Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Hans-Joachim Stuck nach Chaos-Rennen in Melbourne im Interview: "Der Formel 1 nicht würdig"

Pascal Steinmann

Update 05/04/2023 um 11:19 GMT+2 Uhr

Das Formel-1-Rennen in Melbourne sorgte mit drei Roten Flaggen für Schlagzeilen, es hagelte Kritik an der Rennleitung. Hans-Joachim Stuck äußert im exklusiven Interview mit Eurosport.de Unverständnis über die Entscheidung, den Grand Prix hinter dem Safety Car zu beenden: "Wer will so etwas sehen, was soll denn der Quatsch?" Lob findet der 72-Jährige dagegen für Nico Hülkenberg und Max Verstappen.

Hans-Joachim Stuck kritisiert die Entscheidungen beim Grand Prix in Melbourne

Fotocredit: Imago

Das Formel-1-Rennen in Melbourne sorgte für eine Menge Zünd- und Gesprächsstoff. Drei Rote Flaggen und zahlreiche kontroverse Entscheidungen der Rennleitung sorgten nicht nur für Kritik unter den Fahrern, einige Medien bezeichneten den Großen Preis von Australien gar als "Chaos"-Veranstaltung.
Motorsport-Legende Hans-Joachim Stuck findet im exklusiven Interview mit Eurosport.de deutliche Worte. "Das ist der Formel 1 nicht würdig", kritisiert der Garmisch-Partenkirchener deutlich und bezeichnet die Schlussrunde als einen "Witz", nimmt die Rennleitung um den Deutschen Niels Wittich aber auch in Schutz.
Zudem lobt der 72-Jährige, der zwischen 1974 und 1979 unter anderem für Brabham zu 74 Einsätzen in der Königsklasse des Motorsports kam, den "Beißer" Nico Hülkenberg (Haas) und adelt Weltmeister Max Verstappen (Red Bull), der im Albert Park seinen zweiten Saisonsieg einfuhr.
Das Interview führte Pascal Steinmann.
Herr Stuck, der Große Preis von Australien wurde im Nachgang als "Chaos-Rennen" betitelt. Mit welchen Gedanken blicken Sie auf die Ereignisse in Melbourne zurück?
Hans-Joachim Stuck: Am meisten ist mir diese unnötige und unorganisierte Aktion hängen geblieben, das Rennen nach der dritten Roten Flagge noch einmal aufzunehmen. Wie kann man auf die Idee kommen, die Autos mit nur einer verbleibenden Runde hinter dem Safety Car ins Ziel rollen zu lassen? Wer will so etwas sehen, was soll denn der Quatsch? Das ist der Formel 1 nicht würdig.
picture

Max Verstappen fuhr die letzte Runde hinter dem Safety Car

Fotocredit: Getty Images

Das sind deutliche Worte.
Stuck: Man muss vermeiden, so einen Zirkus zu machen. Da sitzen Zuschauer an der Strecke und vor dem Fernseher. Das versteht kein Mensch, es ist ein Witz. Dass ein Rennen mal länger dauern kann, ist doch kein Problem. Aber den Grand Prix künstlich verlängern zu müssen, ist nicht notwendig, das ist Zeitschinderei. Sollte das Teil der Regeln sein, müssen diese Regularien dringend geändert werden.
Was wäre in Ihren Augen stattdessen die richtige Entscheidung gewesen?
Stuck: Man hätte das Rennen nach der dritten Roten Flagge einfach beenden müssen und nicht mehr zurück auf die Strecke gehen dürfen. Es konnte sich doch ohnehin nichts mehr ändern, das Ergebnis war bereits besiegelt.
picture

Aston Martin bläst zum Angriff: AMR23 begeistert Alonso und Stroll

Viele Fahrer und Experten haben auch kritisiert, dass der Grand Prix nach dem Unfall von Kevin Magnussen nur aus Gründen der Spannung unterbrochen wurde. Eine Rote Flagge sei nicht von Nöten gewesen.
Stuck: Soweit ich das mit den TV-Bildern bewerten kann, hätte ein Safety Car oder ein Virtual Safety Car ausgereicht. Ich habe aber als Steward in der Formel E gearbeitet und weiß, wie schwierig es für einen Rennleiter ist, schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen.
In Melbourne hatte der Deutsche Niels Wittich die Zügel in der Hand.
Stuck: Wittich ist wirklich ein Guter, ich könnte mir in der Position keinen Besseren vorstellen. Man muss ihn auch verstehen: Die Sicherheit der Fahrer steht im Vordergrund – gerade, wenn man nicht genau weiß, was dort auf der Strecke liegt.
picture

