Wimbledon - Barbara Rittner lobt Angelique Kerber trotz Halbfinal-Aus: "Mit ihr ist wieder zu rechnen"
Nachdem in der ersten Jahreshälfte wenig für sie zusammenlief, hat sich Angelique Kerber in Wimbledon eindrucksvoll in der Weltklasse zurückgemeldet. Erst im Halbfinale musste sie sich der Weltranglistenersten Ashleigh Barty geschlagen geben. Für viele kam dieser Erfolg aus dem Nichts. DTB-Chefin und Eurosport-Expertin Barbara Rittner zeigt sich jedoch nicht wirklich überrascht.
Angelique Kerber hat sich in Wimbledon eindrucksvoll zurückgemeldet
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Als Angelique Kerber nach einem weiteren heroischen Fight unter dem warmen Applaus des begeisterten Publikums den Centre Court verließ, huschte ihr dann doch ein breites Lächeln übers Gesicht. Ihre fabelhafte Reise in Wimbledon ist zwar vorbei, der Traum vom zweiten Titel auf dem heiligen Rasen nach 2018 ist geplatzt - doch schnell überwog der Stolz auf ihre bärenstarke Turnierleistung an ihrem "magischen Ort".
"Ich habe zwar verloren, aber trotzdem nehme ich diese Reise mit", sagte die 33-Jährige nach dem 3:6, 6:7 (3:7) gegen die Weltranglistenerste Ashleigh Barty in einem hochklassigen Halbfinale: "Ich bin unendlich dankbar, dass ich das geschafft habe, weil ich denke, dass die einen oder anderen mich in den letzten Monaten auch abgeschrieben haben. Trotzdem war der Glaube an mich groß, deswegen bin ich sehr stolz auf mich und mein Team."
Stolz ist auch DTB-Chefin Barbara Rittner. "Sie hat sich wieder in die Weltklasse zurückgespielt", sagte die Eurosport-Expertin nach dem Halbfinale.
Ein Halbfinale, das so bis vor drei Wochen absolut nicht zu erwarten war. Denn Kerbers erste Jahreshälfte verlief gelinde gesagt bescheiden. Abgesehen von der Grampians Trophy, ihrem ersten Turnier in diesem Jahr, schaffte sie es nie weiter als ins Achtelfinale. Bei den Australian Open und den French Open scheiterte sie gar jeweils in der ersten Runde an ungesetzten Spielerinnen. Die French Open waren ihr drittes Grand-Slam-Turnier in Folge, bei dem die Kielerin schon an der Auftakthürde scheiterte.
Rittner: Kerber "ist einfach eine ganz natürliche Rasenspielerin"
Auch wenn sie vor den Australian Open aufgrund einer Corona-Infektion in ihrem Flugzeug in Quarantäne musste, welche sie, wie Kerber später erklärte, komplett aus dem Rhythmus brachte und Sand noch nie zu ihren stärksten Belegen gehörte, waren diese Ergebnisse eine herbe Enttäuschung.
Die Kritik an Kerber wurde immer lauter. Angesichts ihrer 33 Jahre und der Tatsache, dass ihre letzte Finalteilnahme bereits knapp zwei Jahre zurücklag, machte auch das Thema eines möglichen Karriereendes die Runde.
Rittner stimmte schon nach den French Open nicht in diesen Chor mit ein. "Ich war ja eine der wenigen, die dafür belächelt wurde, dass ich auch während der French Open schon gesagt habe, dass sie die Sandplatz-Saison abhaken soll und dass wir auf Rasen eine ganz andere Angie sehen werden", so Rittner am Donnerstag, die sich nun bestätigt sieht: "Sie ist einfach eine ganz natürliche Rasenspielerin. Ich habe damals schon gesagt, dass sie auf Rasen die Chance hat, sich dieses Selbstvertrauen, was ihr vorher gefehlt hat, zurückzuspielen."
Ein erstes Indiz für diese Trendwende lieferte das Rasen-Turnier in Berlin, auch wenn sie dort erneut in der zweiten Runde ausschied. Nach einem souveränen Erstrundensieg gegen die Japanerin Misaki Doi unterlag sie Victoria Azarenka 3:6, 5:7. "Das Match gegen Azaranka war weltklasse. Das einzige was da fehlte, war die eigene Überzeugung und das Selbstvertrauen durch gewonnene Matches", analysierte Rittner.
Rittner: "Angie legt von der Atmosphäre und den Emotionen"
Genau jenes Selbstvertrauen holte sich Kerber dann wenige Tage später mit ihrem Turniersieg bei den Bad Homburg Open. "Ganz wichtig dort war der Halbfinal-Sieg gegen Petra Kvitova", so Rittner. Kerber schlug die zweimalige Wimbledon-Siegerin aus Tschechien 3:6, 6:4, 7:6 (7:3). Im Finale ließ sie dann einen überzeugenden Zwei-Satz-Sieg gegen Katerina Siniakova folgen und feierte ihren ersten Turniersieg seit Wimbledon 2018.
