FC Bayern - Corentin Tolisso: Dauerreservist spielt sich unter Julian Nagelsmann ins Schaufenster

Corentin Tolisso hatte zu Beginn der Saison immer wieder mit Problemen zu kämpfen, am Wochenende durfte er erstmals in dieser Spielzeit in der Bundesliga von Beginn an ran. Bei Union Berlin (5:2) überzeugte der Franzose, der beim FC Bayern offenbar nach wie vor als Wechselkandidat gilt. An Interessenten soll es nicht mangeln. Julian Nagelsmann hält sich bezüglich Tolissos Zukunft bedeckt.

Corentin Tolisso (M.) vom FC Bayern München

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Corentin Tolisso konnte es nicht fassen. Wild gestikulierend schimpfte der Franzose in Richtung seines Teamkollegen Robert Lewandowski, der ihn im Duell mit der TSG Hoffenheim beim Stand von 4:0 (Endstand: 4:0) aus Sicht des FC Bayern mit Nichtbeachtung gestraft, anstatt den Ball querzulegen, selbst aufs Tor geschossen hatte - und die Kugel über den Kasten setzte.
Nach Abpfiff würdigten sich die beiden keines Blickes, Tolisso haderte noch immer, Lewandowski verschwand in der Kabine.
Es war eine Szene, die einigermaßen sinnbildlich für Tolissos Situation bei den Münchnern stand. Ende Juli wurde der Franzose positiv auf Corona getestet, nach der vorgeschriebenen häuslichen Quarantäne kam er erst mit Verspätung - kurz vor Bundesliga-Start - zurück nach München.
Nachdem er sich ans Team herangearbeitet hatte, im Supercup gegen Borussia Dortmund das entscheidende 3:1 von Robert Lewandowski mit einer starken Balleroberung einleitete und ein Tor beim 12:0 über den unterklassigen Bremer SV beisteuerte, setzte eine Wadenverletzung den Mittelfeldmann rund einen Monat außer Gefecht.

Tolisso fiel seit 2017 84 Pflichtspiele aus

Seit seinem Wechsel von Olympique Lyon im Sommer 2017, den sich der deutsche Rekordmeister immerhin 41 Millionen Euro kosten ließ, verpasste Tolisso verletzungsbedingt 84 Pflichtspiele. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum sammelte er "nur" 103 Einsätze für die Bayern. Gänzlich durchsetzen konnte er sich beim deutschen Primus nie.
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Corentin Tolisso hat immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen

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Selbst wenn weder Corona noch die anschließende Wadenblessur eine Zwangspause nach sich gezogen hätten - die Aussicht auf einen Stammplatz waren schon zu Beginn der Saison nicht sonderlich rosig. An Joshua Kimmich und Leon Goretzka ist für Tolisso kein Vorbeikommen, zudem verpflichteten die Münchner zum Ende der Transferperiode im ehemaligen Nagelsmann-Schützling Marcel Sabitzer einen weiteren Konkurrenten, der in der Hierarchie vermeintlich höher anzusiedeln ist.
Kein Wunder also, dass Tolisso, dessen Vertrag 2022 ausläuft, schon im Sommer als Verkaufskandidat gehandelt wurde. Regelmäßig tauchten Gerüchte auf, konkret wurde es allerdings nie. Der "Kicker" begründete diesen Umstand damit, dass es schlicht "keinen Markt" für den 27-Jährigen gebe, obwohl sein Klub laut der französischen Sportzeitung "L’Équipe" einem möglichen Interessenten preistechnisch entgegengekommen wäre. Die Ablöseforderung soll sich auf zehn Millionen Euro belaufen haben, ein Abnehmer ließ sich dennoch nicht finden.
Dies könnte sich im Winter ändern. Wie das italienische Portal "Calciomercato" vor einigen Tagen berichtete, hat Tottenham Hotspur seinen Hut in den Ring geworfen, auch Atlético Madrid, Juventus Turin und Inter Mailand sollen Bereitschaft signalisiert haben, Tolisso zu verpflichten. Der Weltmeister könnte in den kommenden Wochen Eigenwerbung betreiben. Am vergangenen Samstag stand er bei Union Berlin erstmals in dieser Bundesliga-Saison von Beginn an auf dem Feld und wusste mit seiner Leistung durchaus zu überzeugen.

