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Alexander Zverev vor den US Open: Alte Probleme, späte Reue

Florian Bogner

Update 26/08/2020 um 18:14 GMT+2 Uhr

Alexander Zverev nimmt in New York die US Open in Angriff, verpatzt aber die Generalprobe beim Cincinnati-Masters gleich im ersten Match gegen Andy Murray. Erneut machen dem 23 Jahre alten Deutschen Aufschlagprobleme zu schaffen. Für Eurosport-Experte Mats Wilander ist der Weltranglistensiebte nur schwer auszurechnen. Immerhin: In Sachen Adria Tour machte Zverev nun endlich reinen Tisch.

Alexander Zverev

Fotocredit: Getty Images

Alex Zverev hatte sich das definitiv anders vorgestellt.
Seit einigen Tagen sind die Stars der Szene - oder zumindest jene, die sich die US Open antun wollen - in New York. Leben in einer Bubble.
Training, Hotel, Training, Essen, Schlafen, Training - viel dürfen sie nicht, die Profis. Das nach New York verlegte Cincinnati-Masters bietet da die willkommene Abwechslung. Endlich wieder Wettkampftennis um Weltranglistenpunkte, die perfekte Vorbereitung auf die am kommenden Montag startenden US Open.
Und dann war das Turnier für Zverev nach 2:31 Stunden schon wieder vorbei.

Zverev verpatzt Generalprobe beim Masters

3:6, 6:3, 5:7 hieß es für ihn gegen Andy Murray (Großbritannien). Und Zverev hatte wieder sein Hotelzimmer vor Augen. "Du willst hier gewinnen und dein bestes Tennis spielen, aber es ist auch normal, dass du im ersten offiziellen Turnier nach sechs Monaten Pause nicht gleich dein bestes Tennis zeigen kannst", sagte der 23-Jährige, sich betont locker gebend.
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Bei Corona-Comeback: Zverev verliert gegen Murray

Dass er als an Position fünf gesetzter Spieler in der ersten Runde ein Freilos hatte, während Murray schon gegen Frances Tiafoe ran durfte (7:6, 3:6, 6:1), half dabei nicht. "Ich denke, dass die Spieler im Vorteil sind, die die erste Runde gespielt haben und einfach schon ein Match hatten. Das hat man auch bei Dominic Thiem gesehen", führte Zverev an.
Der Österreicher, neben Novak Djokovic der Top-Favorit auf den Titel bei den US Open, verlor sein Auftaktmatch sang- und klanglos mit 2:6, 1:6 gegen den Weltranglisten-32. Filip Krajinovic (Serbien).
Vor dem Start der US Open scheint also nicht nur Zverev nicht so genau zu wissen, wo er denn steht im 128er-Feld. Die Absenz von Rafael Nadal und Roger Federer öffnet theoretisch das Feld für die nächste Generation. Doch in Form sein muss man auch. Und noch suchen sie im Zverev-Lager danach.
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Zverev macht in Sachen Adria Tour reinen Tisch

Zumindest muss sich der Hamburger seit Montag nicht mehr mit zurückliegenden Themen belasten. Zwei Wochen nach der havarierten Party-Tournee namens Adria Tour und seinem anschließenden Feier-Video aus Monaco machte der 23-Jährige reinen Tisch: "Ich habe einen Fehler gemacht mit der Adria Tour und danach auch mit der Geburtstagsfeier", sagte er. Besser spät als nie.
Das Verhalten der Tennis-Stars - ihn eingeschlossen - sei "extrem unglücklich" gewesen, gab er nun in New York zu, "extrem unzuverlässig". Zverev: "Mit 5000 Kindern einen Kids Day zu machen oder vor Publikum zu spielen, war vielleicht nicht das Schlaueste."
Das Ende ist bekannt - nicht nur Djokovic und Grigor Dimitrov wurden positiv auf das neuartige Coronavirus getestet, die Tennis-Profis, ohnehin nicht als die Bodenständigsten angesehen, verloren auch in der öffentlichen Meinung weiter an Kredit.
Zverev verwies zwar erneut drauf, niemand in Gefahr gebracht zu haben - er selbst wurde schließlich insgesamt sieben Mal negativ getestet. "Aber klar war das jetzt nicht das Schlaueste auf der Welt", schloss er seine Entschuldigung. Er wolle nun "wieder anfangen zu gewinnen und vorbildlich sein".

