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FC Bayern - Real Madrid: Carlo Ancelotti und die Champions-League-Mission von Jupp Heynckes

Johannes Mittermeier

Update 11/04/2017 um 17:37 GMT+2 Uhr

Am Mittwoch trifft der FC Bayern München im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals auf Real Madrid (ab 20:45 Uhr im Liveticker auf Eurosport.de). Carlo Ancelotti hat mit den "Königlichen" 2014 den Titel geholt, es war sein dritter als Trainer. Die Bayern triumphierten letztmals 2013 unter Jupp Heynckes, der erstaunliche Parallelen zu Ancelotti aufweist - nicht nur eine Entlassung bei Real.

Carlo Ancelotti mit der Trophäe des Champions-League-Siegers 2014

Fotocredit: AFP

All jenen, die Carlo Ancelottis Führungsstil als zu lax empfinden, diktierte der Fußballlehrer einst dieses Dogma:
Die Peitsche ist nichts für mich. Nicht als Trainer und nicht als Vater. Und auch mir gegenüber hat nie jemand die Peitsche benutzt. Ich glaube nicht an ihre Wirkung.
Ancelottis Maxime hat ihn weit gebracht in seiner Karriere. Mit dem FC Bayern München strebt er den vierten Champions-League-Titel als Trainer an, nach Triumphen beim AC Milan (2003, 2007) und Real Madrid (2014). Am Mittwochabend steigt in der Allianz Arena das Rendezvous mit der Ex, unter Flut- statt Kerzenlicht, egal, wichtig ist ja die Sache (ab 20:45 Uhr im Liveticker auf Eurosport.de).
Der FC Bayern vertraut grundsätzlich auf die eigene Stärke und spezifisch auf diesen 57 Jahre alten Großmeister der Grandezza. "Real bleibt die Nummer eins der Welt, aber wir haben Ancelotti", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge zum "Corriere dello Sport", das Duell mit Madrid bezeichnete er als "schwierigste Herausforderung dieser Saison, aber mit Carlo auf der Bank können wir sie mit Optimismus angehen".

Ancelotti: "...dann wäre ich schon früher gefeuert worden"

Es müssen an dieser Stelle keine Elogen auf Ancelottis zuckende Augenbraue oder Ancelottis ausladendende Kaugummizufuhr sein, um dessen Coolness zu demonstrieren; spannender sind der Blick auf Charakterstrukturen und Leitmotive, weil sie Parallelen konstruieren zum letzten Coach, der aus Bayern die Könige Europas trimmte.
Jupp Heynckes wird das später übrigens genauso sehen.
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Abgeräumt: Unter Jupp Heynckes gewann Bayern 2013 alles

Fotocredit: Eurosport

"Wer keine Probleme mag, darf nicht bei einem großen Klub anheuern", sagte Ancelotti mal. Seine Entlassung in Madrid 2015 nach einer mit Liga-Platz zwei und Champions-League-Halbfinale furchtbar missratenen Saison (Ironie Ende) nahm er lakonisch: passiert halt. Hätte er 2014 nicht "La Décima" geholt, den zehnten Champions-League-Sieg, "wäre ich schon ein Jahr früher gefeuert worden. Das war mir klar, als ich den Job übernommen habe". Carlo, der Pragmatiker.
Heynckes hatte seine Lebensphase der Reife und Altersweisheit noch vor sich, als er 1998 mit Real die "Königsklasse" gewann - und acht Tage nachher (!) hinauskomplimentiert wurde. Beispiellos. Seinerzeit war der Deutsche ein steif und spröde wirkender Übungsleiter mit leuchtend rotem Kopf. Eineinhalb Dekaden darauf wurde er Bayerns Triple-Trainer.

"Ancelotti macht dasselbe wie Heynckes"

Bis 2013 entwickelte sich Heynckes zu einer väterlichen Figur der Spieler, er besaß nun diese nicht erlernbare Autorität, die ihn qua Definition abhob, obwohl er sich selbst gerade nicht überhöhte. Jérôme Boateng, damals wie heute im Team, erinnert sich an eine "sehr menschliche" Attitüde von Heynckes, dem die Profis "bedingungslos" folgten.
"Er stand im Finale und hat den Pokal geholt, da gab es nie Diskussionen, ob seine Führung zu weich ist. Ancelotti macht dasselbe wie Heynckes", sagte Stefan Effenberg bei "kicker.tv – Der Talk". David Alaba bestätigt "ähnliche Eigenschaften" der beiden "Weltklassetrainer", und Lothar Matthäus brachte via "tz" den unausweichlichen Vergleich auf:
Ancelotti kommt weniger über die Emotionsschiene, sondern ist familiärer, so ein bisschen wie der jüngere Heynckes.
Für Boateng ist Ancelotti ebenfalls "ein bisschen wie Heynckes. Und taktisch können es nicht viele mit ihm aufnehmen", sagte der Verteidiger zur "AZ". Dies ist ein Punkt, der bei typischen Ancelotti-Adjektiven (ruhig, stoisch, gelassen) meist ausgeblendet wird. Der Italiener steht für keine Fußball-Philosophie wie Pep Guadiola, aber "er konnte die Bedingungen am besten mixen: die taktische Idee, das Menschliche, was gerade bei Real nicht so einfach ist", sagte Toni Kroos der "Zeit".

Ancelotti ist "auch mal sauer und schreit"

Der frühere Bayer arbeite eine Saison mit Ancelotti in Madrid. "Seine Teams", urteilte Kroos, "haben immer als Gemeinschaft funktioniert, weil er ihnen den Sinn des Mannschaftsspiels vermitteln konnte und sie fair behandelte". Passen würde diese Aufzählung gleichermaßen zu Heynckes, der Ancelotti 2014 im "kicker" rühmte:
Carlo formte mit seiner unaufgeregten Art aus Top-Stars ein Top-Team. Er wirkt ohne wilde Gesten.
Heute beschreibt der 71-Jährige den Mister als "total unaufgeregt, souverän und sympathisch". Und, natürlich: erfolgreich. 150 Champions-League-Spiele hat der Trainer Ancelotti bestritten, die drittmeisten hinter Arsène Wenger und Sir Alex Ferguson, der jedoch als Einziger öfter gewann (102) als Ancelotti (84).
Es wäre diesem Gut- und Gemütsmenschen eine Freude, Sieg numero 85 gegen Real zu erringen - damit eine selten erlebte Merkmalsausprägung keine Entfaltung findet. Boateng sagt über Ancelotti: "Er ist auch mal sauer und schreit."
Das gehört zu Carlos Klaviatur.
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