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RB Leipzig: 5 Gründe, warum es unter Ralf Rangnick nicht läuft

Dirk Adam

Update 26/09/2018 um 16:39 GMT+2 Uhr

Stotterstart, Wutrede und Ratlosigkeit: Bei RB Leipzig hängt der Haussegen schief. Das Team von Trainer Ralf Rangnick kommt nicht in Fahrt. In der Bundesliga steht nach vier Spielen gerade einmal ein Sieg zu Buche. In der Europa League gab's sogar eine Niederlage gegen Salzburg. Die einstige Souveränität und Leichtigkeit der millionenschweren Sachsen ist dahin. Eurosport.de nennt die Gründe.

Ralf Rangnick (RB Leipzig)

Fotocredit: Getty Images

Gute Miene zum bösen Spiel? RB-Leipzig-Coach Ralf Rangnick setzte nach dem 1:1 gegen Eintracht Frankfurt am vergangenen Wochenende ein breites Lächeln auf.
Nach schwacher erster und einer besseren zweiten Hälfte erklärte der 60-Jährige:
Damit bin ich wirklich sehr zufrieden. Wenn wir so in Zukunft agieren, bin ich zuversichtlich, dass wir in den kommenden Spielen wieder erfolgreich sein werden.
Zwar kämpfte sich seine Mannschaft nach Rückstand wieder heran und rettet wenigstens einen Punkt. Aber RB Leipzig hätte in Frankfurt auch 0:2 verlieren können. Die Bilanz nach vier Spieltagen: 1 Sieg, 2 Unentschieden, 1 Niederlage (6:8 Tore). Macht Platz zehn im Niemandsland der Tabelle. Viel zu wenig für die hohen Ansprüche der ambitionierten Sachsen.
Zwar kann man nicht von einem Fehlstart sprechen, aber ein Stotterstart ist es allemal. Hinzu kommt, dass sich RB Leipzig beim Europa-League-Hinspiel im eigenen Stadion gegen RB Salzburg blamierte (2:3).
Warum läuft es nicht bei den Sachsen? Wir machen den Check.

1. Abgang von Keita

Der wohl wichtigste Punkt ist der Wechsel von Naby Keita zum FC Liverpool, der im Sommer für 60 Millionen Euro zum Team von Trainer Jürgen Klopp ging. Seine Qualität im Mittelfeld ist unersetzlich.
Selbst wenn RB Leipzig versucht hätte, einen adäquaten Ersatz zu finden, es gab einfach keinen. Geld haben die millionenschweren Leipziger genug, aber einen Spieler vom Kaliber eines Keita zu finden, war nicht machbar.
Sein Wechsel zu den "Reds" hat ein großes Loch ins Mittelfeld der Sachsen gerissen. Im 4-4-2-System von Ralph Hasenhüttl agierte Keita auf der halbrechten Seite, ging pfeilschnell mit nach vorne, verteilte die Bälle und schoss Tore.
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Naby Keita f

Fotocredit: SID

Nach vier Spieltagen hatte Keita in der vergangenen Saison bereits einen Treffer erzielt und eine Torvorlage gegeben. Am Ende der Saison waren es in 27 Spielen sechs Tore und fünf Assists. Eine starke Quote.
Sein Nachfolger Kevin Kampl tut sich schwer, nachdem ihn Rangnick im Mittelfeld etwas nach hinten beorderte. In dieser Saison spielte er zwei Mal auf der Keita-Position. Außerdem testete Rangnick auch Stefan Ilsanker und Diego Demme. Im 4-3-3-System gegen Salzburg setzte Rangnick in der Europa League auf Marcel Sabitzer, was letztendlich unterstreicht, dass der RB-Trainer keine Ideallösung gefunden hat, um die Keita-Position zu besetzen.

