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Antoine Griezmann erlebt bei Atlético Madrid zweiten Frühling: Franzose mit 32 in der Form seines Lebens

Thomas Gaber

Update 01/02/2024 um 10:24 GMT+1 Uhr

2019 verließ Antoine Griezmann Atlético Madrid und floppte beim FC Barcelona. Atlético nahm den verlorenen Sohn zwei Jahre später gegen heftigen Widerstand der eigenen Fans wieder auf - und der Franzose startete noch einmal richtig durch. In der aktuellen Saison hat er bereits 18 Pflichtspieltore erzielt. Jetzt will der 32-Jährige gleich zwei offene Rechnungen begleichen.

Antoine Griezmann von Atlético Madrid

Fotocredit: Getty Images

Antoine Griezmann hatte im Eifer des Gefechts etwas vergessen. Der Rahmen war aber auch überwältigend und der Moment fast schon kitschig schön. Pokal-Achtelfinal-Derby zwischen Atlético und Real Madrid, Verlängerung. Griezmann fängt eine schlampige Ballannahme von Vinicius jr. ab und steuert über rechts auf den Real-Strafraum zu.
Vini jr. versucht noch, den Franzosen einzuholen - angesichts seiner Tempovorteile kein aussichtsloses Unterfangen. Doch Griezmann schüttelt den lästigen Gegenspieler ab, kurvt Richtung Tor und wuchtet den Ball mit seinem linken Fuß aus spitzem Winkel in den Giebel.
Auch wenn es in Realgeschwindigkeit zunächst anders aussah, ist Real-Torhüter Andriy Lunin kein Vorwurf zu machen. Dieses geniale Geschoss war nicht zu halten. Als eines der "besten Tore, die ich jemals gesehen habe" stufte Atlético-Trainer Diego Simeone Griezmanns Treffer zum 3:2 (Endstand 4:2) für die Rojiblancos ein. Plötzlich sei "ein magischer Fußballer aufgetaucht" und habe für ein absolutes Highlight gesorgt, so Simeone.
Griezmann riss sich in der Emotion das Trikot vom Leib und rannte von dannen, anstatt seinem Ritual nach Toren für Atlético treu zu bleiben: dem Kuss auf das Wappen. Die Fans werden ihm diesen Tabubruch verziehen haben, schließlich ebnete Griezmann den Weg zum Sieg über den verhassten Stadtrivalen.

Griezmanns "Vermächtnis wird immer größer"

Es war Griezmanns 175. Pflichtspieltreffer für die Rotweißen. Vor dem Spiel war er für den neuen Vereinsrekord von 174 Toren geehrt worden. Klub-Legenden wie Luis Aragones, Fernando Torres oder Sergio Agüero haben das Nachsehen im Vergleich zum Franzosen, der vielleicht nie besser war als jetzt mit 32 Jahren.
"Griezmann arbeitet bei Atlético an seinem Vermächtnis, das immer größer wird", schrieb die Zeitung "AS". Simeone meinte, der Verein könne sich "sehr glücklich schätzen, diesen außergewöhnlichen Fußballer" in seinen Reihen zu haben.
"Als Persönlichkeit und Leader ist Antoine für uns nicht zu ersetzen. Und er ist jung, aber ich spreche nicht über das Alter. Er hat eine unglaubliche Vitalität und ein unglaubliches Verständnis für das Spiel. Wenn er weniger Energie hat, wird er auf anderen Positionen spielen. Ich bin froh, dass ich mit ihm arbeiten darf", sagte der Argentinier, seit 2011 ununterbrochen Cheftrainer von Atlético.

