FC Bayern: Thomas Tuchel ist nach Niederlagen-Serie in München schon Geschichte - Nur der Zynismus ist geblieben
Thomas Tuchel ist beim FC Bayern München zur "lame duck" verkommen - beide Seiten trennen sich im Sommer. Fehlende Handschrift, Dünnhäutigkeit und mangelnde Kommunikation lauten die dringensten Kritikpunkte. Unterstellungen oder erkennbare Muster? Wir haben die Kollegen in Frankreich und England gefragt, wie sie den Trainer bei PSG beziehungsweise Chelsea wahrgenommen haben.
FC Bayern trennt sich von Trainer Tuchel: Aus zum Saisonende
Quelle: Perform
Als Thomas Tuchel Ende März vergangenen Jahres in den Presseraum der Allianz Arena schritt, umwehte den neuen Bayern-Trainer eine ganz besondere Aura.
Mit Eloquenz, Spitzbübigkeit und einer gesunden Portion Selbstvertrauen stellte sich der Nachfolger des zuvor geschassten Julian Nagelsmann den Journalisten vor. Tuchel, dem stets eine herausragende Fußball-Expertise, aber eben auch eine schwierige Wesensart attestiert wurde, schien letztere Charaktereigenschaft abgelegt zu haben.
Kurz gesagt: Der gebürtige Krumbacher hinterließ mächtig Eindruck.
WM-Qualifikation
Tuchel poltert und siegt: Der "Mann mit der Axt" wird populär
15/10/2025 um 14:39 Uhr
"Die DNA des Klubs ist, zu gewinnen. Es ist eine große Vorfreude für mich, hier zu arbeiten. Wir sind in der Lage, alle Titel zu gewinnen", gab Tuchel zu verstehen. Kurz darauf verspielte seine neue Mannschaft binnen kürzester Zeit sowohl den DFB-Pokal als auch die Champions League.
Tuchel und Bayern trennen sich im Sommer
Der erste Gegenwind blies Tuchel also - ganz bayerntypisch - schon in der vergangenen Saison ins Gesicht, weil er zumindest die Meisterschaft denkbar knapp über die Ziellinie rettete, flaute das Ganze jedoch zu einem lauen Lüftchen ab. Und nun?
Jetzt ist er bereits Geschichte - beide Seiten einigten sich am Mittwoch auf eine vorzeitigte Vertragsauflösung, allerdings erst zum Saisonende.
Wie konnte es soweit kommen? Nach der jüngsten Negativ-Serie von drei Niederlagen fällt der vermeintlich geläuterte Charmebolzen von März 2023 eher durch Dünnhäutigkeit, Ratlosigkeit und Zynismus auf, aus sportlicher Sicht begleiten den mittlerweile 50-Jährigen etliche Kritikpunkte.
Fehlende fußballerische Handschrift, mangelnde Kommunikation mit den Spielern und taktisches Verspekulieren wie neulich in Leverkusen (0:3) lauten beispielsweise die Vorwürfe.
Nun ist sein Engagement beim deutschen Rekordmeister freilich kein Zufall, bei seinen vorherigen Stationen Borussia Dortmund, Paris Saint-Germain und FC Chelsea stellte er seine Qualitäten unter Beweis, avancierte zu einem der gefragtesten Übungsleiter Europas.
Doch wie wurde Tuchel eigentlich im Ausland wahrgenommen? Wir haben bei den Kollegen in Frankreich beziehungsweise England nachgefragt - und überraschende Antworten erhalten.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/01/26/3873670-78706333-2560-1440.jpg)
Tuchel erklärt: "Titelfantasien sind unangebracht"
Quelle: Perform
Tuchel bei PSG: "Deutlich attraktiver"
"Fehlende Handschrift? Das Gegenteil war der Fall", sagt Fußball-Experte Cyril Morin von Eurosport in Paris: "Als er hier ankam, hat er PSG sofort eine neue spielerische Identität verpasst. Die Intensität war extrem hoch, seine Spieler immer in Bewegung." Unter Tuchel habe PSG laut Morin "deutlich attraktiver gespielt als unter den Nachfolgern Pochettino, Galtier oder Luis Enrique".
/origin-imgresizer.eurosport.com/2020/08/13/2863606-59018128-2560-1440.jpg)
Thomas Tuchel herzt Kylian Mbappé - Atalanta Bergamo vs. Paris Saint-Germain
Fotocredit: Getty Images
Zudem sei es Tuchel in beeindruckender Manier gelungen, große Namen wie Neymar oder Kylian Mbappé für seine Arbeit zu begeistern. Dass er in München als schlechter Kommunikator gilt, kann Morin dementsprechend nicht nachvollziehen: "Am Anfang gab es Zweifel, ob er mit den Superstars umgehen kann. Aber die Zweifel räumte er schnell aus. Er hatte ein sehr gutes Verhältnis mit ihnen."
