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Katrin Rafalski im Interview: Deutschlands Schiedsrichterin des Jahres fordert bessere Bezahlung im Frauen-Fußball

Steffen Schneider

Update 20/08/2022 um 10:24 GMT+2 Uhr

Katrin Rafalski wurde während der EM 2022 in England zu Deutschlands Schiedsrichterin des Jahres gewählt - eine große Ehre für die 40-Jährige, die auch bei den Männern aktiv ist. Im Interview spricht Rafalski über ihren Job, den Hype nach der Europameisterschaft, die strittige Szene im Finale zwischen England und Deutschland und das Debattenthema Gehälter im Frauenfußball.

Katrin Rafalski im Einsatz

Fotocredit: Imago

Mehr als 100 Spiele hat Katrin Rafalski in der Frauenfußball-Bundesliga geschiedst und ist auch als Assistentin im Männer-Fußball in der 2. Bundesliga sowie 3. Liga unterwegs.
Bei der Europameisterschaft war sie eine von zwei deutschen Schiedsrichterinnen. Die für den hessischen TSV Besse pfeifende Unparteiische kam an der Seite Riem Husseins als Assistentin zu einem Einsatz - mehr war aufgrund des guten Abschneidens der deutschen Frauen-Nationalmannschaft nicht drin.
Vor Kurzem erst wurde die 40-Jährige neben Deniz Aytekin zu Deutschlands Schiedsrichterin des Jahres ausgezeichnet.
Im Interview spricht Rafalski über die Lehren der EM und die nächste Bundesliga-Saison.
Das Interview führte Steffen Schneider
Frau Rafalski, waren Sie enttäuscht, nur einen Einsatz bei der EM bekommen zu haben?
Katrin Rafalski: Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sportlich war es enttäuschend. Aber: Bei so einem Turnier gibt es Umstände, die man nicht beeinflussen kann, das ist das Los einer Schiedsrichterin. Wenn die deutsche Mannschaft erfolgreich spielt, bekomme ich nicht viele Einsätze. Ich habe mich sehr gefreut über den tollen Fußball der deutschen Elf.
Im Laufe des Turniers wurden sie vom DFB als Schiedsrichterin des Jahres geehrt. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Rafalski: Sie macht mich sehr stolz und ist ein Zeichen absoluter Wertschätzung – zumal ich überwiegend als Assistentin tätig bin: Das gab es bei den Männern noch nie.
Als Linienrichterin ein Teil des Schiedsrichtergespanns – Ihre Paraderolle?
Rafalski: Ich pfeife gern, muss aber nicht die Chefin auf dem Platz sein. Ich fühle mich an der Linie wohler und bin dort auch erfolgreicher.
Im Gruppenspiel zwischen England und Norwegen wiesen sie Schiedsrichterin Riem Hussein auf eine vermeintliche Abseitsstellung hin, ein Tor wurde zunächst nicht gewertet. Der VAR korrigierte den Fehler. Was denkt eine Schiedsrichter-Assistentin in diesem Moment?
Rafalski: Ich habe die Szene falsch wahrgenommen. Bei der Überprüfung durch den VAR dachte ich dann: Jungs, was checkt ihr da so lang? Das ist im ersten Moment kein gutes Gefühl – ein Tor zu klauen wäre aber viel schlimmer. Zum Glück war jemand da, der meinen Fehler reparieren konnte.
Nach dem EM-Finale herrschte großer Unmut über ein nicht geahndetes Handspiel der Engländerin Leah Williamson im Strafraum. Wie beurteilen Sie die Szene?
Rafalski: Eine schwierige und komplexe Situation. Bei den ersten Fernsehbildern habe ich gedacht: Hier würde ich als VAR nicht einschreiten. Mit den später zu sehenden Bildern muss man leider klar sagen: Es war ein Elfmeter für die deutsche Mannschaft. Vielleicht hat der VAR die entscheidende Kameraperspektive übersehen.
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Diese Szene sorgte im EM-Finale für Aufregung

Fotocredit: Getty Images

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg zeigte anschließend Größe in der Niederlage.
Rafalski: Dafür hat sie meinen größten Respekt. Am Spielfeldrand ist sie emotional, schießt aber nie über das Ziel hinaus. Sich nach dem Finale so zu verhalten, sich so sachlich zu äußern - ich rechne ihr das hoch an.
Fast 18 Millionen Zuschauer bescherten der ARD eine Rekordeinschaltquote beim Finale. Ist die durch die EM entfachte Begeisterung übertragbar auf die Bundesliga?
Rafalski: Es war ein toll organisiertes Turnier mit einer positiven Stimmung im Land. Eigentlich ähnlich wie bei der WM 2011 in Deutschland. Ich hoffe sehr, dass der Hype um den Frauenfußball nun anhält, dass die Bundesliga-Stadien besser gefüllt werden. Zum Beispiel beim Eröffnungsspiel zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München im September: Es wäre doch toll, wenn beide Klubs möglichst viele Fans mitbringen.
Wie attraktiv Frauenfußball ist, hat man bei der EM gesehen. Es wäre schön, wenn das honoriert würde.
Sie sind seit langem in der Bundesliga aktiv. Was hat sich in den vergangenen Jahren aus Sicht einer Schiedsrichterin dort verändert?
Rafalski: Die Frauenteams haben technisch schon immer einen guten Fußball gespielt. Das Spiel ist aber viel schneller, athletischer und dadurch auch attraktiver geworden. Aus meiner Sicht eine starke Entwicklung: Das Turnier in England hat tolle, schnelle Partien geboten – wie attraktiv Frauenfußball ist, hat man bei der EM gesehen. Es wäre schön, wenn das honoriert würde.
In Form einer besseren Bezahlung?
Rafalski: Ja, die Spielerinnen müssten mehr verdienen. Sie trainieren jeden Tag, nehmen über Jahre berufliche Einbußen in Kauf. Ihre Bezahlung muss so sein, dass sie keine Angst haben müssen, sich nicht fragen müssen: Was passiert, wenn ich mal nicht mehr spielen kann?
Wären Sie als Schiedsrichterin gern Profi?
Rafalski: Ich habe einen Job als röntgentechnische Assistentin in einer hessischen Klinik. Ich arbeite sehr gern und würde meinen Job gar nicht aufgeben wollen. Wenn du ausschließlich Schiedsrichterin bist, beschäftigst du dich nur noch mit Fußball. Schwierig, dann mal an etwas anderes zu denken. Ich habe für mich einen guten Weg gefunden.
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