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FC Bayern - Eintracht Frankfurt | Drei Dinge, die auffielen: SGE dekodiert Nagelsmann-System

Dennis Melzer

Update 04/10/2021 um 08:57 GMT+2 Uhr

Julian Nagelsmann musste seine erste Pflichtspiel-Niederlage als Bayern-Trainer hinnehmen. Beim 1:2 gegen Eintracht Frankfurt dominierte seine Mannschaft zwar nach Belieben, die Gäste zeigten aber eindrucksvoll, wie dem Dauerdominator beizukommen ist. Auch, weil Torwart Kevin Trapp über sich hinauswuchs - und vor allem ein FCB-Star einen gebrauchten Abend erlebte. Drei Dinge, die auffielen.

Kevin Trapp wuchs in München über sich hinaus

Fotocredit: Imago

21 Jahre lang musste Eintracht Frankfurt auf einen Sieg in der bayrischen Landeshauptstadt warten, am Sonntagabend nahm die Durststrecke ein gleichermaßen jähes wie überraschendes Ende. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem der FC Bayern als schier unschlagbar gehandelt wurde, jüngst sämtliche Gegner nach Belieben dominiert hatte.
Auch die SGE gewann vor allem zu Beginn der Partie einen Eindruck davon, mit welch enormem Selbstverständnis die Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann dieser Tage auftritt. In den ersten Minuten gelang es den Frankfurtern nur bedingt, den Ball in die gegnerische Hälfte zu treiben, zumeist erkämpften sich die Hausherren die Kugel nur wenige Sekunden nach Verlust wieder zurück.
Das Resultat: Bayern drängte vehement und kombinationssicher auf die Führung. Leon Goretzka traf nach knapp einer halben Stunde zum folgerichtigen 1:0. Wer dachte, nun würde das Frankfurter Schicksal seinen Lauf nehmen, wurde eines Besseren belehrt. Das FCB-Tor diente als Wachrüttler für die Hessen, die nur vier Minuten später mit der ersten Chance zurückschlugen - und sich anschickten, fortan munter mitzumischen.
Mit einer hervorragend organisierten Defensive, die sich auf ihren überragenden Torhüter Kevin Trapp verlassen konnte, hielt Frankfurt dagegen und stellte letztlich den Spielverlauf dank Filip Kostics beherztem Schuss auf den Kopf. Die Adlerträger zeigten eindrucksvoll, wie es gelingen kann, gegen die Münchner Übermacht zu bestehen. Zudem half dem Team von Oliver Glasner, dass bei den Bayern ein zuletzt wichtiger Baustein einen gebrauchten Abend erwischte.
Drei Dinge, die bei FC Bayern – Eintracht Frankfurt auffielen:

1. Eintracht zeigt wie’s geht: Glasner dekodiert Nagelsmann-System

Es gab beileibe keinen Grund für Nagelsmann, an seiner Aufstellung und Marschroute irgendetwas zu ändern. Die gleiche Elf hatte am vergangenen Mittwoch an Ort und Stelle Dynamo Kiew vorgeführt (5:0), zuletzt war die Handschrift des ehemaligen Leipzig-Trainers deutlich lesbar.
Nagelsmann schien die letzte und vielleicht einzige Schwäche der Philosophie seines Vorgängers Hansi Flick ausgemerzt zu haben, die Bayern warteten jüngst mit Stabilität in der Hintermannschaft auf. Das hohe Vorschieben, das freilich immer mit einem gewissen Risiko verbunden ist, wurde nicht mehr so aggressiv praktiziert wie unter Flick. Das Resultat: Die Münchner fingen sich deutlich weniger Gegentore.
Auffällig war auch, dass Niklas Süle, der auf dem Papier in ungewohnter Rolle als Rechtsverteidiger auflief, immer wieder ins Zentrum rückte und bisweilen mit großem Drang nach vorne aufwartete. Auch Linksverteidiger Alphonso Davies, das war gegen Frankfurt erneut zu beobachten, "klebt" nicht länger an der Außenlinie, sondern schiebt nach innen, um auf den Flügeln Platz zu schaffen.
Ein anderes Flick’sches Stilmittel behielt Nagelsmann jedoch bei: Chip-Bälle in den Rücken der gegnerischen Abwehrkette, die in der Vergangenheit regelmäßig von Erfolg gekrönt waren. Ein wichtiges spielerisches Element, dem Frankfurts Coach entgegenwirken wollte. Nominell mit einer Dreierkette, die aber über die gesamten 90 Minuten de facto zur Fünferkette umfunktioniert wurde, stellte sich die SGE den Bayern entgegen.
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Julian Nagelsmann war nach der Niederlage bedient

