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Das Phänomen Stan Wawrinka: Der einhändige Champion

Laurent Vergne

Update 10/06/2017 um 23:56 GMT+2 Uhr

Drei Grand-Slam-Turniere hat Stan Wawrinka gewonnen, Roger Federer gar 18. Die beiden Schweizer gehören zum kleinen Kreis der Profis, die auf die einhändige Rückhand setzen. Nun greift Wawrinka im Finale der French Open gegen Rafael Nadal nach seinem zweiten Roland-Garros-Titel. Eurosport-Tennisexperte Laurent Vergne erklärt das Geheimnis der einhändigen Rückhand des Schweizers.

Stan Wawrinka, le prince du revers.

Fotocredit: Eurosport

Was bleibt im Gedächtnis, wenn ein Champion seine Karriere beendet? Welche Erinnerung drängt sich uns spontan auf? Die an einen bestimmten Augenblick? An seine sportliche Lebensleistung insgesamt? An eine ihm eigene Art des Auftretens? An einen Charakterzug?
Wenn Stan Wawrinka am Ende seiner Laufbahn seinen Schläger ein für alle Mal an den Nagel hängt, behält man ihn zweifelsohne als echten Champion in Erinnerung. Als Champion, der zwar spät auf der Bildfläche erschienen ist, aber einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Mit 31 Jahren hat der Schweizer drei Grand-Slam-Titel bei drei verschiedenen Top-Turnieren geholt. Das reicht allemal, um sich im Tennis-Zirkus einen großen Namen zu machen.
Neben seinen zahlreichen Erfolgen wird den Tennis-Fans sicher Wawrinkas einhändige Rückhand in Erinnerung bleiben, die zur tödlichen Waffe und gleichzeitig zum Paradebeispiel seiner Zeit wurde. "Würde diese Technik unterrichtet werden, wäre sie aus meiner Sicht ein Vorzeigemodell", sagt Yannick Fattebert, einer seiner derzeitigen Trainer.
Wawrinka lässt sich jedoch, so wie jeder andere Spieler seiner Größenordnung auch, nicht auf eine einzige Spieltechnik reduzieren. "Stan macht nicht nur durch seine unverwechselbare Rückhand von sich reden", betont Fattebert:
Sein Spiel hat noch viel mehr zu bieten. Meiner Meinung nach ist er trotzdem stolz auf diesen unvergleichlichen Schlag, den er wie kein Zweiter in der Szene spielt.
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Tennis-Special: So funktioniert Wawrinkas einhändige Rückhand

Der Paradeschlag von "Stanimal" ist technisch der sauberste im Profitennis und gleichzeitig vom Aussterben bedroht. Die einhändige Rückhand gilt heutzutage schon nahezu als Kunst, was kein anderer Schlag von sich behaupten kann. Die beidhändige Rückhand hingegen ist zwar weit weniger ästhetisch, aber ähnlich gefährlich.
Die einhändige Schlagtechnik ist im Tennis-Zirkus zur Rarität geworden. Die Zahl der Spieler mit einhändiger Rückhand ist auf einen Tiefpunkt gefallen. Wäre Wawrinkas Rückhand ein Schlag wie Aufschlag oder einer Vorhand, würde sie nicht einen derart bleibenden Eindruck hinterlassen, denn genau hier liegen die Stärken der meisten Tennisspieler von heute. Doch auch im modernen Tennis kann kein Schlag auch nur ansatzweise mit der einhändigen Rückhand mithalten.

