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Kai Havertz' schwierige Entscheidung: Es gibt zwei mahnende Beispiele

Florian Bogner

Update 07/06/2020 um 10:31 GMT+2 Uhr

FC Bayern München, Ausland - oder doch noch ein Jahr bei Bayer Leverkusen? Kai Havertz steht im Sommer vor einer wegweisenden Entscheidung. Dem 20 Jahre alten Offensivspieler scheinen alle Türen offen zu stehen, doch ein falscher Schritt hat verheißungsvollen Spielern in vergleichbaren Situationen schon einen empfindlichen Karriereknick beschert - Mario Götze und Julian Draxler zum Beispiel.

Wo wird Kai Havertz in der nächsten Saison spielen? Der Bayer-Profi steht vor einer schwierigen Entscheidung

Fotocredit: Imago

Das jüngste Lob kam aus berufenem Munde.
Kein schlechtes Statement - aus der Sicht eines 20-Jährigen.

Kai Havertz - der Mann der Stunde in der Bundesliga

Ganz objektiv gesehen, ist aber auch was dran an Flicks Aussagen. Geht es um die Spieler der Stunde in der Bundesliga, kommt man an Havertz nicht vorbei. Der Nationalspieler von Bayer Leverkusen hat seit Restart der Bundesliga fünf Mal getroffen, mehr als jeder andere.
Hatte Havertz in der Bundesliga-Hinrunde mit zwei Toren und einem Assist eher enttäuscht, steht er in der Rückrunde nun schon bei neun Treffern und vier Torvorlagen.
"Er ist ein Spieler, der zwischen den Linien intelligent agiert, eine gute Geschwindigkeit hat, am Ball sehr sicher ist und ihn auch noch durch die kleinste Lücke kriegt, wie man in Freiburg gesehen hat", präzisierte Bayern-Trainer Flick sein Lob vor dem Aufeinandertreffen am Samstag (15:30 Uhr im Liveticker) und attestierte Havertz einen überraschend starken "Torinstinkt für sein junges Alter".

Havertz schon fast zu groß für Leverkusen

Das blutige Knie, das Havertz nach seinem 1:0-Siegtreffer in Freiburg vom Feld gezwungen hatte, ist mittlerweile verarztet; der 20-Jährige fehlte am Samstag im Top-Spiel für Bayer dennoch aufgrund muskulärer Probleme und droht auch für das DFB-Pokal-Halbfinale gegen den Viertligist 1. FC Saarbrücken (Di., 20:45 Uhr im Liveticker) in Völklingen auszufallen.
Fragt sich ohnehin, wie oft Havertz noch im Bayer-Trikot auflaufen wird. Denn Leverkusen ist mittlerweile schon fast zu klein für ihn geworden.
Glaubt man den Verantwortlichen unterm Bayer-Kreuz, ist das dort auch jedem bewusst. "Dass Kai in absehbarer Zeit bereit ist für einen Wechsel zu einem europäischen Top-Klub, dürfte jedem klar sein. Er wird den nächsten Schritt gehen", sagte Geschäftsführer Rudi Völler vor kurzem.
Er selbst habe zumindest noch die "kleine Hoffnung, dass wir ihn hier noch ein Jährchen behalten können und dürfen", meinte Völler gegenüber "Sky Sport News HD".
An Interessenten mangelt es weiß Gott nicht. "Wir wissen, dass alle Großen aus Deutschland und Europa hinter ihm her sind und dass er überall spielen kann", verriet Sportdirektor Simon Rolfes zudem unlängst der spanischen "Marca". Für Bayer geht es im Grunde nur noch darum, den besten Preis für Havertz (Vertrag bis 2022) zu erzielen - im Idealfall im dreistelligen Millionenbereich.

Havertz will sich im Sommer entscheiden

Kein leichtes Unterfangen in Zeiten des Coronavirus', auch wenn Völler viel daran liegt, den Marktwert des 20-Jährigen hoch zu halten: "Dass der Transfermarkt vielleicht teilweise ein bisschen eingebrochen ist, das gilt sicherlich für viele Spieler", sagte er, "aber nicht für Künstler wie Kai Havertz."
Dem Künstler stehen im Prinzip alle Türen offen - doch durch welche er gehen soll, weiß er offenbar noch nicht. Laut "Sport Bild" will Havertz spätestens im August Klarheit über seine mittelfristige Zukunft haben.
"Die Spiele mit Bayer stehen im Vordergrund, für alles andere werden wir am Ende der Saison eine Lösung finden", hatte Havertz vergangene Woche nach dem 3:1 bei Borussia Mönchengladbach recht vielsagend mitgeteilt.
Doch was ist die richtige Entscheidung für einen 20-Jährigen?