Nagelsmann lobt Tolisso: "Guter Geist, gute Power"

"Coco hatte immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Er hat während der Zeit, in der ich da war, aber auch zuletzt, als ich nicht da war, aber gut trainiert. Deshalb war er dran, mal wieder zu beginnen", begründete Trainer Nagelsmann Tolissos Einsatz auf Nachfrage von Eurosport am Montagmittag auf einer Pressekonferenz. Er ergänzte: "Sein Spiel war in Anbetracht des Rhythmus absolut in Ordnung. Auch im Supercup hatte er eine super Einwechslung. Man hat gesehen, dass er einen guten Geist, eine gute Power und eine gute Mentalität auf dem Feld."
Nagelsmann hob vor allem die Flexibilität hervor: "Er ist ein Spieler, der auf verschiedenen Positionen spielen kann und jemand, den ich sehr gerne in meiner Mannschaft habe. Er spielt immer wieder eine tragende Rolle", schwärmte der 34-Jährige, der nachschob: "Dass er eine große Qualität hat, weiß ich. Das sehe ich in den Trainingseinheiten, das habe ich auch schon in den Spielen gesehen. Wenn er konstant trainieren kann, dann wird er großen Einfluss auf unseren Erfolg haben."
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Bayerns Trainerteam um Julian Nagelsmann und Corentin Tolisso (v.)

Fotocredit: Imago

Einen Ausblick auf die Zukunft des 27-fachen Nationalspielers verzichtete Nagelsmann allerdings. "Über die Vertragssituation möchte ich heute nicht sprechen", erklärte er hinsichtlich eines potenziellen Tolisso-Abschieds. Dieser wird, obwohl sein Coach lobende Worte fand, jedoch immer wahrscheinlicher. Die Bayern machen bislang keine Anstalten, das auslaufende Arbeitspapier zu verlängern, die Aussicht auf sonderlich mehr Spielzeit besteht nicht, "profitierte" Tolisso doch gegen Union davon, dass Goretzka aufgrund einer Fleischwunde an der Ferse zum Zusehen verdammt war.

Verliert der FC Bayern den nächsten Spieler ablösefrei?

Im besten Fußballeralter dürfte Tolisso den Anspruch haben, kein derartiges Reservisten-Dasein zu fristen. Möchte der FCB immerhin noch eine verhältnismäßig geringe Einnahme generieren, müsste Tolisso im Winter verkauft werden. Sollte sich dies - trotz der angeblich namhaften Interessenten-Schar - als unmögliches Unterfangen erweisen, würden der Verein im kommenden Jahr leer ausgehen.
Der "Sport Bild" zufolge das wahrscheinlichste Szenario. Man habe versucht, Tolisso zu verkaufen, dies sei jedoch nicht gelungen, hieß es. Sollte er nach David Alaba, Jérôme Boateng und Javi Martínez der nächste ablösefreie Abgang sein, würde nach Informationen der "Sport Bild" auch der Druck auf Sportvorstand Hasan Salihamidzic wachsen. Unter seiner Ägide wurden 286 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben, jedoch lediglich 160 Millionen Euro an Ablöse für Verkäufe eingenommen. Um künftige Neuzugänge finanzieren zu können, sind Einnahmen aber obligatorisch.
Die nächsten Monate dürften also mit Blick auf das Personalkarussell spannend bleiben - auch für Tolisso. Bekommt er die Chance, sich weiter ins Wechsel-Schaufenster zu stellen oder muss er bleibt er der kostspielige Dauerreservist?
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Nagelsmann über Davies: "Einer der besten Linksverteidiger der Welt"

Quelle: Eurosport

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