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EM 2016 - Taktik-Check: Darum fallen so wenige Tore bei der EURO in Frankreich

Luca Baier

Publiziert 21/06/2016 um 10:15 GMT+2 Uhr

Bisher zeichnet sich die EM 2016 bis auf wenige Ausreißer dadurch aus, dass vor den Toren nicht allzu viel los ist - knappe, torarme Spiele sind die Regel. Zuletzt gab es in vier der fünf 21-Uhr-Partien ein 0:0, obwohl Größen wie Deutschland, Portugal, Frankreich und England mitwirkten. Eurosport.de analysiert, warum und wie der neue Turniermodus die strategische Ausrichtung der Teams beeinflusst.

Keine Tore bei der EM: Mesut Özil (l.) und Robert Lewandowski

Fotocredit: Eurosport

Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive gewinnt Titel. Dieser Klassiker der Fußballweisheiten bewahrheitet sich bei der Europameisterschaft 2016 einmal mehr - zumindest bis jetzt. Nur selten setzt sich ein Team deutlich durch, auch torreiche Unentschieden sind die Ausnahme. Doch nicht nur die Ergebnisse unterstreichen den Defensivfokus der Trainer bei diesem Turnier.
Im klassischen 4-4-2 und der davon abgeleiteten Variante 4-2-3-1 wird das Zentrum vornehmlich von vier Spielern verteidigt. Aktuell geht der Trend jedoch zu Systemen mit Dreierkette, die in der Defensive zu einer Fünferkette wird. Es agieren also drei Innenverteidiger hinter der Doppelsechs, was den Weg durchs Zentrum für den Gegner natürlich erschwert.

Neue Zauberformel erschwert es Kreativen wie Özil

Weil einige Trainer sogar mit drei zentralen Mittelfeldakteuren vor der Dreier- bzw. Fünferkette spielen lassen, versperren immer wieder sogar sechs Spieler die goldene Mitte. Dass sich gerade Kreative wie Mesut Özil, die sich gerne im Raum zwischen Mittelfeld und Abwehr herumtreiben, so schwer tun, ist also durchaus nachvollziehbar.
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Zlatan Ibrahimovic (Schweden) im Kopfball gegen Italien

Fotocredit: AFP

Die Aufteilung mit sechs eher defensiv ausgerichteten Spielern im Zentrum ist jedoch keineswegs eine Strategie der "kleineren" Mannschaften: Italien wird dem Catenaccio-Klischee gerecht und zermürbt die Gegner im 5-3-2. Die Defensivtaktik machte sich bislang jedoch bezahlt. Sowohl gegen die nominell sehr starken Belgier als auch gegen Schweden zogen die Italiener ihr Konzept durch und holten sechs Punkte - ohne Gegentreffer.

Ballbesitz als Verteidigung

Neben dem Versperren des Zentrums und dem Fokus auf Konter gibt es auch "offensivere“ Varianten der Defensivstrategien dieser EM. Topteams wie Deutschland und Spanien kontrollieren die Spiele durch viel Ballbesitz. Dieser Ballbesitz ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem dominanten Pass- und Positionsspiel des FC Bayern oder FC Barcelona.
Sowohl Joachim Löw als auch Vicente Del Bosque haben ihrer Mannschaft offensichtlich ein risikoarmes Spiel verordnet. So rückt in der Regel nur ein Außenverteidiger auf, zudem gibt es kaum Pässe in die durch die zusätzlichen Innenverteidiger und Sechser ohnehin kleiner gewordenen Schnittstellen.
Statt kleinräumigen Kombinationen oder Dribblings gegen mehrere Gegner wird der Ball lieber nach außen gespielt. Dort ist das Risiko eines Ballverlustes kleiner, da der Defensivfokus ganz klar auf dem Zentrum liegt. Und wird der Ball doch einmal verloren, ist die Kontergefahr von dort nicht ansatzweise so groß wie nach Ballverlusten im Zentrum - der Gegner kann nämlich leichter von seinen Mitspielern isoliert werden, zudem sind die Passoptionen deutlich begrenzter als in der Mitte.

Safety first - dem neuen Modus sei Dank

Viele Teams treten noch defensiver auf als sonst, zudem sind die Favoriten merklich auf der Hut vor gegnerischen Kontern und gehen deshalb selbst extrem wenig Risiko. Dies hat nicht zuletzt mit dem neuen Turniermodus zu tun. Weil auch vier der sechs Gruppendritten ins Achtelfinale einziehen, wird jedes Unentschieden gerne mitgenommen. Da ist es wenig verwunderlich, dass bei Gleichstand bislang fast ausschließlich positionsgetreue oder sogar defensive Auswechslungen vorgenommen werden.
Verständlich also, dass viele der bisherigen Spiele eher zäh abgelaufen sind. Die Rechnung ist einfach: Mit drei Unentschieden ist es sehr wahrscheinlich, unter den vier besten Gruppendritten zu landen. Lediglich Teams, die vor dem letzten Gruppenspiel mit dem Rücken zur Wand stehen, werden risikoreich agieren und auf Sieg spielen - Russlands Rettungsversuch gegen Wales ging so jedoch völlig in die Hose.
Wer sich nach der Gruppenphase eine Besserung in Sachen Spektakel erhofft, dürfte jedoch enttäuscht werden: Gerade in der K.o.-Phase wird traditionell weniger riskiert und die Spiele häufiger von Kontern oder Standardsituationen entschieden. Fußball ist ein Fehlerspiel. Noch so eine Weisheit.
Jetzt seid Ihr gefragt: Sind Spiele mit wenigen Toren einfach nur langweilig oder sind die knappen Partien mit dem Warten auf DIE EINE Aktion das Salz in der Suppe? Diskutiert im Kommentarbereich!
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