Der FC Bayern zieht nicht so recht

Mit einem Wechsel zum FC Bayern beispielsweise haben sich schon andere verheißungsvolle Talente die Karriere verbaut - Mario Götze sei hier als mahnendes Beispiel genannt. Im Kader von Pep Guardiola konnte der beim Transfer 2013 damals 21-Jährige jedenfalls keinen Stammplatz ergattern.
Havertz müsste sich bei Bayern in seinem natürlichen Habitat der Konkurrenz des wiedererstarkten Urbayers Thomas Müller (30) erwehren, der neben Götze auch schon James Rodríguez und allem Anschein nach auch Philippe Coutinho zum Verhängnis wurde. Leon Goretzka (25) hat sich in der zentralen Offensive der Bayern ebenfalls schon einen Namen gemacht - kein Leichtes für Havertz.
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Kai Havertz im Duell mit Thomas Müller vom FC Bayern. Spielen die beiden Nationalspieler bald zusammen für den deutschen Rekordmeister?

Fotocredit: Imago

Zudem scheinen die Bayern - allem Flick-Lob zum Trotz - auch noch nicht so recht angebissen zu haben, sondern eher an einem Transfer von Flügelstürmer Leroy Sané interessiert zu sein. Sportlich würde er ihn ja schon ganz "gerne in München sehen", sagte Ehrenpräsident Uli Hoeneß neulich im "BR" - aktuell könne er sich aber "ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass Havertz kommt".

Alles nur Taktik bei Bayern?

Auch Vorstandsmitglied Oliver Kahn äußerte sich zuletzt eher skeptisch. Er wäre "ganz vorsichtig, jetzt über irgendwelche Transfers nachzudenken im größeren Millionenbereich, weil im Moment sind erstmal ganz andere Dinge zu bewältigen, bevor dieser Markt – wenn überhaupt – wieder anspringen wird".
Kann aber auch alles nur Taktik sein - laut einem Bericht des englischen "Independent" vom Freitag, habe Bayern nämlich die Nase im Havertz-Poker derzeit vorne.
Borussia Dortmund hätte den Jungnationalspieler gewiss ebenfalls ganz gerne; außer Avancen seines Ex-Mitspielers Julian Brandt haben sich zuletzt jedoch keine konkreten Spuren zu Schwarz-Gelb ergeben - was nahelegt, dass der 20-Jährige finanziell schon eine Kategorie über dem Handlungsspielraum des BVB liegt.

Havertz einer wie Zidane?

Bleibt ein Wechsel ins Ausland als Option. Dort hörte man zuletzt allerdings eher wenig von den angeblich interessierten Manchester-Klubs, vom FC Liverpool oder dem FC Barcelona.
Laut "Bild" habe zumindest Real Madrid mit Leverkusen ein Angebot über 80 Millionen Euro diskutiert, wobei Havertz für die Saison 2020/21 bei Bayer geparkt bleiben sollte. Dies sei von Leverkusener Seite jedoch, etwas überraschend, abgelehnt worden.
Die den Königlichen nahe "Marca" hatte Havertz vor kurzem erst groß auf ihrem Cover präsentiert, jedoch mit der Schlagzeile, dass dieser sich in Sachen Real Madrid gedulden müsse.
Dabei hatte Marcel Daum, Co-Trainer Analyse und Sohn des ehemaligen Bayer-Coaches Christoph Daum, diese Woche erst gegenüber "Talksport" einen gewagten Vergleich angestellt. "Für mich hat er die Eleganz eines Zidane", sagte Daum da über Havertz.
An den Real-Trainer Zinédine Zidane erinnerten ihn Havertz' "Bewegungen, seine Ruhe, seine großartige Fähigkeit, Pässe zu spielen- außerdem ist er ziemlich schnell, das ist ein weiteres großes Plus". Für "Sky"-Experte Hamann habe Havertz indes "im positivsten Sinne diese natürliche Arroganz, die ganz große Spieler auszeichnet".
Es läge, so Daum jr., entsprechend "nur an ihm, wie weit nach oben es für ihn gehen wird. Es gibt kein Limit."