Griezmann schließt Frieden mit den Atlético-Anhängern

Bereits zwischen 2014 und 2019 trainierte Simeone Griezmann in Madrid. Nach fünf Jahren suchte Griezmann eine neue Herausforderung und wechselte für 120 Millionen Euro Ablöse zum FC Barcelona. Für Fans der Rojiblancos wurde der einstige Publikumsliebling zur "Persona non grata". Glücklich wurde Griezmann in Katalonien nie - trotz einer vernünftigen Quote an Toren und Assists (52 Scorerpunkte in 102 Pflichtspielen).
2021 nahm Atlético den verlorenen Sohn wieder auf, zunächst auf Leihbasis und gegen den Widerstand der Fans. Bei einer Unterschriftensammlung sollen sich knapp 50.000 Anhänger gegen eine Rückkehr von Griezmann ausgesprochen haben. Die ersten Monate an alter Wirkungsstätte wurden für den Spieler zum Spießrutenlauf.
Doch Griezmann verkroch sich nicht, sondern ging auf die Fans zu. "Ich habe ihnen damals sehr wehgetan. Sie haben mir alles gegeben und am Ende bin ich gegangen, weil ich das brauchte. Ich als Fan wäre auch sehr wütend gewesen. Es ist das, was ich verdient habe", sagte er dem Magazin "Moviestar".
Er sei aber bescheiden geworden und hätte daran gearbeitet, die Fans zurückzugewinnen: "Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich diese Beziehung zu den Fans brauche. Ich brauche ihre Liebe, ihre Unterstützung, um auf höchstem Niveau zu spielen." Für Simeone war immer klar, "dass Antoine irgendwann zu uns zurückkommen muss".
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Ritual nach Toren: Antoine Griezmann küsst das Wappen von Atlético Madrid

Fotocredit: Getty Images

Griezmann profitiert von einer offensiveren Spielweise bei Atlético

In dieser Saison profitiert Griezmann von Simeones taktischer Anpassung hin zu einer offensiveren Ausrichtung. Jahrelang stand Atlético für knallhartes Verteidigen und generell ein sehr physisches Spiel. Ein 1:0 ist Simeone immer noch lieber als ein 4:3, doch die spektakulären Spiele von Atletico häufen sich. 3:3, 4:3, 3:5, 4:2 lauteten die Resultate in vier der letzten zehn Partien.
War Griezmanm im ersten Jahr seit seiner Rückkehr oft nur Reservist, trumpft er inzwischen wieder groß auf. Simeone, eigentlich auch auf dem Platz ein Diszplinfanatiker, gewährt seiner Nummer 7 alle Freiheiten. Im von Simeone bevorzugtem 3-5-2 spielt Griezmann auf dem Papier zweite Spitze, meistens neben Alvaro Morata.
Doch seine Spielintelligenz, das Gespür für den Raum und den richtigen Zeitpunkt, dort hineinzustoßen, gepaart mit perfekter Ballbehandlung und seinen Abschlussqualitäten, machen Griezmann für jeden Gegner unberechenbar.

Negativ-Erfahrungen in großen Finals

In der ewigen Diskussion über die besten Angreifer im Weltfußball kommt sein Name zu kurz. Kylian Mbappé, Erling Haaland, Harry Kane und mit Abstrichen noch Victor Osimhen und Lautaro Martinéz - das war's dann. Griezmann hätte etwas mehr Wertschätzung verdient, auch wenn es um Individualpreise bei Fußballerwahlen geht.
Das hängt vielleicht auch mit den fehlenden großen Titeln zusammen. 2018 wurde Griezmann mit Frankreich Weltmeister. Doch die Misserfolge in den ganz großen Spielen überwiegen. 2016 verlor er mit Atlético das Champions-League-Finale im Elfmeterschießen gegen Real, ein paar Wochen später das Endspiel bei der Heim-EM gegen Portugal (0:1). Und im WM-Finale 2022 hatte Argentinien in der Elferlotterie die besseren Nerven.
Diesbezüglich kann Griezmann in diesem Jahr gleich zwei Makel ausradieren. Die Titel in der Königsklasse und der Europameisterschaft fehlen ihm noch in der Sammlung. In der Champions League gehört Atlético nicht zu den Topfavoriten, das war aber 2014 und 2016 nicht anders, als die Rojiblancos jeweils das Finale erreichten.
Als Real-Coach Carlo Ancelotti das Aus in der Copa de Rey erklären sollte, verwies er auf die Stärken des Gegners und bezeichnete Atlético als eines der "besten Teams in Europa". Und wer im Sommer in Deutschland Europameister werden will, muss erstmal an der Equipe Tricolore vorbei. Es herrscht in Fachkreisen Einigkeit darüber, dass die Franzosen seit Jahren den besten Kader auf dem Kontinent haben.
2024 könnte ein besonderes Jahr werden für Antoine Griezmann. Unabhängig von der Teilnahme an weiteren großen Finals arbeitet er an seinem Vermächtnis.
Und da ist Griezmann auf einem verdammt guten Weg.
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