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So gewann Kerber den ersten Titel seit drei Jahren
Quelle: Eurosport
Neben dem Faktor Rasen spielte aus Sicht von Rittner auch die Zuschauer-Rückkehr eine entscheidende Rolle für Kerbers neuen Höhenflug: "Angie ist eine Spielerin, die von der Atmosphäre und Emotionen lebt. Sie saugt so etwas auf. Sie hat eine so lange Karriere hinter sich, da spielen diese Emotionen einfach eine große Rolle, um diese Extraprozente aus sich herauszuholen. Das hat sie in Bad Homburg und eigentlich auch schon in Berlin unglaublich genossen."
Kerbers Freude vor Publikum spielen zu können, zeigte sich auch in Wimbledon, wo aufgrund der britischen Corona-Lockerungen deutlich mehr Fans zugelassen waren als bei den deutschen Turnieren. Speziell bei ihrer Achtelfinal-Partie auf dem Centre Court gegen US-Nachwuchshoffnung Cori Gauff und dem Viertelfinale gegen Karolina Muchova auf Court No. 1 schien die 33-Jährige richtig aufzublühen, was sich auch im Ergebnis, 6:4, 6:4 gegen Gauff und 6:2, 6:3 gegen Muchova, niederschlug.
Ein weiterer Erfolgsfaktor: Kerbers beeindruckende Fitness. Dies zeigte sich besonders in der zweiten Runde gegen die Spanierin Sara Sorribes Tormo, als die Entscheidung in diesem hochklassigen Maraton-Match erst nach über drei Stunden fiel.
Rittner: "Barty hat Kerber kaum Möglichkeiten gelassen"
Diese starke Physis überrascht Rittner nicht: "Sie hat in den letzten Wochen und Monaten, auch wenn wenig Erfolge da waren, immer wieder weiter hart gearbeitet. Das war die Hauptgrundlage. Denn wenn die körperlichen Voraussetzungen nicht da sind, dann wirst du auch nach einem engen Match nicht weiter gewinnen können, weil dir was wehtut."
Eng war auch das Halbfinale am Donnerstag gegen Barty. Kerber hielt über weite Strecken gut mit der Australierin mit, doch in den entscheidenden Momenten war die Nummer eins der Welt einfach besser. "Es hat heute nicht gereicht, weil sie gegen die Nummer eins der Welt gespielt hat, die aus meiner Sicht ihr bestes Spiel in diesem Turnierverlauf gezeigt hat. Barty hat sehr gut aufgeschlagen und Angie kaum Möglichkeiten gelassen", analysierte Rittner: "Die einzige kleine Chance war, dass sie beim 5:3 im zweiten Satz zum Satz serviert hat. Aber auch da hat Barty ihr ganz wenig gegeben."
Kerber selbst sah es bei "Sky" ähnlich: "Der Schlüssel am Ende war, dass ich sie nochmal zurückgeholt habe. Dass ich nicht im Stande war, meinen Aufschlag zu halten und den zweiten Satz zu Ende zu bringen."
Statt sich den Satzausgleich zu holen, ging es in den Tiebreak. Dort fand jedoch die 33-Jährige zu spät ihren Rhythmus. "Im Tiebreak habe ich sehr schlecht angefangen und zu viele Fehler gemacht, sie startete dafür aber sehr gut. Und sie hat die Chance genutzt, die sie am Ende von mir bekommen hat", meinte Kerber.
Kerber nach Halbfinal-Aus: "Es überwiegt Dankbarkeit und Stolz"
Natürlich sei sie enttäuscht, so Kerber über das Ende ihrer märchenhaften Reise in Wimbledon: "Aber trotzdem überwiegt die Dankbarkeit und der Stolz darauf, was ich die vergangenen drei Wochen geleistet habe."
Doch wie geht es jetzt weiter? Bereits am 23. Juli stehen die Olympischen Spiele in Tokio an. 2016 holte Kerber in Rio die Silbermedaille. In der Wimbledon-Form hat sie definitiv die Chance, auch in Japan eine Medaille zu holen.
Rittner warnt allerdings vor zu großen Erwartungen: "Ich hoffe, dass sie das jetzt erstmal alles genießt und stolz auf sich ist. Dann werden wir sehen, was das im Hinblick auf Olympia und die US Open bedeutet. Das ist wieder Hartplatz, das heißt, der Körper muss sich auch umstellen."
Aber auch mental muss sich Kerber umstellen, denn am Donnerstag gab das Organisationskomitee bekannt, dass die Spiele in der japanischen Hauptstadt aufgrund des erneuten Corona-Notstands ohne Zuschauer stattfinden wernden. "Das wird Angie sehr traurig machen", so Rittner.
Rittner: "Mit Angie ist wieder zur rechnen"
Kerber selbst ließ sich noch nicht in die Karten schauen: "Ich werde mich heute Abend mit meinem Team zusammensetzen und wir werden die nächsten Wochen jetzt planen."
Eine Olympia-Absage käme durchaus überraschend, hatte die Kielerin den Start in Tokio doch eigentlich fest eingeplant. Zudem gibt es den Plan mit Alexander Zverev im Mixed anzutreten.
Egal, wie sich Kerber und ihr Team entscheiden, Rittner blickt dem weiteren Jahresverlauf optimistisch entgegen: "Sie hat sich in die Weltklasse zurückgespielt und mit ihr ist auf jeden Fall wieder zu rechnen."
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(mit SID)
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Quelle: Eurosport
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