Draxler bei PSG nur Rollenspieler - Özil und Sané als Positiv-Beispiele

Das hatte man jedoch auch mal bei Julian Draxler gedacht, der 2013 noch das verheißungsvollste Talent der Bundesliga war, ehe er 2015 dem Ruf des Geldes zum VfL Wolfsburg folgte und nach seinem Wechsel zwei Jahre später zu Paris Saint-Germain dort nur mehr Rollenspieler ist.
Als Gegenbeispiele, dass große Vereine im Ausland sehr wohl ein Sprungbrett sein können, dienen Havertz' hingegen zwei weitere Ex-Schalker: Mesut Özil und Leroy Sané.
Özil war 2010 mit 21 Jahren von Werder Bremen zu Real Madrid gegangen und dort gleich in seiner Saison mit 28 Torvorlagen in allen Wettbewerben zum Top-Vorbereiter avanciert. Sané war 2016 zu Manchester City gegangen, wo er nach seiner zweiten Saison zum besten jungen Spieler der Premier League ausgezeichnet wurde, ehe ihn ein Kreuzbandriss stoppte.
Beide profitierten allerdings auch davon, dass ihre jeweiligen Vereine exakt die für sie perfekte Planstelle im Kader offen hatten - ein weiteres Detail, dass die Havertz-Seite beachten muss.
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Für Leroy Sané hat sich der Wechsel ins Ausland zu Manchester City gelohnt

Fotocredit: Getty Images

Schwache Champions-League-Bilanz

Abschrecken könnte internationale Top-Klubs beim Bayer-Star indes neben der hohen Ablöseforderung dessen bisherige Champions-League- und Nationalmannschaftsstatistik. In der Königsklasse konnte der 20-Jährige in acht Einsätzen noch keine Torbeteiligung verbuchen, während er eine Etage drunter, in der Europa League, in neun Spielen elf Scorerpunkte sammelte (sechs Tore, fünf Assists) - was ihn vielleicht doch nicht zum "zurzeit spannendsten Spieler auf der Welt" (Hamann) macht.
In der deutschen Nationalmannschaft setzte ihn Joachim Löw derweil erst behutsam ein, sieben Länderspiele und ein Tor stehen hier zu Buche. Der Bundestrainer bezeichnete Havertz vergangenen Spätsommer aber immerhin schon als den "Spieler der Zukunft".
Bleibt ein passendes Angebot aus dem Ausland aus, könnte sich Havertz auch noch ein Jahr Zeit nehmen in Leverkusen - dazu scheint ihm zumindest Ex-Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack zu raten. Für einen Wechsel müsse man schließlich auch "mental bereit sein", sagte der zu "Sport1".

Leverkusen braucht Platz vier, um eine Option zu bleiben

Ballack sieht in Havertz zudem "noch keinen fertigen Spieler". Der Youngster habe "in der Persönlichkeitsentwicklung und in der Körpersprache noch Steigerungspotenzial". Das sei allerdings "völlig normal in seinem Alter". Bei Bayer trug er diese Saison bereits fünfmal die Kapitänsbinde. Nun müsse er "erst mal lernen, mit dieser Verantwortung umzugehen".
Ziel für Havertz sollte es jedoch sein, "immer in der Champions League zu spielen, um sich mit den Besten messen zu können", meinte Ballack weiter: "Deshalb wird es für Leverkusen von Bedeutung sein, den vierten Platz zu erreichen." Aktuell ist Bayer nur Fünfter. Ein weiteres wichtiges Detail, das am Ende den Ausschlag für oder gegen Leverkusen geben könnte.
Für Hamann sprechen alle Indizien allerdings eher für einen Wechsel. Noch ein Jahr Leverkusen? "Das kann ich mir nicht vorstellen. Auf diesen Spieler kann man nicht warten."
Fragt sich nur, ob Havertz das auch so sieht.
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Ist das schon ein Angebot? Flick spricht in höchsten Tönen von Havertz

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