Den Druck hatte sie ausgeblendet. "Ich wusste, die Nummer eins kann mir keiner nehmen, egal, was passiert", sagte Kerber, "und jetzt habe ich mit dem zweiten Grand Slam die letzte Bestätigung, die ganz wichtig für mich war."
Nach Anerkennung hatte sie sich in ihrer Karriere lange gesehnt, und auch ihr Sieg bei den Australian Open behielt für sie einen kleinen Makel. Kerber wollte unbedingt beweisen, dass sie keine Eintagsfliege gewesen ist. Das ist ihr eindrucksvoll gelungen.
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Petra Philippsen in New York

Fotocredit: Eurosport

Trotzdem hing sie während dieser US Open oft der Vergangenheit nach. Sie dachte darüber nach, wie das alles mit ihr gekommen war. Über das, was vielleicht Schicksal in ihrem Leben gewesen ist. Als sie vor fünf Jahren in der Sinnkrise steckte, aufhören wollte und dann doch weitermachte und dann in New York ins Halbfinale stürmte. Das war ihr Durchbruch, beinahe wäre er nicht passiert. Das war wohl Fügung.
Genauso oft dachte Kerber dieser Tage an jenen Matchball zurück, den sie im Januar in der ersten Runde der Australian Open gegen Misaki Doi abgewehrt hatte. Wie wäre Kerbers Saison wohl verlaufen, hätte sie ihn nicht abgewehrt? Vielleicht wäre keiner der wunderbaren Erfolge danach passiert. Wahrscheinlich wäre Kerber heute immer noch die Unvollendete. "Die Frage wird mir niemand beantworten können", sagte sie, "ich muss es so hinnehmen." Und Kerber tut es. Sie ist mit sich und ihrem Schicksal im Reinen.
"Ich glaube, es ist alles so gekommen, wie es sein sollte", ist Kerber überzeugt: "Dass ich erst mit 28 Jahren mein bestes Tennis spiele und nicht schon mit 18. Ich habe aus vielen Erfahrungen Schritt für Schritt gelernt und mich auch als Person entwickelt. Das hat einfach Zeit gebraucht." Und nun ist ihre Zeit gekommen, Kerber steht ganz oben.
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Kerber im Kleid

Fotocredit: Eurosport

Und sie hatte jahrelang sehr hart dafür geschuftet. Stunde um Stunde auf dem Trainingsplatz, im Fitnessraum. Dort, wo es keiner sieht, wo keiner applaudiert. Dort hatte sie sich am Ende des letzten Jahres neu erfunden. Die sture Verteidigerin sprang über ihren Schatten und mischt inzwischen ihr Konterspiel mit aggressiven Gewinnschlägen. Und hat mir ihrem Mut zur Veränderung jetzt vielleicht sogar eine neue Ära im Frauentennis eingeläutet.
Sie hat Serena Williams in dieser Saison am nachdrücklichsten die Stirn geboten und bringt jetzt die nötige Reife und Abgeklärtheit mit, um die größte Herausforderin der fast 35-Jährigen zu werden. Und bis die neue Generation bereit ist, könnte Kerber dann aus der schwinden Macht von Williams in den nächsten ein, zwei Jahren Kapital schlagen. Aber jetzt freut sich Kerber erstmal, dass "alle meine Träume in diesem Jahr wahr geworden sind".
Aber es wird neue Träume, neue Ziele für sie geben. Jedoch nicht in den nächsten zwei Wochen. Kerber will nach Hause, entspannen. Endlich loslassen. Keinen Druck mehr spüren, Zeit für sich haben. Und anstoßen mit Familie und Freunden auf das beste Jahr ihrer Karriere. Und ein bisschen auch auf das Schicksal.
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Kerber pur: Die wichtigsten Punkte im Finale der US Open

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