2. Schwächelnder Angriff

Nationalspieler Timo Werner läuft seiner Topform hinterher. Zwar erzielte er beim Spiel gegen Hannover einen Doppelpack, aber wer dachte, dass damit der Knoten platzt, sah sich getäuscht.
Der Stürmer wirkt zwar gewillt, aber seine Abschlussschwäche ist unverkennbar. Gegen Eintracht Frankfurt schoss er vier Mal auf den Kasten des Gegners - jedoch ohne die nötige Präzision und einen Torerfolg.
Noch eklatanter als seine Abschlussschwäche waren seine Zweikampfwerte. Werner konnte sich in der Sturmspitze nicht durchsetzen, er gewann nur 28,57 Prozent seiner Duelle. Ein extrem schwacher Wert.
Somit musste Emil Forsberg einspringen, der gegen die Eintracht das 1:1 erzielte. Nicht aus dem Spiel heraus, sondern vom Elfmeterpunkt nach einem Handspiel des Gegners.
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Timo Werner (RB Leipzig)

Fotocredit: SID

Die weiteren drei Treffer in dieser Saison schossen Jean-Kevin Augustin (2) und Yussuf Poulsen (1). Zum gleichen Zeitpunkt erzielte Leipzig 2017/18 nach vier Bundesliga-Spieltagen zwei Tore mehr.
Beim kommenden Spiel gegen den VfB Stuttgart muss Leipzig an die ambitionierte Leistung wie gegen Hannover anknüpfen - der einzige echte Lichtblick in dieser Saison, als Werner und Forsberg wie in alten Zeiten als kongeniales Duo agierten.
Forsberg bereitete gewitzt vor, sein Sturmkollege schloss ab. Werner dazu:
Natürlich ist es für einen Stürmer immer schön, wenn man trifft. Ich freue mich, dass ich derjenige sein darf, der am Ende der Kette steht und seine Bälle verwerten darf.
Im Moment läuft es aber wieder schleppend, doch Forsberg hat die Liga in Top-Form schon einmal auseinandergenommen. "Das kann er auch wieder machen", so Werner weiter.
Leider ist die Glanzphase dieses Duos bereits eine Weile her. In der Bundesliga-Debütsaison 2016/2017 hatte Werner damals 21 Tore geschossen - und Forsberg 22 Assists gegeben.

3. Löchrige Abwehr

Neben dem schwächelnden Angriff ist die Abwehr ebenfalls ein Problem (8 Gegentreffer). In allen vier Spielen kassierte Leipzig immer mindestens ein Gegentor. Eine sattelfeste Abwehr sieht anders aus.
Bereits zum Auftakt schenkte Borussia Dortmund den Sachsen vier Stück ein. Trotz einer 1:0-Führung in Dortmund musste sich RB Leipzig mit 1:4 geschlagen geben. Wendepunkt war das Kopfball-Eigentor von Marcel Sabitzer (40.).
Trotz starkem Beginn fehlte Leipzig in der zweiten Halbzeit die nötige Wucht, in der Abwehr ging die Abstimmung zwischen Dayot Upamecano, Ibrahima Konaté, Marcelo Saracchi und Lukas Klostermann zusehends verloren.
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Willi Orban (RB Leipzig)

Fotocredit: Getty Images

Es folgten das 1:1 gegen Düsseldorf, das 3:2 gegen Hannover und das 1:1 gegen Frankfurt. Das letzte Mal zu Null spielten die Sachsen in der Bundesliga am 29. April 2018 gegen Mainz (3:0).
In den vergangenen beiden Spielen versuchte Rangnick mit Willi Orban jeweils einen seiner beiden Innenverteidiger - Upamecano, Konaté - mit dem rustikalen Abwehrmann zu ersetzen. Mit mäßigem Erfolg.
Aber in der Abwehr muss Rangnick den Hebel ansetzen, denn beim Spiel gegen Frankfurt war es einzig und allein Torhüter Peter Gulacsi zu verdanken, dass RB Leipzig nicht schon in der ersten Halbzeit auf die Verliererstraße geriet.
Mit mehreren Paraden verhinderte Gulacsi einen Doppelschlag der Eintracht. Kurz vor Schluss, als Frankfurt noch einmal alles auf eine Karte setzte, rettete der Ungar mit zwei starken Reflexen das Unentschieden für die Sachsen.

