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Wolfgang Pichler fordert Konsequenzen im Exklusiv-Interview: "Dann hört das mit der Doperei auf..."

Andreas Morbach

Update 08/02/2017 um 11:16 GMT+1 Uhr

Wolfgang Pichler gilt als einer der besten Biathlontrainer, aber auch als einer der schärfsten Dopingkritiker. Vor und während der Olympischen Spiele in Sotschi betreute der Ruhpoldinger für Russlands Skijägerinnen, bei der WM in Hochfilzen arbeitet er nun einmal mehr als Coach der Schweden. Im Interview spricht der 62-Jährige über das Dopingproblem im Biathlon - und stellt klare Forderungen.

Biathlon: Schwedens Nationaltrainer Wolfgang Pichler

Fotocredit: Imago

Das Interview führte Andreas Morbach
Kurz nach Veröffentlichung des zweiten McLaren-Reports im Dezember kamen Gerüchte um massives Doping im russischen Biathlon auf. In 22 der ursprünglich 31 Verdachtsfälle wurden die Untersuchungen mangels Beweisen inzwischen eingestellt. Gleichzeitig berief die Internationale Biathlon-Union auf Druck der Sportler hin einen Außerordentlichen Kongress am Tag vor WM-Beginn ein. Welche Ergebnisse erwarten Sie dort?
Wolfgang Pichler: Ich hoffe, dass jetzt die Weichen für ein neues Antidoping-Programm gestellt werden. Dass es künftig härtere Strafen für gedopte Sportler gibt - je nach Vergehen auch mit unterschiedlichem Strafmaß. Klar ist: Die Sperren von zwei Jahren, die bislang verhängt werden, bringen überhaupt nichts. Wer zum Beispiel mit EPO dopt, sollte lebenslang gesperrt werden.
Diese Forderung ist nicht neu. Die frühere deutsche Biathletin Uschi Disl forderte schon nach dem Dopingfall Olga Pylewa eine lebenslange Sperre für die Russin. Das war bei den Winterspielen 2006…
Pichler: So wie es bislang gehandhabt wurde, macht es keinen Sinn. Man muss härter durchgreifen. Ich hoffe, dass das beim IBU-Kongress jetzt so beschlossen wird. Und da bin ich auch guten Mutes.
Trauen Sie der IBU das denn zu? Zu dem Sonderkongress in Fieberbrunn musste der Weltverband schließlich erst gedrängt werden.
Pichler: Im Weltcup waren wir ja schon kurz vor einem Boykott der Sportler. Der Druck ist groß genug, dass etwas unternommen wird. Ich denke, dass die IBU jetzt gezwungen wird. Ein Problem ist natürlich, dass - nach meiner Erfahrung - einige Nationen total desinteressiert an dem Thema sind. Die kapieren nicht, wie so eine Haltung dem Sport schadet, auch finanziell. Schaut man sich die Struktur im Biathlon an - alle Sponsoren kommen aus Deutschland, das deutsche Fernsehen ist bei allen Übertragungen maßgeblich beteiligt -, dann muss das für alle ein Warnschuss sein. Jedenfalls habe ich wirklich die große Hoffnung, dass jetzt richtig durchgegriffen wird. Mit einem entsprechenden Reglement - bei dem sich jeder gut überlegt, ob er noch mal dopt.
Hoffen ist das eine. Glauben Sie denn auch daran, dass sich Entscheidendes bewegt?
Pichler: Man weiß nie, was bei so einem Kongress passiert, wenn dann wirklich abgestimmt wird. Eigentlich müsste das öffentlich geschehen - so dass sich jeder bekennen muss. Wenn man es wirklich will, könnte man das schon durchsetzen.
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Pichler als Coach der russischen Biathleten