Der Club der toten Dichter

Heute bilden die Einhänder eine eigene Gruppe in kleinem Kreis. Eine Art "Club der toten Dichter" des Tennissports. Egal, ob in den Top 10, Top 20, Top 50 oder Top 100 - rund 20 Prozent der Spieler wendet diese Technik an, manchmal auch weniger. Unter den weltweit einhundert besten Tennisspielern befanden sich am 31. Dezember des vergangenen Jahres 82 Beidhänder und gerade mal 18 Einhänder.
Zu deren prominentesten Vertretern gehören Stan Wawrinka, Dominic Thiem, Roger Federer, Grigor Dimitrov oder Richard Gasquet - Spieler, die mit einer eher sauberen als harten Spielweise zu Werke gehen. Alles andere als Zufall. Denn die einhändige Rückhand steht vor allem für Eleganz. "Für den Zuschauer ist sie besonders schön anzusehen", sagt Yannick Fattebert.
Im schnellen und dynamischen Spiel von heute ist die einhändige Rückhand oftmals weit weniger effizient als die Beidhändige. "Nur schön auszusehen, hat keinen Sinn. Man nutzt einen Schlag nicht aus ästhetischen, sondern aus taktischen Gründen", fährt Fattebert fort:
Und auch wenn Stan sehr an seiner Rückhand festhält und ihre Vorteile zu schätzen weiß, erträumt er sich im Gegenzug eine beidhändige Rückhand, um Bälle energischer zurückspielen zu können.
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Die Könige der einhändigen Rückhand

Fotocredit: Eurosport

Der geringe Anteil der heutigen Spieler mit einer Schlagtechnik dieser Art resultiert aus einem rückläufigen Trend, der seit Mitte der 70er Jahre fast unaufhörlich voranschreitet. Eine unglaubliche Wende in der Tennisgeschichte!
Einst praktizierte die gesamte Tenniswelt diesen Schlag. Bis in den 30er Jahren die ersten "Rückhand-Rebellen" aus Australien anrückten. Der damals 17-jährige Vivian McGrath sorgte für reichlich Aufsehen, als er 1933 bei den Australian Open mit seiner derart praxisfremden Schlagtechnik, der beidhändig geschlagenen Rückhand, daherkam und ins Halbfinale stürmte. Er wird als der erste Top-Champion angesehen (1937 sollte er den Sieg der Australian Open einfahren), der sich mit beidhändig gespielter Rückhand etablierte, bevor ihm später sein Landsmann John Bromwich nacheiferte. Die beiden Australier sind als Pioniere in die Historie eingegangen.

1974 - das Jahr der Revolution

Wer hätte damals gedacht, dass ihre revolutionäre Spieltechnik zur Norm, ja fast zur Karikatur werden würde? Es sollte vier Jahrzehnte dauern, bis sich die beidhändige Rückhand endgültig etabliert. 1974 wurde schließlich zum Jahr der Revolution, das den Wendepunkt in der Spielgeschichte kennzeichnen sollte. Im selben Jahr holte sich der 22-jährige Jimmy Connors mit Triumphen Down Under, in Wimbledon und New York gleich drei Grand-Slam-Titel. Der damals blutjunge Björn Borg (18) vervollständigte die Siegerliste bei Grand-Slam-Turnieren mit seinem Triumph bei den French Open.
Gemeinsam läuteten der Amerikaner und der Schwede ein neues Zeitalter der Tennisgeschichte ein. Ihr Einfluss war geprägt von der beidhändigen Rückhand. Vor ihrer Zeit waren die 106 vorangegangenen Grand-Slam-Turniere im Herrentennis seit dem Triumph von Bromwich 1946 in Australien von Champions mit einhändig geschlagener Rückhand gewonnen worden.
1974 war zudem das Jahr des Durchbruchs von Chris Evert. Die US-Amerikanerin gewann damals bei den French Open sowie in Wimbledon im Doppel ihre ersten beiden großen Titel.
Das Spitzentrio feierte seinen Durchbruch zu einer Zeit, in der Tennis zum Breitensport wurde. Borg, Connors und Evert waren nicht mehr nur Champions, sondern echte Stars. Ihr Einfluss sollte ein gigantisches Ausmaß annehmen. Seit ihrem Durchbruch überrollte die beidhändige Rückhand den Tennissport wie eine Flutwelle. Ein neuer Standard war geboren. Man muss nur einen Blick auf die 26 Spieler werfen, die seit der Schaffung der ATP-Weltrangliste im Jahr 1973, kurz vor dem Aufstieg von Borg und Connors, Platz eins belegten. Unter den 13 Erstplatzierten der Weltrangliste zwischen 1973 und 1996 befanden sich noch acht Einhänder. Zwanzig Jahre später waren die Einhänder unter den 13 letzten Leadern der Tour mit drei an der Zahl rar gesät: Patrick Rafter, Gustavo Kuerten und Roger Federer.
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Nur 3 der letzten 13 Weltranglisten-Ersten spielten eine einhändige Rückhand.