4. Doppelbelastung für Rangnick

Hat sich Ralf Rangnick mit seiner Doppelfunktion als Sportdirektor und als Trainer zu viel zugemutet? Nach der Trennung von Ralph Hasenhüttl hatten viele gehofft, dass Rangnick die Sachsen wieder zu alter Stärke führt.
Aber die fehlenden Verstärkungen im Sommer - erst im Winter sollen zwei neue Spieler kommen - sowie die Doppelbelastung von Rangnick wirken sich negativ aus.
Anstatt sich auf das operative Geschäft zu konzentrieren, muss Rangnick an zwei Fronten kämpfen. Das hat er schon einmal getan. In der Saison 2015/16 war er bereits als Sportdirektor und Cheftrainer tätig.
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Ralf Rangnick

Fotocredit: SID

Aufgrund der aktuellen Ergebnisse wäre es jedoch besser, wenn ein Trainer - und nicht der Sportdirektor an der Seitenlinie stehen würde. Von Hasenhüttl hatte sich der Verein im Mai 2018 getrennt, nachdem er Leipzig zwei Jahre trainierte.
Ein Nachfolger steht aber schon bereit - Julian Nagelsmann wird ab 2019 neuer RB-Coach. Bis zu diesem Zeitpunkt wird sich Rangnick weiter aufreiben müssen. Eine Interimslösung für den Trainerposten wird es nicht geben.

5. Disziplinlosigkeit im Team

Seit Rangnick auf der Trainerbank zurück ist, hat sich einiges geändert. Neben festen Essenszeiten besteht auch ein Handy-Verbot in allen Funktionsräumen. In der Kabine darf nur noch Deutsch und Englisch gesprochen werden.
Befolgt einer der Spieler diese Regeln nicht, hat sich der Coach zur Bestrafung etwas Spezielles ausgedacht. Ein Glücksrad.
Der 60-Jährige sagte gegenüber "Sport Bild":
In der Kabine steht ein Spinning-Wheel. Dort sind Felder mit verschiedenen Strafen aufgeführt. Da sind zum Beispiel Felder aufgeführt wie drei Stunden Arbeit im Fanshop.
Was am Anfang eher witzig wirkte, ist bei RB Leipzig mittlerweile ins Gegenteil umgeschlagen. Die Stimmung ist gekippt. Disziplinlosigkeit und fehlende Einstellung prägen das Bild.
Aufgrund der "Handy-Affäre" warf Rangnick die beiden Franzosen Jean-Kevin Augustin (21) und Nordi Mukiele (20) vor dem Frankfurt-Spiel aus dem Kader. Die "Bild am Sonntag" berichtete zudem von einer Geldstrafe im fünfstelligen Bereich.
Die beiden Profis waren beim Europa-League-Spiel gegen Salzburg zu spät zum Aufwärmen gekommen, nachdem sie beim Umziehen in der Kabine gefehlt und stattdessen auf der Bank im Stadion mit ihren Handys gespielt hatten.
Rangnick reagierte mit einer Wutrede und nahm sogar das Wort "pervers" in den Mund:
Ich habe gesagt, dass es pervers ist, wenn man bedenkt, dass wir durch halb Europa geflogen sind und sechs Spiele schon in der Vorbereitung gespielt haben und dann Spieler die Vorbereitung auf ein Spiel nicht ernst nehmen, dann ist die Gesamtsituation pervers. Das habe ich gesagt.
In der Tat: Respekt vor dem Glücksrad sieht anders aus. Höchste Zeit für Rangnick einzugreifen, dessen Krisenmanagement gefordert ist. Die beiden Franzosen waren bereits im Sommer wegen eines nicht erfüllten Trainingsplans negativ aufgefallen.
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Jean-Kevin Augustin (RB Leipzig)

Fotocredit: Getty Images

Diesen Schlendrian muss der RB-Coach seinen Spielern austreiben, aber auch Fingerspitzengefühl zeigen. Denn mit Augustin besitzt Leipzig einen äußerst talentierten Stürmer. In der Saison 2017/18 schoss er neun Bundesliga-Tore (5 Assists).
Der erste Schritt zurück zur Normalität: Augustin und Mukiele nahmen am Montag wieder am Mannschaftstraining teil.
Rangnick erklärte:
Für uns ist die Sache jetzt abgehakt. Ab jetzt sind die Jungs wieder Teil des Kaders. Ich gehe mal fest davon aus, dass beide Spieler jetzt schon klar verstanden haben, worum es geht.
Das Ziel ist klar: RB muss diese Saison das internationale Geschäft erreichen. Am besten die Champions League. Von einer Vizemeisterschaft wie 2017 mag der ehemalige Bayern-Jäger nicht im Ansatz träumen. Dafür ist das Team nicht stark genug.
Wenn Leipzig in der Bundesliga diese Ziele erreichen und nicht zur grauen Maus verkommen will, muss Rangnick endlich Lösungen finden und die Ratlosigkeit beenden. Damit der Stotterstart ein Ende hat.
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