Zverev verspielt weiter Sympathien in Deutschland

An den Formulierungen wird Zverev lange gefeilt haben. Seinen Turnierstart in Berlin hatte er nach dem Adria-Tour-Debakel kurzfristig abgesagt und damit die Veranstalter verärgert. "Mein Manager hat mir gesagt: Bleib lieber zu Hause", erklärte Zverev nun. Später schlug er allerdings beim für diese komischen Zeiten einigermaßen durchgestylten "Ultimate Tennis Showdown" von Patrick Mouratoglou in der Nähe von Nizza auf.
Sein Verhältnis zu den Tennis-Fans in Deutschland, bis dato nie das wärmste, hat sich so nicht nachhaltig verbessert. Aus Zverev spricht Bitterkeit, wenn er sagt: "2018, als ich gewonnen habe, war die Beziehung sensationell. Wenn ich am Verlieren bin, ist die Beziehung leider nicht so toll." Nachsätze wie: Das sei "in Deutschland leider so" und dass er das "auch im Fußball" beobachtet habe, gehen ebenso nicht als Charmeoffensive durch.
Die deutschen Herzen gewinnen, das weiß Zverev, kann er nur, wenn er siegt. Am besten mal bei einem Grand Slam. Gegen Murray kam ihm nur dummerweise erneut sein Aufschlag abhanden, ein Problem, das ihm schon vor den dann doch so erfolgreichen Australian Open mit seiner ersten Halbfinal-Teilnahme bei einem Major, schon Kopfzerbrechen bereitet hatte. Elf Doppelfehler schlug er, verbaute sich so sein Comeback im dritten Satz, als er von 1:4 zurückkam, 5:4 führte, sich dann aber erneut sein Service abnehmen ließ und bei 5:6 ein weiteres, letztes Mal.

Wilander: Zverev kann "locker" einen Grand Slam gewinnen

"Bei Sascha kommt alles auf den Aufschlag an", sagte Tennis-Legende Mats Wilander vor den US Open zu Eurosport.de. Wenn Zverev so aufschlage, wie er es eigentlich kann, "wenn er den Ball so trifft wie bei seinem ATP-Finals-Sieg 2018, als er wirklich bei 100 Prozent war, dann kann er locker auch mal ein Grand-Slam-Turnier gewinnen".
Laut Wilander werde Zverev allerdings auch "sein Spiel von der Grundlinie verbessern müssen". Vor allem "gegen die ausgebufften älteren Spieler" müsse der 23-Jährige forscher zu Werke gehen, unberechenbarer spielen. Bisher hat Zverev bei einem Grand-Slam-Turnier noch keinen Top-Ten-Spieler geschlagen. Dabei hätte er es laut Wilander definitiv in sich.
"Wenn er aggressiv spielt, locker bleibt, sein Aufschlag kommt, dann ist er einfach ein so guter Spieler, dass es zwangsläufig irgendwann mal passieren muss", sagte der 56 Jahre alte ehemalige Weltranglistenerste. "Dann ist es für mich nur eine Frage der Zeit, bis er ein Grand-Slam-Turnier gewinnt. Aber ob das schon bei diesen US Open der Fall sein wird? Keine Ahnung."
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Zverevs Entwicklung: Ferrer das fehlende Puzzleteil?

Auf dem Papier schon mal nicht schlecht, da sind sich die Tennis-Experten einig, war Zverevs Move, sich David Ferrer ins Trainerteam zu holen. "Wenn man sich einen hätte aussuchen müssen, von dem Sascha noch etwas in Sachen Grundlinienspiel lernen könnte, dann ist David Ferrer der absolute Volltreffer", findet Wilander sogar.
2019 hatte Ferrer Zverev in Miami noch geschlagen, ehe der Deutsche ihn in Madrid besiegte und so Ferrers Karriere beendete. Für Wilander sei der 38 Jahre alte Spanier nicht irgendein guter Grundlinienspieler, "sondern der aggressivste Grundlinienspieler aller Zeiten. Er ist auf jeden einzelnen Ball draufgegangen und hat seine Vorhände von überall geschlagen, völlig egal." Er könne "Zverev definitiv helfen, ein bisschen aggressiver in seinen Grundschlägen zu werden".
Was der Spieler wohl genauso sieht. "Er übertrifft jede Erwartung, die ich als Trainer an ihn hatte", sagt Zverev selbst. Den letzten Feinschliff für die US Open wird er sich nun aber via WhatsApp, Facetime oder Zoom holen müssen - Ferrer ist wie Zverevs Vater nicht mit nach New York gekommen, der Spieler ab sofort auf sich allein gestellt.
Nach der Niederlage gegen Murray blieb Zverev nichts anderes übrig, als sich wieder zurückzuziehen, ins Hotel, die Bubble. Kein schlechter Ort. "Alle Spieler sind zusammen, das ist ein bisschen wie zu Juniorenzeiten, was auch relativ angenehm ist", plauderte Zverev über die Umstände in New York. Wobei man natürlich als Tennis-Profi anderes gewohnt ist: "Das Hotel ist jetzt nicht gerade ein Four Seasons, aber da muss man durch."
Dass er weiter so spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, macht ihn zumindest authentisch.
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