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Der LIGAstheniker: Super-Julian, Super-Sané, Super-Bayern - kommt mal alle wieder runter!

Thilo Komma-Pöllath

Update 04/10/2021 um 12:13 GMT+2 Uhr

Der FC Bayern hat gegen Eintracht Frankfurt die erste Saisonpleite kassiert. Ein überraschender Rückschlag, zumal Julian Nagelsmann und sein Team nach dem starken Saisonstart geradezu mit Lob überschüttet wurden. Für den LIGAstheniker kommen jene Huldigungen für den Ex-Leipzig-Coach viel zu früh. Sein Rat an alle Fußballexperten: Kommt mal alle wieder runter! Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Thomas Müller und Co. - FC Bayern München

Fotocredit: Getty Images

Liebe Fußballfreund/innen, es war nur eine Frage der Zeit, bis ein, zwei Ergebnisse vielleicht nicht mehr so ganz ins Bild passen wollten zum überirdischen Jubelgesang um den neuen Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. Jetzt also schon an Spieltag sieben gegen Eintracht Frankfurt (1:2).
Damit soll dem Wundertrainer Nagelsmann gar kein Zacken aus der Krone gebrochen werden. Der 34-Jährige ist und bleibt, was er ist, ein weltweit seltenes Talent der Fußballdidaktik. Überirdisch, gar ein Wunder ist er dennoch nicht. So steil wie die Hymnenkurve auf Nagelsmann angesetzt war, musste sie eher früher als später reißen.
Hamann, Matthäus, Pires oder Pirlo - kaum ein nationaler wie internationaler Beobachter und Experte, der sich nicht vor Verzückung ins Höschen machte. Das war nett zu lesen, das war aus der Emotion, aus dem Überschwang heraus nachvollziehbar, nur mit dem Wesen des Leistungssports hatte das kaum etwas zu tun.
Natürlich kann man Barcelona, Kiew und Leipzig mit 12:1 Toren demütigen. Die Logik des Spiels ist aber nicht Emotion, sondern Arithmetik. Das Profifußballspiel ist ein Zahlenspiel. Es zählt immer nur das aktuelle Spiel, das aktuelle Ergebnis. Also: 1:2 gegen Frankfurt. Was heißt das nun?

Nagelsmann: Toller Trainer, keine Titel

Für Nagelsmann: Nicht viel. Toller Trainer mit dem Gesamtpaket: Taktische Raffinesse, empathischer Zugang zu seinen Spielern, traut sich das Große zu. Spannend auch, dass Diven wie Robert Lewandowski oder ein Grandseigneur wie Thomas Müller ihm, dem Greenhorn, aus der Hand fressen. Nur: Gewonnen hat Super-Julian bis dato eben noch nichts.
Nun kann man sagen, was hätte er schon gewinnen können mit seinen bisherigen Klubs? Richtig, und doch falsch. Das DFB-Pokal-Finale gegen Dortmund im Mai zum Beispiel. Hat er deutlich vergeigt gegen keine Übermannschaft plus einen sehr jungen Trainer.
Erinnert sich noch jemand an Edin Terzic? Auch er wurde nach dem Pokalsieg dem Fußballgott vorgestellt. Hat es ihm was gebracht?
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Julian Nagelsmann war nach der Niederlage bedient

Fotocredit: Getty Images

Warum ist Nagelsmann besser als Flick?

Jeder Übertrainer muss auch mal durch tiefe Täler, gerade am Anfang seiner Karriere, schon klar, das sollten die Julian-Jubler nur auch mal mit in Betracht ziehen. Wenn der von mir sehr geschätzte Didi Hamann Nagelsmann über Flick und Guardiola stellt, dann hinkt das allein deshalb, weil Flick und Guardiola ihren Klubs ganze Trophäensammlungen er-coacht haben.
Genauso wenig macht es Sinn, einen Florian Wirtz, den 18-jährigen Überflieger aus Leverkusen, mit Robert Lewandowski zu vergleichen, nur weil er in der Liga zuletzt vier Mal getroffen hat. Dieser ganze Insta-Social Media-Vergleichsquatsch ist im wahren Leben toxisch - und im Fußball erst recht.
Denn, was macht man jetzt mit diesem 1:2? Heimniederlage immerhin, zwei Gegentreffer, die, eigentlich gar nicht mehr passieren, weil unter Nagelsmann, anders als bei Flick, die Abwehr Fort-Knox-sicher ist und keine Tore mehr zulässt, schrieben die Lobhudler noch vor drei Tagen. Stimmt das jetzt nicht mehr?
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Nagelsmann scherzt nach erster Pleite: "Sie haben bestimmt meine Nummer"

Warum stagniert Upamecano?

Oder die etwas eigenartige, weil sehr kurz greifende Begründung, Nagelsmann sei schon deshalb ein Welttrainer, weil er es schaffe, die einzelnen Spieler jeden Tag besser zu machen. So als wäre Nagelsmann eine Art Personalcoach, der seinen Kunden ein paar überflüssige Pfunde abtrainieren soll. Als Belege werden die ewigen Problemfälle Leroy Sané und Niklas Süle angeführt, die zuletzt für ihre Verhältnisse überperformt haben sollen. Das kann man so sehen, muss man aber nicht.
Wenn man weiß, welches tatsächliche Vermögen in einem Sané steckt, dann ist das, was er bisher gezeigt hat, vielleicht erst zwei Drittel vom Ganzen. Das ist mehr als bisher, aber ist das schon genug? Sané hat vor allem ein Kopfproblem, das löst man nicht in sieben Spieltagen, ohne dass es wieder zu grausamen Form-Rückschlägen kommen wird. Die mentale Verwandlung des Leroy Sané haben wir noch gar nicht miterlebt.
Und wenn Nagelsmann alle Spieler besser macht, warum klappt das dann ausgerechnet bei dem Spieler gerade nicht, den er am besten kennt: Dayot Upamecano. Gegen Frankfurt war er bei beiden Gegentoren sichtbar unbeholfen.
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Rafael Borré (links; Eintracht Frankfurt) im Zweikampf mit Dayot Upamecano (FC Bayern)

Fotocredit: Getty Images

Nur die Meisterschaft wird nicht reichen

Vielleicht sollten wir alle mal wieder ein bisschen runterkommen. Ich selbst auch. Was sagt ein einzelner Spieltag schon aus? Was sieben Spieltage? Noch ist erst ein Fünftel der Saison gespielt. Andererseits gilt aber auch, wer sollte daran zweifeln, dass die Bayern wieder Meister werden, wenn es selbst die unmittelbaren Konkurrenten nicht tun.
Wenn sich aber Dortmund, Leipzig & Co. den Titel nicht zutrauen, was kann er dann für einen mit dem Anspruch eines Julian Nagelsmann wert sein? Bei der bisher exponentiell steigenden Julian-Jubelkurve wird die Meisterschaft nicht reichen, um seinen Nimbus als nächster deutscher Weltspitzentrainer festigen zu können.

Zur Person Thilo Komma-Pöllath:

Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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