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Deutschland - Nordirland | Bilanz des Umbruchs oder: Was Löw jetzt noch zu tun hat

Patrick Strasser

Publiziert 20/11/2019 um 10:40 GMT+1 Uhr

Bundestrainer Joachim Löw hat 2019 erst die drei Weltmeister Hummels, Boateng und Müller aussortiert, die Mannschaft konsequent verjüngt und neue Hierarchien geschaffen. Jetzt haben Dreierpacker Serge Gnabry & Co. geliefert: Mit dem Gruppensieg vor Holland. Eine Jahresbilanz nach dem 6:1 gegen Nordirland. Doch was gilt es vor der EM noch zu verbessern?

Bundestrainer Joachim Löw mit seinen Spielern

Fotocredit: Imago

Aus der Commerzbank-Arena in Frankfurt berichtet Patrick Strasser
Es passierte am Faschingsdienstag dieses Jahres, am 5. März. Und sie kamen nicht verkleidet. Bundestrainer Joachim Löw, sein Assistent Marcus Sorg sowie Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff reisten überraschend an die Säbener Straße, zum Gelände des FC Bayern. Sie hatten keine frohe Kunde im Gepäck. Löw und Co. teilten damals Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller mit, dass sie vorerst nicht mehr zum Kreis der Nationalelf zählen, nicht mehr nominiert werden. Kehraus für das Weltmeister-Trio von 2014.

Befreiungsschlag für Löw

In jedem Ende wohnt ein Anfang. Für Löw, seit dem katastrophalen Vorrunden-Aus bei der WM 2018 und dem (mittlerweile bedeutungslosen) Abstieg aus der Nations League im Herbst letzten Jahres angeschlagen und unter strenger Beobachtung von Fans und Medien, war es ein Befreiungsschlag. Er rief den Umbruch aus - jetzt endgültig. Für viele zu spät, dieser hätte schon nach der WM erfolgen sollen, unkten die Kritiker. "2019 ist für die deutsche Nationalmannschaft das Jahr des Neubeginns", erklärte Löw nachdem er das traurige Trio persönlich von seiner Entscheidung unterrichtet hatte und kündigte an: "Wir wollen den Umbruch, den wir Ende letzten Jahres eingeleitet haben, fortsetzen." Gesagt. Getan. Gelungen.

Beim flotten 6:1 zum Abschluss der EM-Qualifikation wie des Länderspieljahres 2019 gegen Nordirland zeigte die Umbruch-Mannschaft Spielfreude, Torhunger und damit ihr Potenzial für künftige Aufgaben. Der Gruppensieg vor den Holländern und die letztlich souveräne Qualifikation für die halbe Heim-EM 2020 (mit nun drei Vorrundenspielen in München) sind ein Erfolg. 2019 lieferte man nicht nur ein dickes Ausrufezeichen wie das 3:2 im März in Amsterdam, sondern konstant gute Ergebnisse. Der einzige Ausrutscher, die einzige Niederlage in zehn Partien war das 2:4 im September in Hamburg gegen Holland. Kann passieren. In zehn Spielen des Jahres gab es ansonsten sieben Erfolge (in den übrigen Quali-Spielen) und zwei Unentschieden (in den beiden Tests).
Was läuft gut, was noch nicht? Was gibt’s noch zu tun?

Was bereits funktioniert:

Löw hat neue Hierarchien geschaffen, klare Ansagen gemacht. Kapitän Manuel Neuer hat der Bundestrainer gestärkt, weil er den Anfang des Jahres ausgerufenen Konkurrenzkampf mit seinem Rivalen Marc-André ter Stegen wieder kassiert hat. Neuer ist die klare Nummer eins - zahlt das mit Leistung zurück. Der Bayern-Torhüter sowie Matthias Ginter, der neue Abwehrchef und Toni Kroos, der Spielmacher, bilden das Gerüst, die neue Achse. Sie sind nach der Ausbootung von Boateng, Hummels und Müller die letzten verbliebenen Weltmeister von 2014.
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Manuel Neuer

Fotocredit: Getty Images

Dazu kommen klare Aussagen von Löw: "Der Serge spielt bei mir immer", sagte der Bundestrainer über Bayerns Gnabry, der gegen die Nordiren drei Mal traf und nun 13 Treffer in 13 Länderspielen erzielt hat. Er ist Löws Zentrumsstürmer, für die Außen hat man Timo Werner, Leon Goretzka, Julian Brandt und Marco Reus. Vielleicht wird ja Leroy Sané (Kreuzbandriss im August) rechtzeitig zur EM fit. Gnabrys Kumpel Joshua Kimmich machte Löw zum unumstrittenen Sechser, der im neuen Mittelfeld-Dreieck mit Kroos und Ilkay Gündogan (bei einer offensiveren Aufstellung würde für ihn Leverkusens Super-Talent Kai Havertz spielen). Das Gefüge stimmt, ist von der Mannschaft akzeptiert.

Was noch nicht läuft:

Gegen Nordirland zeigte die verjüngte Mannschaft, was sie zuvor oft vermissen ließ: Konsequenz. Das Tempo durchziehen, nicht nachlassen. Ging zu oft schief in diesem Länderspieljahr. Löw über die Vorgaben vor dem 6:1 gegen die Nordiren: "Wir wollten auch noch einmal zeigen, dass wir ein Spiel über 90 Minuten durchziehen können, anders als in der zweiten Halbzeit in Holland und bei der zweiten Halbzeit gegen Argentinien, da haben wir zweimal geführt, aber unser Spiel nicht weiter durchgezogen."
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Deutschland - Argentinien

Fotocredit: Getty Images

Gegen Holland führte man 1:0, geriet in Rückstand, konnte dann auch das zwischenzeitliche 2:2 nicht halten. Gegen Argentinien verlor man die Kontrolle und den Sieg, aus einem 2:0 wurde ein 2:2. Hier fehlten noch Cleverness und Abgezocktheit, es muss öfter klappen als gegen Nordirland. Aber der Reifeprozess läuft.

Was es noch zu tun gibt:

Das Abwehrverhalten muss entschlossener und kompakter werden, in die Aufstellungen muss Konstanz rein - was man Löw nach den Langzeitverletzungen von Niklas Süle und Antonio Rüdiger, das für die EM eingeplante Innenverteidiger-Pärchen, nicht vorwerfen kann. Matthias Ginter und Jonathan Tah sind hervorragende Abwehrspieler, aber auf international höchstem Niveau nicht die Aushängeschilder. Auf den Außenverteidigerpositionen hat die DFB-Elf viel Auswahl (Klostermann, Kehrer und Can rechts sowie Schulz, Halstenberg und Hector links), aber keine Weltklasse. Hier sucht Löw noch nach der besten Lösung.
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Bundestrainer Joachim Löw mit Koch, Klostermann, Kimmich, Serdar

Fotocredit: Imago

Laut Löw steht "diese junge Mannschaft ganz am Anfang ihrer Entwicklung". Schließlich habe man wegen der vielen Verletzten im Herbst "einen Umbruch im Umbruch" gehabt. Sein Schlusswort: "Wir können zufrieden in die Länderspiel-Winterpause gehen, das Jahr war gespickt mit Problemen und Herausforderungen." Ende März stehen die ersten EM-Tests an, unter anderem in Madrid gegen Spanien. Auf ein Neues in 2020!
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