Werder Bremen im Taktik-Check: Das sind die größte Baustellen für Florian Kohfeldt

Werder Bremen steht mit dem Rücken zur Wand: Auf Platz 17 stehend haben sie nun Spiele gegen den BVB und Eintracht Frankfurt vor der Brust. Trotz der schlechten Punktausbeute und schwachen Leistungen stehen die Verantwortlichen zu Trainer Florian Kohfeldt – noch. Eurosport.de analysiert vor dem Spiel gegen Dortmund, welche Schwächen Kohfeldt schleunigst bekämpfen muss.

Florian Kohfeldt | SV Werder Bremen | Taktik-Check

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Florian Kohfeldt ist in dieser Saison nicht zu beneiden. Werder war mit großen Ambitionen gestartet, Neuzugänge wie Niclas Füllkrug, Ömer Toprak oder Leonardo Bittencourt versprachen eine Verstärkung des Kaders. Doch sowohl Füllkrug als auch Toprak verletzten sich schwer, hinzu kamen längere Verletzungen von Milos Vejlkovic, Niklas Moisander, Sebastian Langkamp und Ludwig Augustinsson – Kohfeldt musste über weite Strecken der Saison also auf nahezu seine komplette Abwehr verzichten.
Dass sich zum Ende der Hinrunde mit Theodor Gebre Selassie (Außenverteidiger) und Philipp Bargfrede (Sechser) zwei weitere Defensivakteure ins Lazarett einreihten, passt also ins Bild.

Zu Abwehrexperimenten gezwungen – Offensive leidet darunter

Improvisation war also die Defensiv-Devise. Kohfeldt probierte es in der Regel mit einer Dreierkette, die von den Flügelspielern situativ zu einer Fünferkette verstärkt wurde. Spieler wie der junge Marco Friedl (eigentlich Außenverteidiger), Christian Groß (eigentlich Sechser der Regionalligavertretung Werders) brachten sich zwar mit vollem Einsatz ein, konnten als Innenverteidiger oftmals aber schlichtweg nicht mithalten – gegen die vielen offensiven Topspieler in der Liga wenig überraschend.
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Marco Friedl (vorne) im Duell mit Kevin Stöger

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Der eigentlich als Kreativkopf vorgesehene Bittencourt war mangels Alternativen oft als vorgeschobener Außenverteidiger der beschriebenen Fünferkette eingebunden und konnte wenig zur offensiven Durchschlagskraft beitragen. Das Spiel mit dem Ball entpuppte sich letztlich zu einer ebenso großen Baustelle wie die (personelle) Problematik in der Defensive.

Sorgenkind Spielaufbau

Werder zeichnete sich gerade in der letzten Saison unter Kohfeldt durch ein ausgezeichnetes Aufbauspiel aus. Unabhängig vom System besetzten sie klug die Räume und erkannten Situationen schnell genug, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Ohne den besten Aufbauspieler (Moisander) im Abwehrzentrum und ohne Dampfmacher Augustinsson auf der linken Seite war an diese Spielweise in dieser Saison bislang nicht zu denken.
Werder baute oftmals mit zu vielen Spielern auf, besonders der als Dirigent vorgesehene Nuri Sahin holte sich den Ball viel zu oft in Zonen ab, in denen es dem Gegner nicht wehtun kann. So standen phasenweise die drei Innenverteidiger und Sahin im Aufbau gegen nur eine gegnerische Sturmspitze. Um festzustellen, dass Werder dementsprechend Präsenz in höheren Zonen fehlte, braucht es kein Mathematikstudium.
Das Spiel wurde durch diese Raumaufteilung zu oft verschleppt, der Gegner konnte ohne großen Aufwand verteidigen. Bei einem System mit nur zwei Innenverteidigern hätte Sahin sich durchaus öfter mal nach hinten fallen lassen können, um das Spiel anzukurbeln – Werder hätte trotzdem einen Mann mehr im Mittelfeld oder im Sturm positionieren können.
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Nuri Sahin

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Kein Pressing, kein Konterspiel: Werder verpennt die Umschaltmomente

Neben der Schwäche im Aufbauspiel fällt vor allem das Umschaltspiel negativ auf. Beziehungsweise: Es findet nahezu gar nicht statt. Werder spielt kein hohes Pressing – aufgrund der vielen personellen Wechsel und des fehlenden Tempos in der Innenverteidigung ist das sogar nachvollziehbar. Sie gewinnen die Bälle also nicht hoch, sondern tief in der eigenen Hälfte.
Nach Ballgewinn gibt es aber keine klaren Muster zu erkennen: Zwar sorgt Milot Rashica (und mit Abstrichen auch Yuya Osako) für Lichtblicke durch Tempo und individuelle Klasse, insgesamt ist das aber schlichtweg zu wenig. Eine Mannschaft, die (auch aufgrund der Personalsorgen) unterlegen ist und ohnehin Probleme im Spielaufbau hat, muss einfach klare Abläufe im Umschaltspiel haben. Der 1. FC Köln zeigt dies seit dem Trainerwechsel Woche für Woche – Kohfeldt muss sich diesen Punkt ganz klar ankreiden lassen.

Standardschwäche kostet viele Punkte

Auch bei Standardsituationen sieht Werder alt aus. Neben dem Umschaltspiel sind die ruhenden Bälle eigentlich die zweite Disziplin, in der Abstiegskandidaten sich mit geringem (Trainings-)Aufwand hohen Ertrag erhoffen. Mit erst drei erzielten Toren nach Standardsituationen stellen die Bremer hier allerdings das ungefährlichste Team – zum Vergleich: Köln ist Spitzenreiter mit zwölf Treffern nach ruhendem Ball.
Der Harmlosigkeit in der Offensive steht eine auffällige Anfälligkeit in der Defensive gegenüber: Zwölf Mal klingelte es hier bereits, nur Mainz „toppt“ diesen Wert (13). Dass Werder ausgerechnet in dieser Saison erstmals einen Co-Trainer mit dem Fokus auf Standardsituation beschäftigt, entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie.
Eurosport-Check: Einerseits kann man Werder als Verein ein Kompliment machen, trotz schlechter Ergebnisse an ihrer Überzeugung und somit dem Trainer festzuhalten. Andererseits hat es Kohfeldt nicht geschafft, der Mannschaft eine klare Linie vorzugeben – wenngleich er natürlich über fast die gesamte Saison mit extrem schwierigen Umständen durch die Verletzungsproblematik konfrontiert gewesen ist. Die Verletztenliste wird nun kürzer, der Trainer kann endlich auf den Großteil des Kaders zurückgreifen. Dies ist Kohfeldts Chance, das Vertrauen der Verantwortlichen zurückzuzahlen – gelingt dies trotz verbesserter Personalsituation nicht, dürften die Bosse bald keine Argumente mehr pro Kohfeldt haben.
(SID)
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Quelle: Eurosport

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