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FC Chelsea nach dem Abtritt von Roman Abramowitsch: Was den Blues jetzt blüht

Dennis Melzer

Update 05/03/2022 um 09:16 GMT+1 Uhr

Beim FC Chelsea endet dieser Tage eine Ära: Roman Abramowitsch, der den Klub 2003 als graue Maus der Premier League übernommen und in der Folge zu einem europäischen Schwergewicht geformt hatte, gab am Mittwochabend bekannt, den Klub verkaufen zu wollen. Eine Zäsur für die Blues, die nun vor einer ungewissen Zukunft stehen. Wie geht es beim amtierenden Champions-League-Sieger weiter?

Roman Abramowitsch wird den FC Chelsea verkaufen

Fotocredit: Getty Images

Vor 19 Jahren war es um den FC Chelsea sowohl aus sportlicher als auch aus finanzieller Sicht nicht sonderlich gut bestellt. Keinerlei Chancen auf nationale, geschweige denn internationale Titel, zudem drohte dem Klub aus dem Londoner Westen die Pleite.
Plötzlich erschien ein Mann auf der Bildfläche, der den meisten Engländern bis dato kein Begriff war, ein Mann, der seinerzeit über ein nahezu groteskes Vermögen von über zehn Milliarden Dollar verfügte und offiziell als Gouverneur der abgelegenen Pazifik-Halbinsel Tschukotka wirkte: Roman Abramowitsch, ein russischer Oligarch, der seine Leidenschaft für den europäischen Fußball entdeckt hatte.
Die Legende besagt, Abramowitsch sei im Jahr 2003 nach einem Besuch in Manchester, wo er einen möglichen Kauf des englischen Rekordmeisters Manchester United ausgelotet habe, über London geflogen und habe aus dem Fenster ein Stadion erspäht. "Wessen Stadion ist das?" soll Abramowitsch gefragt haben. Die Antwort: "Chelsea."
Ob die Stamford Bridge aus der Vogelperspektive tatsächlich so imposant war und dafür sorgte, dass Abramowitsch satte 140 Millionen Euro investierte, um den klammen Verein hochzupäppeln, ist nicht verifiziert. Abramowitsch schilderte das Ganze etwas weniger romantisch: "Nach einem 4:3 von Real Madrid gegen Manchester United dachte ich mir: Du musst unbedingt einen Fußball-Klub kaufen. Ich ließ zehn englische Vereine analysieren. Chelsea schien mir die beste Wahl."

Abramowitsch: "Spaß" und 21 Titel

Interviews mit ihm waren damals ungefähr so rar gesät wie Champions-League-Teilnahmen der Blues. In einem seiner wenigen Gespräche mit der Presse erklärte Abramowitsch bei der "BBC": "Ich will mein Geld nicht wegwerfen, aber es geht wirklich darum, Spaß zu haben, und das bedeutet Erfolg und Trophäen." Ein kostspieliges Hobby.
Seinen Spaß dürfte Abramowitsch indes gehabt haben. 21 Titel, darunter zweimal die prestigeträchtigste aller Trophäen, der Königsklassen-Henkelpott, sammelte Chelsea unter dem finanzkräftigen Besitzer. Nachdem Abramowitsch rund zwei Milliarden Dollar in den CFC gepumpt hat, um hochklassige Spieler in die englische Hauptstadt zu lotsen und deren exorbitante Gehälter zu zahlen, ist Schluss.
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Der FC Chelsea gewann im vergangenen Jahr die Champions League

Fotocredit: Getty Images

Am Mittwochabend gab der Verein ein offizielles Statement heraus und bestätigte das, was tags zuvor bereits die mediale Runde gemacht hatte: Abramowitsch, der aufgrund seiner angeblichen Nähe zu Russlands Präsidenten Vladimir Putin in die Bredouille geraten war, wird den FC Chelsea verkaufen.
Bereits am Samstag, kurz nachdem Putin seinen Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet hatte, übertrug Abramowitsch "die Verantwortung und Fürsorge" für den Verein an die wohltätige Chelsea-Stiftung. "In meinen fast 20 Jahren als Eigentümer des FC Chelsea habe ich meine Rolle immer als Hüter des Klubs gesehen, dessen Aufgabe es ist, sicherzustellen, dass wir so erfolgreich sind, wie wir es heute sein können, um gleichzeitig für die Zukunft zu planen und ebenso eine positive Rolle in der Gesellschaft zu spielen", ließ der 55-Jährige über die vereinsinternen Kanäle verlauten.

"Entscheidungen im besten Interesse des Klubs"