Fotocredit: Eurosport

Bei den Nachwuchsspielern hat diese Welle auf ähnliche Weise gewütet. Angesichts dieses Trends läutete Jack Kramer, Sieger der vier Grand-Slam-Turniere in den 40er Jahren, im Jahr 1987 die Alarmglocke. "Die jungen Spieler haben eine schlechte Grundlage", erklärte er "Le Monde du Tennis". "Dies liegt am Borg- und Evert-Syndrom. Doch was für Borg und Evert funktioniert hat, sollte bei 90 Prozent des Nachwuchses scheitern."
Die beidhändige Rückhand ist bei Nachwuchsspielern in gewisser Art und Weise die einfachste Lösung. Denn im Gegensatz zur Vorhand ist die Rückhand keine natürliche Bewegung. Mithilfe des freien Arms wird der Mangel an Kraft ausgeglichen. Insbesondere auf Höhe der Schultern lässt sich die beidhändige Rückhand einfacher beherrschen. Bei Kindern und Einsteigern, die noch nicht über die nötige Kraft verfügen, sorgt die beidhändige Technik für mehr Schnelligkeit und Stabilität. Federer erklärte einmal, dass er seinen Kindern mit der beidhändigen Rückhand die einfachere Technik beibringen würde.
Im Gegensatz dazu zeichnet sich die einhändige Rückhand dank ihrer höheren Vielfalt durch ein weitaus größeres Potenzial aus. Auch wenn sie technisch gesehen mehr Risiken mit sich bringt, können mit einer Hand insgesamt mehr Vorteile erzielt werden. Dies setzt eine Portion Mut voraus. Doch dieses Talent ist nicht jedem in die Wiege gelegt. Diese Tatsache hat Martina Navratilova, ehemalige Verfechterin der einhändigen Rückhand, zum Ausdruck gebracht:
Ich würde Kindern die beidhändige Rückhand beibringen, außer beim Slice und Volley. Man muss fast schon ein Naturtalent sein, um eine einhändige Rückhand zu spielen.

Sampras: "Die Entscheidung ist mir schwergefallen, ich habe sie aber nie bereut"

Alain Solvès sieht dies nicht anders. Vor einigen Jahren beschäftigte sich der mit dem Programm "Avenir National" im französischen Tennisverband FFT beauftragte Experte mit der Rückhand-Problematik bei der Ausbildung von Nachwuchstalenten. "Bei den Männern ist auffällig", verriet er unseren Kollegen von "We Love Tennis", "je näher man an die Spitze rückt, desto seltener kommt die einhändige Rückhand zum Einsatz. Wenn man die einhändige Rückhand spielt, muss sie zwangsläufig als Waffe dienen. Man kann nicht mit einer Rückhand-Schwäche an der Spitze mitmischen, wenn der Spieler unaufhörlich mit Slices kontern muss."
Das berühmteste Beispiel für den Wechsel auf eine Hand ist wahrscheinlich Pete Sampras. Im Alter von 14 Jahren hat der siebenfache Wimbledonsieger auf Anraten seines damaligen Trainers Peter Fischer seine Rückhand wie einst Björn Borg aufgegeben, um sie mit nur einer Hand zu schlagen. Eine vorerst schmerzhafte Entscheidung, die sich später in vollem Umfang auszahlte. Eine kurzfristige Entscheidung für den Erfolg auf lange Sicht.
"In den ersten zwei bis drei Jahren habe ich einige Matches verloren", erzählte "Pistol Pete". "Mein großer Rivale war Michael Chang. Ich war es gewohnt, gegen ihn zu gewinnen. Doch als ich die beidhändige Rückhand aufgab, begann er, das Spiel zu dominieren. Mit 18 Jahren war ich körperlich schließlich stärker und meine einhändige Rückhand wurde zur Wunderwaffe. Die Entscheidung ist mir schwergefallen, ich habe sie aber nie bereut."
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Pete Sampras beim Rückhandschlag

