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FC Bayern München: Die Gefahr des eigenen Anspruchs unter Carlo Ancelotti

Johannes Mittermeier

Update 02/02/2017 um 08:10 GMT+1 Uhr

Der FC Bayern München startet mit zwei knappen Erfolgen beim SC Freiburg und Werder Bremen ins Jahr 2017. Souverän war's nicht, allzu elanvoll auch nicht, aber am Ende standen halt drei Punkte. Früher dachte der Rekordmeister gar nicht daran, sich für Arbeitssiege zu entschuldigen, heute erwartet er mehr von sich. Vielleicht sollten sich die Profis an der Coolness von Carlo Ancelotti orientieren.

Carlo Ancelotti (FC Bayern München)

Fotocredit: AFP

Hach ja, was waren das für Zeiten, als der FC Bayern München vom 1:2 gegen Frankfurt zum 0:1 gegen Unterhaching überging, zwischendurch ein 2:3 in Rostock und ein 0:3 bei Lyon einstreute, vom Präsidenten Beckenbauer eine berufliche Veränderung empfohlen bekam, hintenraus ein paar Last-Second-Siege landete und sich ganz und gar nicht dafür schämte, mit neun Saisonniederlagen die Meisterschaft zu gewinnen. Und danach die Champions League.
Wer zu spät geboren wurde, hat viel verpasst unter Ottmar Hitzfeld.
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Ottmar Hitzfeld gewann mit dem FC Bayern 2001 die Champions League

Fotocredit: Imago

Irgendwann folgte auf den Trainer-Pragmatiker Hitzfeld der Trainer-Pragmatiker Felix Magath, der nicht daran dachte, sich für ein ergaunertes 2:1 bei Arminia Bielefeld zu entschuldigen - wissend um den kreativen Notstand im Mittelfeld und der Tatsache, dass beide Tore nach der 82. Minute fielen.
So waren halt die Gesetzmäßigkeiten beim FC Bayern, lange her, wie aus einer alten Fußball-Epoche. Also vom Anfang des Jahrtausends.

FC Bayern 2017: Andere Ansprüche

Heute formuliert Philipp Lahm im Anschluss ans 2:1 bei Werder Bremen - das laut offiziellen Regularien als Sieg gewertet wird - Sätze wie diese:
Wir sagen nicht, dass alles in bester Ordnung ist. Ich habe noch keinen gesehen, der findet: Alles ist super.
Zwischen Hitzfeld/Magath und Lahm liegt nun die Erklärung jener Extrempunkte; eine Phase, in der nicht alles super war, dafür super-super… Und unmittelbar davor lief's ja auch nicht komplett verkehrt.

Der FC Bayern erwartet inzwischen mehr von sich

Zurück nach Bremen, wo Lahm "viel Luft nach oben" ausmachte. Der Kapitän sah dabei nicht diplomatisch-unverbindlich aus, sondern recht grantig. Manuel Neuer sah derweil aus wie Manuel Neuer, als er festhielt, "dass wir nicht gut spielen". Und Thomas Müller war wichtig, Folgendes zu betonen:
Wir haben nicht das abgeliefert, was wir wollen. Deshalb ist es eher ernüchternd. Es fühlt sich auf dem Platz nicht brillant an.
Und, ja gut, es sah neben dem Platz ebenfalls nicht brillant aus, mit wenig Esprit und Souveränität, aber das störte früher doch auch keinen. Der Unterschied ist im Anspruch begründet. In München erwarten sie inzwischen mehr von sich als ein rotziges 2:1 in Bielefeld (oder Bremen), die Messlatte ist anspruchsvoll justiert nach all den berauschenden Jahren, in denen endlich jene Kombination ermöglicht wurde, die Präsident Beckenbauer in seiner Amtsperiode nie erleben durfte: Ergebnis- UND Erlebnisfußball.

Pep Guardiola hallt nach, speziell im Spielerkreis

Die Gefahr: Es ist spektakulär schwer geworden, diese Ambition zu erfüllen. Speziell auf Sicht. So besitzen alle Carlo-Ancelotti-Siege den unsichtbaren Makel, dass sie nie so perfekt sind wie bei seinem Vorgänger Pep Guardiola und dessen Vorgänger Jupp Heynckes.
"Diese Bayern-Mannschaft war erkennbar irritiert von sich selbst", textete die "Süddeutsche Zeitung" zum Auftritt in Bremen. Da hallt Guardiolas Schaffen nach, als würden die Spieler stutzen, warum plötzlich so wenig übrig ist von der Dauerdominanz zwischen 2013 und 2016 - und vom kontrollierten Spieltrieb mit Heynckes von 2011 bis 2013, kulminiert im Triple.
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Jupp Heynckes und Pep Guardiola verstehen sich gut

Fotocredit: Imago

Anfang 2017 ist der Abonnementschampion auf Einzelaktionen angewiesen. Das 2:1 beim SC Freiburg (idealtypisch für Bayern, nebenbei bemerkt) sicherte Robert Lewandowski in der Nachspielzeit (idealtypisch für Bayern, nebenbei bemerkt). In Bremen brauchten sie lichte Momente des jetzt wieder verletzten Franck Ribéry, Arjen Robben und David Alaba.
Der Einzelne funktioniert ordentlich, das Kollektiv nicht. Steigerungspotential ist im Überfluss vorhanden, wenn man weiß, was diese Edelbesetzung leisten können müsste. Aber dann gewinnt Bayern eben trotzdem knapp in Darmstadt, Freiburg, Bremen, während Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen oder Schalke 04 mäßige Auftritte oft mit mäßigen Resultaten verzieren.

Carlos Coolness erwünscht

Ancelotti hat zugegeben, dass die Seinen bei Werder "ängstlich" gewesen seien und ihre "Spielidee" verloren hätten, er hat sogar von "Sorgen" gesprochen. Ein sorgenvolles Gesicht zog er indes nicht.
Das 3:0-Statement gegen Titelkonkurrent RB Leipzig, kurz vor Weihnachten, wertet der Coach als Hinweis, wozu dieses Team schon noch imstande ist. Im "kicker" sagt er:
Wir können es besser. Ich meine damit nicht die Ergebnisse, die sind gut. Unser Spiel an sich können wir verbessern - und das werden wir, davon bin ich überzeugt.
Vielleicht wäre es ratsam, wenn sich die Profis an der Entspannung ihres Vorgesetzten orientieren, ohne die Anspannung einzubüßen, wenn's wirklich wichtig wird. Ein bisschen runter vom Gas, um später umso stärker draufzudrücken. Ancelotti hat dieses Dogma in seiner Vita verpflanzt, aus Überzeugung.
Er ist ja Pragmatiker.
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