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EM 2016 - Taktik-Check: Die drei Taktik-Trends der EURO

Luca Baier

Update 13/07/2016 um 07:03 GMT+2 Uhr

Eurosport.de analyisert die Taktik-Trends der Fußball-EM 2016 in Frankreich und beantwortet die Fragen: Ist die falsche Neun Geschichte? Gibt es eine Rückkehr zur Manndeckung? Warum agieren immer mehr Mannschaften mit drei Innenverteidigern?

Taktikcheck zur EM: Diese Trends bleiben

Fotocredit: Imago

Ein fußballerisches Großereignis wie eine Europameisterschaft liefert immer auch einen Überblick über den internationalen Status Quo in Sachen Taktik. Beim Turnier in Frankreich fielen besonders drei Dinge auf.
Vive le Mittelstürmer!
Körperlich starker Mittelstürmer? Oder ein quirliger, technisch starker Akteur, der sich immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen lässt? Die Antwort lautet: Beide! Während sich das Modell der falschen Neun in den vergangenen Jahren immer öfter durchgesetzt hatte, erlebten die klassischen Mittelstürmer bei diesem Turnier eine kleine Renaissance.
Besonders im Zusammenspiel mit einem Spielertyp, der auch als falsche Neun agieren könnte, waren die "echten Neuner" stark. Olivier Giroud machte seine Sache als Zielspieler bei den Franzosen beispielsweise sehr gut und ermöglichte Antoine Griezmann durch seine körperliche Präsenz in der Sturmspitze größere Freiräume – diese nutzte Griezmann für den Titel des Torschützenkönigs und wurde darüber hinaus noch Spieler des Turniers.
Bei der deutschen Nationalmannschaft präsentierte Mario Gomez einmal mehr, wie wertvoll ein Stürmer sein kann, der bei Hereingaben von den Flügeln mit Tempo vors Tor stößt und sich dort auch gegen die kantigsten Innenverteidiger behauptet. Graziano Pellè ergänzte sich bei den Italienern hervorragend mit dem schnellen Éder zu einem nahezu klassischen Sturmduo – Zielspieler Pellè verlängerte die hohen Bälle, Éder ging in die Tiefe.
Klare Zuordnungen im Mittelfeld
Dass es bei dieser EM viele eher zäh anzusehende Spiele gab, lag nicht einzig und allein am Spielmodus. Nahezu jede Partie war von Mannorientierungen im Mittelfeld geprägt. Zwar war keine klassische Manndeckung über die ganze Breite und Länge des Platzes erkennbar, dennoch verfolgten gerade die zentralen Mittelfeldspieler immer wieder ihre nominellen Gegenspieler.
Die Folge: Für die Abwehrspieler war es im Spielaufbau oftmals schwierig, einen konstruktiven Pass in die gegnerische Hälfte zu spielen. Das Risiko, den Ball an den verfolgenden Gegenspieler zu verlieren, wollten die meisten Sechser offenbar nicht eingehen und versteckten sich daher bei Ballbesitz der eigenen Innenverteidiger. So wurde der Ball nicht selten lange innerhalb der Viererkette gehalten, häufig wurde das Mittelfeld anschließend durch einen langen Ball in die Spitze überspielt.
Eine gut eingespielte, mutige Mannschaft kann solche Mannorientierungen eigentlich leicht bespielen und in eigene Torchancen ummünzen. Durch gut getimte Laufwege kann der Bereich zwischen Abwehr und Mittelfeld des Gegners geöffnet werden, wo sich der Mittelstürmer oder die eingerückten Flügelspieler anbieten. Weil besonders in den K.o.-Spielen jedoch die Vorsicht oder gar Angst vor Fehlern dominierte und Nationalmannschaften schlichtweg nicht so eingespielt sein können wie gute Vereinsmannschaften, sah man diese Spielzüge nur selten.
Dreierkette? Vierekette? Fünferkette? "Flexi-Kette"!
Was sich im Vereinsfußball schon im Verlauf der letzten Saison angedeutet hat, zog sich auch durch die Europameisterschaft: Immer mehr Mannschaften weichen von der klassischen Viererkette ab und agieren mit drei Innenverteidigern. Oberstes Ziel dabei: Das Zentrum soll versperrt werden.
Der zusätzliche Innenverteidiger versperrt logischerweise weitere Passwege hinter die Abwehrkette, zudem werden die Schnittstellen zwischen den Innenverteidigern kleiner. So wird der Gegner also gezwungen, nach außen zu spielen – von hier ist der Weg zum Tor weiter, zudem lässt sich in dem Bereich wegen der Begrenzung durch die Auslinien besser doppeln.
Im Verlauf der Partien wurden die Dreierketten immer wieder von den Flügelspielern ergänzt: Mal ließen sich beide zurückfallen und bildeten so eine Fünferkette, mal schob nur der ballferne Flügelspieler ein, wenn der ballnahe Innenverteidiger rausrückte. Diese flexiblen Dreier-, Vierer- und Fünferketten wurden unter anderem von Italien und Wales gespielt, auch die deutsche Mannschaft lieferte eine taktisch sehr reife Leistung mit drei Innenverteidigern im Viertelfinale gegen Italien ab.
Dass aus einer flexiblen Abwehrkette immer wieder einzelne Akteure im Spielaufbau nach vorne schieben und so für Lösungen im von Mannorientierungen geprägten Mittelfeld sorgen können, ist ein weiterer Vorteil.
Eurosport-Check: Während die Mannorientierungen im Mittelfeld wohl hauptsächlich ein Mittel dazu waren, die nur spärlich ausgeprägten Automatismen der selten zusammen trainierenden Nationalmannschaften auszunutzen, sind die anderen Trends durchaus auf den Vereinsfußball übertragbar. Das Zusammenspiel zwischen „echten“ und „falschen“ Neunern hat sich ebenso bewährt wie die flexiblen Abwehrketten, die häufig aus Innenverteidigern und (gelernten) Mittelfeldspielern bestanden. Es wird spannend sein zu sehen, welche Schlüsse die Toptrainer dieser Welt aus der EM ziehen und inwiefern sie die Trends in ihren Vereinsmannschaften aufgreifen.
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