Fotocredit: AFP

Auch Stefan Edberg hatte auf Initiative seines Coachs Percy Rosberg in seiner Jugend zur selben Technik gewechselt. Mit demselben Ziel: seiner Angriffslust freien Lauf zu lassen. Denn die einhändige Rückhand ist, abgesehen von Ausnahmen, der Schlag des Siegers. Auch Dominic Thiem wurde von seinem Trainer Günter Bresnik dazu motiviert, diese Herausforderung zu meistern.
Auch wenn der Österreicher kein Angreifer wie Edberg ist, musste er sich von einer Spieltechnik loslösen, die teilweise mit der beidhändigen Rückhandtechnik zusammenhing. "Sein Auftreten, seine Persönlichkeit, sein Spiel, war alles in allem sehr defensiv", erklärte Bresnik dem "Wall Street Journal" im vergangenen Juni. "Die beidhändige Rückhand hätte ihn nicht weitergebracht. Er wäre lediglich ein Mittelklassespieler gewesen." Wie bei Sampras erwies sich der Wechsel nur in der Übergangsphase als schmerzhaft. "Ich glaube, ich habe ein Jahr bis anderthalb Jahre lang kein Match gewonnen", erzählt Thiem heute schmunzelnd.
Mitte der 90er verlief der Wechsel für Stan Wawrinka sehr viel reibungsloser. Es war die Entscheidung von Dimitri Zavialoff, seinem damaligen Coach, der seinen Job bis 2010 ausübte, nachdem er ihn auf den 9. Platz der Weltrangliste brachte. "Ganz zu Anfang schlug Stan die Rückhand beidhändig", erklärte uns der Elsässer. Wawrinka war zu dem Zeitpunkt elf Jahre alt. "Doch er hatte", ergänzt er, "enorme Schwierigkeiten mit seiner linken Hand und seinem linken Arm. Ich sagte mir‚ versuchen wir es mit einer Hand und sehen, was dabei herauskommt. Schon nach den ersten Schlägen gelang es ihm, seine linke Hand vom Schläger fernzuhalten. Er schlug seine Rückhand mit der freien Hand im Rücken. Und tatsächlich war seine beidhändige Rückhand schnell Geschichte. Klar dauerte es etwas, bis die Bewegung fließend verlief. Er musste unzählige Bälle schlagen, bevor er soweit war. Doch schon mit zwölf Jahren ging ihm die Technik leicht von der Hand."
Es geht sogar noch weiter. Diese Rückhand war schon fast eine Selbstverständlichkeit. Denn jenseits der Technik und des Trainings erfordert sie ein Feeling, das man nicht lernen kann. Entweder man hat es oder man hat es nicht. Zavialoff fährt fort: "Er zeigte eine natürliche Begabung für die Rückhand, eine echte Mühelosigkeit. Ein flüchtiger Blick. Den richtigen Abstand zum Ball finden, sich optimal positionieren... All dies setzte er besser in die Tat um als ein normaler Spieler."
Es dauerte nicht lange, bis die einhändige Rückhand von Wawrinka zum tödlichen Geschoss wurde und einen bleibenden Eindruck hinterließ, wie sein ehemaliger Coach verrät: "Seine Rückhand wurde seinen Gegnern sehr schnell zum Verhängnis. Er schlug auf beiden Seiten hart und in dem Alter versuchten die Spieler in erster Linie, ihre Gegner über die Rückhand auszuschalten. Doch nicht mit Stan. Seine Flugbahn war runder, seine Bälle hatten mehr Spin. Zudem hatte er seine cross geschlagene Rückhand, die den Kontrahenten aus dem Feld treibt. Sie war ein großer Pluspunkt. Dass er in diesem Alter in der Lage war, die einhändige Rückhand auf diese Weise zu spielen, zeigte schnell, dass er ein Ausnahmetalent ist."
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Stan Wawrinka mit 17 Jahren im Jahr 2002.