Fotocredit: Getty Images

"Wir wissen, dass Bayern viele Chip-Bälle in die Tiefe spielt und sehr gute Laufwege hat", erklärte Torhüter Trapp bei "DAZN". Er schob nach: "Deshalb haben wir auch mit fünf Leuten hinten gespielt anstatt drei. Wir wollten die tiefen Bälle verhindern. Wenn du ihnen die Räume gibst, nehmen sie dich auseinander."
So gut es eben geht schadlos halten gegen die zuletzt torhungrige Bestie, ohne die defensive Ordnung zu verlieren - und vorne mit den schnellen Umschaltspielern Kostic und Jesper Lindström Nadelstiche setzen. Glasners Vorgaben offenbarten sich schnell. Das sie tatsächlich aufgehen würden, war lange nicht abzusehen.
"Sie hatten ein Chancenplus, Ballbesitz war uns heute egal", sagte der Schweizer Übungsleiter nach der Partie bei "DAZN" und ergänzte mit Blick auf seine Defensivreihe bestehend aus Martin Hinteregger, Stefan Ilsanker, Tuta, Timothy Chandler und Almamy Touré. "Wir haben kein einziges Training mit dieser Abwehr bestritten. Wahnsinn, dass es so geklappt hat. Wenn du hier gewinnen willst, muss einfach alles zusammen passen."
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Nagelsmann scherzt nach erster Pleite: "Sie haben bestimmt meine Nummer"

Dass er mit seiner defensiven Ausrichtung und den punktuellen Kontern eine gewisse Einfallslosigkeit bei den Hausherren hervorrief, freute Glasner ganz besonders: "Heute hat unsere kämpferische Leistung und unsere Organisation gestimmt. Am Ende hatte ich den Eindruck, Bayern versucht es nur noch mit Chip-Bällen. Darauf waren wir natürlich eingestellt."
Obwohl der Rekordmeister sicherlich mehr als einen Treffer hätte erzielen können - Frankfurt hat gezeigt, wie man den vermeintlich Unbezwingbaren beikommen kann. Mit einer guten Defensivstruktur, einer Mischung aus Tiefe und dynamischen Gegenstößen. Und mit einem Torhüter, der über sich hinauswächst.

2. Trapp nimmt DFB-Nichtnominierung als Ansporn

Kürzlich gab Bundestrainer Flick seinen Kader für die anstehenden Länderspiele bekannt, Trapp suchte man im DFB-Kader allerdings vergeblich.
Offenbar nahm der 31-Jährige sowohl die Nichtnominierung als auch Flicks Anwesenheit in der Arena als Anlass, zur absoluten Höchstform aufzulaufen.
Schon im ersten Durchgang entschärfte der ehemalige Pariser einige Großchancen der Gastgeber, nach dem Seitenwechsel zeigte er gegen Torjäger Robert Lewandowski, der aus drei Metern freistehend zum Kopfball kam einen absoluten Weltklasse-Fußreflex (56.), nur wenige Minuten später parierte er einen satten Gnabry-Schuss aufs kurze Eck hervorragend (64.), auch Leroy Sané fand kurz darauf seinen Meister in Trapp (65.).
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Kevin Trapp zeigte gegen Lewandowski eine Glanzparade