Vor allem das K.o.-Turnier um den Champions-League-Titel im Corona-Jahr 2020 in Lissabon sei ein Indiz für die gute Beziehung zwischen Trainer und Team gewesen. Tuchel führte den Hauptstadtklub seinerzeit zum ersten und bis dato letzten Mal ins Finale der Königsklasse (0:1 gegen den FC Bayern).
Mit der Zeit traten allerdings Spannungen zwischen ihm und Sportdirektor Leonardo auf – und Tuchel offenbarte Muster, die ihm derzeit auch beim FCB angelastet werden. "Als es gut lief, war er sehr klar in seinen Pressekonferenzen, er war sehr beliebt für seine Ausführungen und taktischen Insides", sagt Morin: "Es war für uns Journalisten erfrischend, wie er über seine Mannschaft sprach."
Der Zynismus ist geblieben
Aber: "Am Ende, als es komplizierter wurde und sein Verhältnis zu Leonardo angekratzt war, wirkte er manchmal aggressiv und zynisch." Der Zynismus ist ihm also geblieben, wenn man sich heutzutage manch eine Pressekonferenz oder einige Interviews zu Gemüte führt.
Auf der Insel - während seiner Zeit bei Chelsea - ergab sich augenscheinlich ein ganz ähnliches Bild. Zunächst ordnete er erfolgreich ein neues Konstrukt, das 2021 sensationell die Champions League gewann. Nach und nach ging es jedoch dahin, wie Pete Sharland von Eurosport England erklärt: "Er hat eine klare Struktur implementiert und Chelsea vor allem in der Defensive stabilisiert", sagt Sharland: "Er hat es anfangs gut geschafft, seine Ideen zu vermitteln. Doch dann lief es nicht mehr so gut."
/origin-imgresizer.eurosport.com/2021/05/30/3142201-64399748-2560-1440.jpg)
Thomas Tuchel mit dem Champions-League-Pokal nach dem Finalsieg über Manchester City mit dem FC Chelsea 2020/21
Fotocredit: Getty Images
Vor allem Tuchels Gebaren nach verlorenen Spielen sorgte in England bisweilen für Stirnrunzeln. "Wir haben es zuletzt bei Bayern gesehen und haben uns an die Zeit bei Chelsea erinnert gefühlt. Tuchel wirkte oftmals ratlos und konnte öffentlich nicht erklärten, warum die Dinge falsch gelaufen sind", verrät Sharland. Auch in puncto Aufstellung habe sich nicht immer alles sofort erschlossen. "Manchmal hatte man das Gefühl, er will es allen mit ganz besonders ausgefallenen Ideen beweisen."
Tuchel bei Chelsea: "War verunsichert"
Dass die Ehe zwischen Tuchel und den Blues im September 2022 nach exakt 100 Pflichtspielen in die Brüche ging, war Sharland zufolge aber verschiedenen Faktoren geschuldet. Vor allem der Verkauf von Roman Abramowitsch an Todd Boehly im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine sorgte für Chaos im Verein. "Ich glaube, dass er (Tuchel, d. Red.) - wie alle anderen Leute im Verein - verunsichert war, der ganze Klub war orientierungslos."
Boehly und Tuchel gerieten nach Informationen der renommierten "Times" in Streit. Die Transferpolitik soll dem Deutschen sauer aufgestoßen sein. Eine weitere Parallele zu Tuchels Arbeit bei den Bayern, hatte er doch immer wieder öffentlich neue Spieler eingefordert. Was jedoch auch zur Wahrheit gehört: Seit seinem Abgang aus London sind die Blues trotz enormer Investitionen zu einer grauen Maus verkommen.
Tuchel ist eben ein besonderer Trainer, ein Coach mit einer ganz speziellen Ausstrahlung. Mal eloquent, mal spitzzüngig, mal selbstbewusst, mal dünnhäutig. Offensichtlich nicht nur während seiner Zeit an der Isar.
Das könnte Dich auch interessieren: Mögliche Tuchel-Nachfolger: Große Namen und der "Bayern-Killer"
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/02/14/3886031-78953553-2560-1440.jpg)
Tuchel sarkastisch: "De Ligt vor kurzem noch Nr. 4"
Quelle: Perform
Ähnliche Themen
Werbung
Werbung
/origin-imgresizer.eurosport.com/2025/01/06/image-ea4c9f95-f41e-4a1d-95f7-4af46e7639e1-68-310-310.jpeg)