Fotocredit: Imago


Terminator und Mozart

Diejenigen, die ihn 2003 bei den French Open der Junioren triumphieren sahen, werden nicht vergessen, wie sie von dieser unverwechselbaren Waffe in die Knie gezwungen wurden. In den vergangenen 13 Jahren hat er sich sehr wenig und zugleich doch stark weiterentwickelt. Paradox, oder? Gar nicht mal so sehr. "Technisch gesehen", analysiert Patrick Mouratoglou, "war seine Rückhand seit den Junioren sehr stabil. Allerdings nutzte er den Rückhandslice, den er zu jener Zeit nicht beherrschte und häufig einsetzte, um das Tempo zu ändern."
Der scharfe Blick des Eurosport-Experten und Coaches von Serena Williams wird durch die Kommentare von Dimitri Zavialoff und Yannick Fattebert gestützt. "Bei den Junioren war er relativ stark in sämtlichen Bewegungen auf Höhe der Schultern", betont Zavialoff. "Das lag daran, dass er bereits ausgesprochen stark in diesem Bereich war. Allein der Tempowechsel bereitete ihm manchmal Schwierigkeiten. Er musste zudem eine gewisse Regelmäßigkeit finden, Zuversicht bei der Kontrolle des Schlages, das war ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Er war jemand, der sehr harte Schläge spielte, seinen Spielstil jedoch nicht beibehalten konnte, was zwangsläufig zu Fehlern führte."
"Seine Rückhand war schon immer sein großes Pfund und dennoch hat er sich im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt", bekräftigt Fattebert seinerseits. "In puncto Rückhand hat er heute noch mehr zu bieten als je zuvor. Er hat seinen Slice verbessert. Taktisch gesehen nutzt er ihn besser. Er findet zudem bessere Winkel bei kurzen Cross-Schlägen." Wawrinka ist in eine neue Dimension vorgedrungen. Obwohl seine Rückhand bereits das Paradebeispiel war, ist auch sie diesem Wandel nicht entgangen. "In den letzten drei bis vier Jahren hat Stan allgemein einen großen Schritt nach vorn gemacht, und sowohl seine Rückhand als auch sein restliches Spiel haben davon profitiert", stellt Yannick Fattebert fest. "Körperlich ist er noch fitter, weshalb er sich ein bisschen besser zum Ball positionieren und diesen Schlag so noch besser nutzen kann."
Heute wird die Rückhand von Stan Wawrinka nahezu einstimmig als die Referenz im Tennissport angesehen. Denkt man nunmehr an die einhändige Rückhand, so denkt man an Wawrinka. "Stans Rückhand hebt sich von jeder anderen einhändigen Rückhand ab. Sie ist in erster Linie seine große Stärke, was weder bei Federer noch bei Dimitrov oder Thiem der Fall ist", merkt Patrick Mouratoglou an. Der einzige andere Spitzenspieler, der diesen Schlag ähnlich gut beherrscht, ist ohne Zweifel Richard Gasquet.
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Terminator