Fotocredit: Eurosport

Wie ist die Haltung der Schweden, für die Sie jetzt wieder arbeiten?
Pichler: Rigoros. Ich bin zwar nicht der schwedische Verbandspräsident - aber die wollen schon knallharte Regeln.
Wie gefällt Ihnen die konsequente Haltung der Athleten gegenüber der IBU?
Pichler: In dem McLaren-Report ist nicht alles so klar, das ist ein Problem. Jetzt geht es um grundsätzliche Maßnahmen gegen Doping. Dadurch, dass man das immer in die Länge gezogen hat, wurde nie richtig durchgegriffen. Das gilt ja im Sport weltweit. Deshalb muss man Respekt vor den Sportlern haben, dass sich ein Großteil von ihnen jetzt mal richtig engagiert hat und auch dahinter steht. Sie haben den Verband praktisch gezwungen, schnell zu handeln.
Müssten sich da nicht alle anderen Verbände - ob Sommer- oder Wintersport - anschließen?
Pichler: Wenn man sieht, wie schwer man sich vor den Olympischen Spielen in Rio getan hat… das IOC handelt da nicht konsequent. Da spielt so viel Politik mit hinein - das ist schwer. Ich glaube, es helfen nur konsequente Strafen, die auch richtig wehtun. Finanzielle Strafen kannst du dabei vergessen. Es geht darum, dass man bestimmte Nationen einfach nicht mehr starten lässt.
Dass man den Ländern mit gedopten Sportlern also Startplätze im Weltcup streicht?
Pichler: Ja, Quotenplätze - oder gar nicht mehr mitmachen lassen. Man könnte zum Beispiel sagen: Ein Dopingfall - ein Quotenplatz weg. Zwei oder drei Dopingfälle - ein Jahr lang Startverbot für die komplette Nation. Dann hört das mit der Doperei schon auf.
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Magdalena Forsberg, einst Schützling von Pichler und Weltcup-Rekordsiegerin

Fotocredit: Imago

Von den 31 Verdächtigungen gegen russische Biathleten, die im zweiten McLaren-Report erwähnt werden…
Pichler: …in dem Report ist ja nicht von positiven Dopingfällen die Rede, sondern von manipulierten Proben. Die Sportler zu sperren ist eine Sache. Die können ja nichts dafür, sie haben den Test sauber abgegeben. Aber wer hat den Test manipuliert? Das ist die Frage. Und da muss man jetzt halt durchgreifen. In Russland hat das nicht der Biathlonverband gemacht - da hat wahrscheinlich der russische Staat mitgemischt. Aber ich will das Doping auch nicht allein auf Russland beziehen. Man muss schon mal auf das große Ganze schauen.
Halten Sie den starken Fokus auf Russland für unfair?
Pichler: Na ja, falsch ist das alles nicht. Wenn stimmt, was im McLaren-Report steht, dass alle Proben manipuliert wurden, gehören drastische Strafen verhängt. Dann gehört der ganze Staat gesperrt. Klar ist auch, dass es dabei Unschuldige treffen würde.
Wie stark ist denn der Einfluss des russischen Verbandes innerhalb der IBU?
Pichler: Die Russen haben eine Stimme, wie alle anderen.
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Die WADA hat das Moskauer Anti-Doping-Labor gesperrt

Fotocredit: SID

Und ihr Einfluss auf andere Nationen?
Pichler: Klar ist, dass die früheren sowjetischen Staaten etwas anders denken. Aber prinzipiell glaube ich, dass der russische Einfluss nicht so groß ist. Wenn die IBU will, kann sie auf dem Kongress alles machen. Wenn man mit den Russen mal Klartext redet, könnte man eine gerechte Lösung finden. Die auch jeder kapiert.
Für wie sauber halten Sie den Biathlonsport aktuell?
Pichler: Die Hochzeit im Biathlon-Doping war bis 2009. Damals waren einige Russen gedopt, und da hätte man schon härter durchgreifen müssen. Ab 2010 war die Szene - abgesehen von ein paar schwarzen Schafen - relativ clean. Das ist ja das Schlimme: Eigentlich hat sich alles zum Guten hin entwickelt. Um 1999 herum bist du wirklich beschissen worden - wobei die Sache mit Sotschi 2014 eine Katastrophe ist. Ich bin überzeugt, dass damals nicht viele gedopt waren. Aber die Russen hatten eine solche Angst, dass sie irgendeinen Scheiß gemacht haben. Deshalb sehe ich nur eine Lösung: Dass sie für ein Jahr, für die Winterspiele 2018, suspendiert werden. So ein Denkzettel - das wäre der einzig richtige Weg. Und dann geht’s weiter.
So weit war die Sportwelt vor den Spielen in Rio auch schon. Und dann hat das IOC die Entscheidung über Sperren bei Olympia an die Fachverbände weitergereicht.
Pichler: Und genau das ist der Saustall des IOC. Solche Entscheidungen müssen nicht die Verbände treffen. Da ist das IOC in der Verantwortung.
Nun ist aber erst mal die IBU am Zug. Halten Sie es für möglich, dass bei deren Sonderkongress in Fieberbrunn einfach gar nichts beschlossen wird?
Pichler: Nein. Das halte ich nicht für möglich.
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Biathlon im Zwielicht

Fotocredit: SID

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