Er ergänzte: "Ich habe Entscheidungen immer im besten Interesse des Klubs getroffen." Ähnliche Worte fand er, als er über seinen endgültigen Rückzug informierte: "Ich glaube, dass ich mit der Entscheidung im besten Interesse des Klubs, der Fans, der Mitarbeiter, Sponsoren und Partner handele", wurde er auf der offiziellen Homepage der Londoner zitiert. Weiter hieß es: "Ich werde keine Rückzahlung von Krediten verlangen. Zudem habe ich mein Team beauftragt, eine gemeinnützige Stiftung zu gründen, in die der gesamte Reinerlös aus dem Verkauf fließen wird."
Die Stiftung soll allen Opfern des Ukraine-Krieges zugutekommen und eine Unterstützung für den langfristigen Wiederaufbau beinhalten. Der Verkauf werde nicht kurzfristig, sondern in einem "geordneten Prozess" erfolgen. Doch was bedeutet dieser grobe Einschnitt nach 19 Jahren für den Verein und seine Protagonisten wie Thomas Tuchel oder die deutschen Nationalspieler Kai Havertz, Timo Werner und Antonio Rüdiger?
"Das ist hart. Ich habe das noch nicht richtig verdaut", sagte Tuchel nur wenige Stunden nach Bekanntgabe des Verkaufs bei "Sky Sports". Der ehemalige BVB-Trainer weiter: "Das ist natürlich eine massive Kursänderung. Da haben wir vorher nicht drüber gesprochen." Inzwischen sieht es anders aus, wie Tuchel am Freitag auf einer Pressekonferenz klarstellte. "Es gab ein Gespräch zwischen Petr (Cech, technischer Direktor, Anm. d. Red.), mir und den Spielern", so Tuchel.
Er führte aus: "Meine Kommunikation mit Petr und Marina (Granowskaja, Sportdirektorin, Anm. d. Red.) war vom ersten Tag an perfekt. Es besteht kein Zweifel, dass wir das in den nächsten Tagen und Wochen beibehalten können. Ich hoffe, es geht mit diesem Personal weiter. Aber wenn nicht, passen wir uns an." Tuchel spielte damit auf die ungewisse Zukunft der sportlichen Leitung um Granowskaja und den Vorstandsvorsitzenden Bruce Buck an.
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Chelsea-Teammanager Thomas Tuchel

Fotocredit: Getty Images

Tuchel schwört Chelsea die Treue

Ob die Führung in ihrer aktuellen Form Bestand hat, ist derzeit nicht gesichert. Tuchel kündigte an, dem FC Chelsea auch im Falle eines Wechsels auf der Chefetage treu zu bleiben. "Es gibt eine gewisse Unsicherheit, aber gibt es die im Arbeitsleben eines Fußball-Trainers nicht immer?", sagte der 48-Jährige und schob nach: "Aus meiner Perspektive passt Chelsea perfekt für mich. Ich liebe es, hier zu sein, ich liebe alles an dem Klub und hoffentlich geht es so weiter."
Weil ihm - wie vielen anderen Oligarchen - in England Sanktionen drohen, scheint Abramowitsch trotz des angekündigten "geordneten Prozesses" an einer schnellen Abwicklung interessiert zu sein. Der "Telegraph" berichtete, dass Abramowitsch eine Frist bis zum 15. März gesetzt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt werden Angebote erwartet, andere Medien gingen davon aus, dass noch in der laufenden Woche Offerten eingehen könnten.
Nachdem der "Telegraph" kürzlich den ägyptischen Chelsea-Fan und Multimilliardär Loufty Mansour als Interessenten ins Spiel gebracht hatte, ließ dieser am Freitag über einen Sprecher verkünden: "Angesichts der jüngsten Medienspekulationen möchten wir klarstellen, dass wir derzeit kein Angebot für den Chelsea Football Club anstreben."
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Tuchel bekennt sich zu den Blues: "Chelsea passt perfekt zu mir"

Schweizer Geschäftsmann gilt als Top-Kandidat

Als Top-Kandidat für den Erwerb des amtierenden Champions-League- und Klub-WM-Siegers gilt ohnehin der Schweizer Geschäftsmann Hansjörg Wyss (Nettovermögen laut "Forbes": 5,1 Milliarden Dollar). Der 86 Jahre alte Berner bestätigte kürzlich der Boulevard-Zeitung "Blick", dass er „mit drei weiteren Personen am Dienstag ein Angebot erhalten“ habe, "um Chelsea von Abramowitsch zu kaufen."
Grundsätzlich könne er sich "den Einstieg bei Chelsea mit Partnern gut vorstellen", allerdings fordere "Abramowitsch derzeit viel zu viel." Fachleute taxieren den Wert des Vereins auf rund 2,4 Milliarden Euro. Wenn Wyss einsteigt, dann nicht alleine. Der US-amerikanische Investor Todd Boehly gilt laut englischen Medien als potenzieller Partner. Boehly hält bereits Anteile am US-Baseball-Team Los Angeles Dodgers sowie an den Los Angeles Lakers.
Viele andere Interessenten stehen derzeit nicht im Fokus, das Angebot von UFC-Legende Conor McGregor, der auf Twitter einen WhatsApp-Chat ("Chelsea ist für drei Milliarden zu haben. Lass es uns kaufen") postete und mit den Worten: "Ich würde das gerne prüfen" versah, darf eher als Scherz denn als tatsächliches Vorhaben eingestuft werden.

Ziehen ManCity, PSG und Co. davon?

Der "Guardian" meldete am Freitag, dass am Wochenende erste Gespräche zwischen Wyss, dessen Partnern und Abramowitsch stattfinden soll. Während der langjährige Besitzer den Verein eher als eine Art Lieblingsspielzeug betrachtet hat und sein Geld bereitwillig zur Verfügung stellte, ohne den Blick ständig auf die Wirtschaftlichkeit zu richten, wird davon ausgegangen, dass Wyss auf ein nachhaltigeres Vorgehen setzt.
Dies hätte zur Folge, dass dem Verein für Spielerkäufe weniger Geld zur Verfügung stünde. Chelsea wird nicht über Nacht zurück in die Graumäusigkeit fallen, dafür ist das von Abramowitsch finanzierte Fundament zu stark. Ob man langfristig mit Vereinen wie Paris Saint-Germain oder Manchester City, die von reichen Ländern aus dem Nahen Osten alimentiert werden, mithalten kann, steht jedoch nach Abramowitschs Aus in den Sternen.
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"Ihr müsst aufhören!" Tuchel reagiert emotional

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