Fotocredit: Eurosport

Doch wenn der Profi Gasquet mehr Variationen und eine höhere Effizienz bietet, verleiht die phänomenale Power Wawrinka alle Möglichkeiten zur freien Entfaltung. Die Rückhand Wawrinkas ist schon beinahe ein Klangerlebnis. Der Klang beim Aufprall des Balls lässt seine Kraft vermuten. Er hat den Kämpfergeist wie ein Terminator, Gasquet hingegen entpuppt sich als Mozart des Tennis. Welcher Stil einem mehr zusagt, ist Geschmackssache. Doch im heutigen Tennis zahlt sich pure Kraft wohl mehr aus als musische Klänge.
"Es ist die kraftvollste einhändige Rückhand der Tour", bestätigt Mouratoglou. "Er vereint Spin mit Ballgeschwindigkeit. Diese Kombination ist Teil seines Ausnahmetalents. Das Beeindruckende bei Stan ist, dass er in der Lage ist, seine Rückhand im Ausschwung bei richtigem Abstand der Beine zu schlagen, was eine perfekte Körperspannung erfordert. Er ist in jeder Situation brandgefährlich und zeigt sich bei diesem Schlag niemals zögerlich."
In allen Situationen, einschließlich außergewöhnlichen, wie beim Rückhand-Longline im Finale der French Open gegen Novak Djokovic im Jahr 2015, der am Netz vorbei und damit in die Tennisgeschichte einging.

Thiem und Dimitrov – die Nachfolger

Yannick Fattebert ist Kritiker und Anhänger von Wawrinka zugleich, dennoch spiegelt sich die Bewunderung für das Potenzial seines Schützlings an seinem Gesichtsausdruck wider:
"Bei einem eher langen Ball ist ein Spieler mit einer beidhändigen Rückhand oder einer durchschnittlichen einhändigen Rückhand in der Lage, Geschwindigkeit auf den Ball zu bringen, jedoch nur in einem gewissen Maß. Stan hingegen ist imstande, aus seiner Rückhand einen Siegerschlag zu machen, als wäre sie eine Vorhand. Diese Fähigkeit, Speed auf lange Bälle zu bringen, besitzen nur sehr wenige Spieler, ganz gleich, welche Art von Rückhand sie spielen. Ich würde sogar sagen, er ist der einzige."
Ziemlich nah an der Perfektion hinsichtlich Technik, Kraft und Kontrolle ist die einhändige Rückhand von Stan Wawrinka so zum Paradeschlag seiner Zeit geworden. Laut John McEnroe ist sie sogar "die beste aller Zeiten". Natürlich handelt es sich dabei um eine subjektive Behauptung, zumal Tennislegenden der Vergangenheit, angeführt von "Mister Backhand" Ken Rosewall, diesem Schlag ihre Noblesse verliehen haben, noch bevor "Stan the man" das Licht der Welt erblickte. Dennoch wird ihn seine Rückhand überdauern. Ob auch dieser außergewöhnliche Schlag selbst überleben wird, bleibt fraglich. Auf höchstem Niveau in der Tenniswelt fristet er nicht nur ein Schattendasein, viel schlimmer noch: Er wird vor allem von Spielern angewandt, welche die Dreißig bereits erreicht haben. Darunter Wawrinka, Federer, Gasquet, Cuevas oder Lopez.
In der Nachwuchsgeneration ist die Anwendung der einhändigen Rückhand auf ein Minimum gesunken. Dominic Thiem und Grigor Dimitrov sind rühmliche Ausnahmen. Es ist nunmehr ihre Aufgabe, die Fahne für diese vom Aussterben bedrohte Technik in die Zukunft hochzuhalten.
Die einhändige Rückhand hat Seltenheitswert, doch sie wird von Spielern fortgeführt, die die Qualität haben, ihre Zukunft zu sichern. Patrick Mouratoglou ist jedenfalls fest davon überzeugt: "Tennis ist ein derartiger Trendsport, dass ich das Comeback der einhändigen Rückhand nicht anzweifle. Sie wird stets weniger verbreitet sein als die beidhändige Rückhand, die bei jungen Spielern weit verbreitet ist, da sie einen geringeren körperlichen Kraftaufwand erfordert.
Dennoch hat sie das Potenzial, sich bei 25 Prozent der Top 100 zu etablieren, wenn Thiem und Dimitrov bis in die oberste Liga vordringen." Bei Stan Wawrinka war es mehr als nur ein Schlag in seinem Repertoire. Für den Eidgenossen bedeutete die einhändige Rückhand den Durchbruch. Nun ist er das Vorbild schlechthin für den Schlag der Schläge im Tennissport.
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