Fotocredit: Imago

Zehn Paraden standen für Trapp zu Buche, noch nie wehrte der Schlussmann in seiner Karriere mehr Bälle ab. Am Ende wurde er von allen Seiten mit Lobeshymnen bedacht: "Wir haben vorher gesagt, dass wir einen überragenden Torhüter brauchen. Den haben wir heute gehabt", schwärmte Glasner, Bayern-Urgestein Thomas Müller sagte, als Trapp ihn während seines Interviews passierte: "Hinten geht der Trappo vorbei, der hatte auch einen warmen Handschuh. Er hat heute sehr gut gehalten."
Und der Held des Abends? "Der Trainer hat gestern gesagt, dass wir einen super Torwart brauchen - und den wollte ich ihm heute geben", sagte Trapp. Auf seine Parade gegen Lewandowski angesprochen, gab er sich bescheiden: "Das war reine Intuition, du versuchst dich, so groß wie möglich zu machen. Wenn ich in der Situation aufgebe, ist er drin."
Auch hinsichtlich des Rückschlags, nicht für das DFB-Team vorgesehen zu sein, bezog er Stellung: "Ich bin natürlich enttäuscht. Mein Ziel ist es, bei der Nationalmannschaft dabei zu sein. Ich versuche, mich auf meine Leistung zu konzentrieren, damit der Trainer mich wieder nominiert."
Knüpft er auch nur in Ansätzen an seine Leistung vom Sonntag an, dürfte dem nichts im Wege stehen.

3. Bayerns Fels bröckelt: Upamecano erlebt gebrauchten Abend

Frankfurt entführte vornehmlich drei Punkte, weil Trapp über sich hinaus wuchs und die Bayern ihre zahlreichen Möglichkeiten nicht nutzte. Doch auch ein anderer Umstand spielte der Mannschaft aus der Bankenstadt in die Karten: Dayot Upamecano, zuletzt ein absoluter Fels in Münchens Abwehr, bröckelte diesmal gewaltig.
Zunächst ließ sich der Franzose von Kristijan Jakic, der in der Folge den ersten Eckball herausholte, abkochen. Wenige Sekunden später stand Upamecano erneut neben sich. Denn: Ebenjene Standardsituation mündete im Frankfurter Ausgleich, weil der 22-Jährige seinen Gegenspieler Hinteregger aus den Augen verlor.
Kurz vor der Pause wollte Upamecano den Ball souverän ins Toraus trudeln lassen, verlor ihn auf Höhe der Grundlinie allerdings an Kostic. Der Querpass des Serben fand zwar keinen Abnehmer, eine Großchance war dennoch aus Upamecanos Leichtsinnigkeit entstanden.
In der entscheidenden Situation des Spiels machte es Kostic dann besser - und wieder stand Upamecano im traurigen Rampenlicht. Zunächst schickte Kostic den Ex-Leipziger auf den Hosenboden, dann klärte der Abwehrmann den Ball vor die Füße von Djibril Sow, der abermals Kostic in Szene setze. Upamecano kam nicht mit und ließ den Flügelflitzer zum siegbringenden Abschluss kommen.
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Dayot Upamecano erlebte einen gebrauchten Abend

Fotocredit: Imago

"Wir haben schon ähnliche Dinge in den vergangenen Wochen nicht richtig gemacht, da hat der Gegner das nicht ausgenutzt. Heute wurden wir bestraft", ärgerte sich Nagelsmann. Welche Fehler er konkret meinte, ließ er aber offen: "Im Detail geht es da um Einzelspieler, das klären wir aber intern." Einer der besagten Einzelspieler dürfte Upamecano sein.
Nagelsmann wetterte nämlich weiter: "Beim Gegentor sind wir auf vier Meter dran, aber machen die Schritte nicht. Dann spielt Sow den Ball, schickt Kostic ins Eins-gegen-Eins und wir gehen nicht richtig auf den Spieler drauf."
Upamecano, der als einer der wenigen gesetzten Spieler die gesamte Vorbereitung mitgemacht hatte, stabilisierte sich quasi mit dem offiziellen Saisonstart. Seither ist er aus der Startelf nicht wegzudenken. Man wird ihm sicherlich eine schlechte Partie zugestehen. Das Potenzial für ganz oben ist schließlich vorhanden.
Auf der Pressekonferenz stärkte Nagelsmann seinem Schützling jedenfalls den Rücken: "Kostic hat es Upa heute schwergemacht. Er hat aber viele gute Spiele gemacht seit er hier ist. Heute hat er mal ein schwächeres gezeigt. Das passiert."
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