Carlos Sainz war schockiert über die Strafe beim GP von Australien

Fotocredit: Getty Images

Diskutiert wurde auch über die Zeitstrafe gegen Carlos Sainz, der für den Crash mit Fernando Alonso sanktioniert wurde, obwohl der Re-Start eigentlich annulliert wurde. Er selbst bezeichnete die Entscheidung als eine "Schande". Wie haben Sie das wahrgenommen?
Stuck: Das finde ich auch sehr komisch. Für Carlos ist das ein Riesenpech. In diesem ganzen Tohuwabohu ist das enorm blöd gelaufen. Man muss die Verantwortlichen aber auch in Schutz nehmen. Das sind Menschen. Man muss auch einmal die positiven Dinge herausheben.
Was meinen Sie konkret?
Stuck: Ich finde es beispielsweise super, dass sie an den Startboxen nun eine optische Mittellinie angebracht haben, damit der Fahrer die Position besser einschätzen kann.
Fernando Alonso und Esteban Ocon hatten in Saudi-Arabien und in Bahrain eine Strafe kassiert, weil sie nicht korrekt in ihren Startboxen standen. Von den Fahrern hörte man kritische Stimmen.
Hülkenberg ist für Haas ein Sechser im Lotto.
Stuck: Die Formel 1 muss aufpassen, dass sie sich mit solchen Aktionen nicht lächerlich macht. Das muss man so deutlich sagen. Aber es ist großartig, dass die FIA dann aufgrund dieser Geschichten eine Neuerung eingebracht hat. Das ist ein starker Schritt.
Apropos starker Schritt: Nico Hülkenberg fuhr nach einer fehlerfreien Vorstellung in Australien auf Rang sieben und damit erstmals im Haas in die Punkte. Inwieweit überrascht sie seine Performance?
Stuck: Er fährt genau, wie ich es erwartet und erhofft hatte. Ich weiß, was er kann. Nico ist ein Beißer, der nichts verlernt hat und in die Formel 1 gehört. Seine Leistung überrascht mich nicht, er macht das sensationell. Hülkenberg ist für Haas ein Sechser im Lotto.
In der Fahrerwertung liegt der Emmericher damit nun auch vor seinem Teamkollegen Kevin Magnussen und war in allen drei Qualifying-Duellen schneller als der Däne. Magnussen hat die turbulente Schlussphase mit einem merkwürdigen Crash ausgelöst. Man könnte unken, Haas hat mit Mick Schumacher den falschen Piloten ausgetauscht.
Stuck: Das kann man so nicht sagen. Sie wissen, dass ich große Stücke auf Mick halte. Aber ob er auch die Leistungen wie Hülkenberg bringen würde, weiß ich nicht.
picture

Nico Hülkenberg versprühte schon auf der Fahrerparade vor dem Rennen in Melbourne gute Laune

Fotocredit: Getty Images

Was macht den 35-Jährigen besonders?
Stuck: Hülkenberg bringt dieses Team mit seiner Erfahrung nach vorne. Die hat Mick noch nicht. Nico ist für das Team in allen Bereichen ein Zugewinn. Einerseits, weil er die Erfahrung hat, wie ein Auto funktionieren muss und es somit fortentwickelt. Zudem hat er eine Rennerfahrung, die Schumacher auch erst einmal sammeln muss.
Die Kombination aus Verstappen und Red Bull ist momentan unschlagbar.
Was in dem Chaos nach dem Rennen beinahe unterging, war der zweite Saisonsieg von Weltmeister Max Verstappen, der seine Führung in der Gesamtwertung souverän ausbaute. Ist der dritte WM-Titel in Serie nur Formsache?
Stuck: Nein, das noch nicht. Man kann auch immer mal ausfallen, das geht ganz schnell. Rein fahrerisch ist er jedoch zweifelsohne an der Spitze im Feld, er hat aktuell das Quäntchen mehr als alle anderen. Natürlich ist er aber nicht nur der beste Fahrer, sondern hat mit dem Red Bull auch den besten Boliden – das muss man auch festhalten. Die Kombination ist momentan unschlagbar.
picture

Max Verstappen jubelt nach dem Sieg beim GP in Melbourne

Fotocredit: Getty Images

In der Konstrukteurswertung hat das Team um Christian Horner schon beinahe doppelt so viele Punkte wie der erste Verfolger Aston Martin.
Stuck: Red Bull macht einen verdammt guten Job. Die stellen ihm wirklich ein hervorragendes Auto hin. Und Verstappen kann das perfekt umsetzen, macht keine Fehler. Das ist sensationell, Hut ab.

Der WM-Stand nach drei Rennen

PlatzFahrerPunkte
1.Max Verstappen69
2.Sergio Pérez54
3.Fernando Alonso45
4.Lewis Hamilton38
5.Carlos Sainz20
Bei Charles Leclerc läuft es 2023 dagegen alles andere als rund. Am Sonntag landete er nach einer Kollision mit Lance Stroll in der ersten Runde im Kiesbett – bereits sein zweiter Ausfall im dritten Rennen. Was läuft beim Monegassen momentan schief?
Stuck: Das ist eine Phase. Mal läuft es, mal läuft es weniger. Das hat auch oft mit Glück zu tun. Leclerc kommt schon wieder. Wir wissen alle, dass er fahren kann. Um ihn würde ich mir keine Sorgen machen. Es kann nur nach oben gehen.
Aufwärts ging es im Albert Park für Lewis Hamilton und George Russell, die Verstappen zumindest zeitweise in Bedrängnis bringen konnten. Wie schätzen Sie den Sprung der Mercedes Down Under ein?
Stuck: Sie haben einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht. Hoffen wir mal, dass sie sich weiterhin entwickeln, damit die nächsten Rennen etwas spannender werden. Da bin ich aber hoffnungsvoll.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Stuck.
picture

"Brutales Rennen": Hamilton und Russell stellen Melbourne-Kurs vor

Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung