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Jürgen Klopp beim FC Liverpool in seiner schwierigsten Phase: Das Denkmal bekommt Flecken

Thomas Gaber

Update 12/10/2022 um 17:27 GMT+2 Uhr

Jürgen Klopp erlebt seine erste echte Krise beim FC Liverpool. Der Trainer wirkt zunehmend ratlos und nach der Niederlage gegen Arsenal auch ziemlich niedergeschlagen. Die Probleme werden aber nicht weniger: Im Kader wimmelt es an Verletzten und viele Leistungsträger stecken im Formtief. Ist der Klopp-Zauber an der Mersey nach sieben Jahren vorbei? Es gibt zumindest erste Anzeichen dafür.

Beißende Ironie: Klopp spottet über Hamann

Es kommt in diesen Tagen knüppeldick für den FC Liverpool. In der Premier League sind die Reds nach der Niederlage beim FC Arsenal bis auf Rang zehn abgeschmiert und das ohnehin schon gut gefüllte Lazarett ist um zwei prominente Spieler reicher.
Trent Alexander-Arnold fällt mit einer Knöchel-, Joel Matip mit einer Wadenverletzung aus, nach Angaben des Klub für jeweils drei Wochen.
Bei Luis Diaz wird es noch etwas länger dauern; der Stürmer riss sich am Sonntag im Emirates Stadium ein Band im Knie und wird voraussichtlich in diesem Jahr nicht mehr zurückkommen.
Mit Andrew Robertson (Knie), Naby Keita, Alex Oblaide-Chamberlain und Arthur Melo (alle Oberschenkelverletzungen) sind vier weitere Spieler im Krankenstand.

Van Dijk macht Fehler, das Mittelfeld ist überaltert

Einen Aderlass in dieser Dimension kann auch ein so hoch dekorierter Kader wie der des FC Liverpool nur schwer verkraften. Zumal Jürgen Klopp schon alle Hände damit zu tun hat, seine Mannschaft endlich in die Spur zu bekommen.
Mit zehn Punkten aus acht Ligaspielen haben die Reds den schlechtesten Saisonstart seit zehn Jahren hingelegt. Der Traum von der Meisterschaft ist nach nicht mal einem Viertel der Saison schon beendet. Es geht schon jetzt um Schadensbegrenzung, mehr als Platz vier und die damit verbundene Qualifikation für die Champions League ist wohl nicht mehr drin.
Die Probleme ziehen sich durch alle Mannschaftsteile, mal abgesehen von Torhüter Allison Becker. Abwehrchef Virgil van Dijk, über viele Jahre einer der besten Innenverteidiger der Welt, macht plötzlich unerklärliche Fehler, Alexander-Arnold ist offensiv noch immer eine Waffe, defensiv haben die Gegner ihn jedoch als Schwachpunkt ausgemacht.
Im zentralen Mittelfeld waren Jordan Henderson und Thiago mit Arsenals aggressiver Spielweise überfordert. Beide sind über 30, was englische Medien zu der provokanten Frage führte, warum Klopp seinen viel zitierten "Umbruch" nicht auch im Mittelfeld vollzogen habe.

Klopp-Fußball zehrt an den Kräften

Auch offensiv kommt Liverpool nicht so richtig aus dem Quark. Neun ihrer 20 Saisontore erzielten die Reds in einem Spiel gegen Bournemouth, in den übrigen Partien war wenig zu sehen von der Angriffswucht der letzten Jahre.
Mohamed Salah befindet sich seit seiner Vertragsverlängerung, die ihm knapp 400.000 Euro pro Woche einbringt, in einer tiefen Formkrise. Zwischen 2017 und 2022 erzielte er im Schnitt 0,7 Tore pro Spiel, in dieser Saison sind es 0,3. Auch die Anzahl seiner Torschüsse hat sich halbiert.
Darwin Núñez, den Liverpool für 85 Millionen Euro von Benfica Lissabon als Nachfolger für Sadio Mané verpflichtete, hat zwar gegen Arsenal getroffen, bleibt aber bislang hinter den Erwartungen zurück.
Vor allem aber die Spieler, die über viele Jahre Klopps Powerfußball umgesetzt haben, schleppen sich mehr schlecht als recht durch die Saison. "Einige Leistungsträger wirken müde, vielleicht auch durch die fordernde Art von Klopp", unkte "Bild"-Experte Marcel Reif.
Es ist kein Geheimnis, dass Klopps Stil an den Kräften zehrt. Dass Leistungsträger irgendwann durchhängen, hat der Trainer auch in Mainz und Dortmund erlebt.
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Mohamed Salah steckt in einem tiefen Leistungsloch

Fotocredit: Getty Images

Klopp ratlos: "Ob ich besorgt bin? Ja."

Zu allem Überfluss machen die Reds in dieser Spielzeit auch die einfachsten taktischen Fehler. Der Gegentreffer zum 1:2 gegen Arsenal entstand nach einer Ecke für Liverpool in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit, als die Reds gnadenlos ausgekontert wurden.
Jamie Carragher, Liverpool-Legende und heutiger TV-Experte fand die Szene "in Bezug auf die Spielgestaltung fast schon kriminell, wie Kinderfußball." Er habe einfach nicht glauben können, "was ich gesehen habe", erläuterte Carragher bei "Sky Sports".
Die erste echte Krise in seiner Amtszeit hinterlässt auch bei Klopp Spuren. Nach dem Arsenal-Spiel wirkte der Coach niedergeschlagen und ein Stück weit ratlos.
"Ich bin sehr enttäuscht. Viele Leute fragen mich, ob wir so spielen, weil wir letztes Jahr die beiden großen Trophäen verloren haben. Es fühlt sich an, als ob es Jahre her ist. Ob ich besorgt bin? Ja, absolut. Wir sind in einer sehr schwierigen Situation", sagte Klopp.

Hamann sieht auch mentale Probleme

Nach dem Gewinn des League und des FA Cups hatte Liverpool im Mai die einmalige Chance, als erste englische Mannschaft alle vier großen Titel in einer Saison zu gewinnen, zog aber in der Meisterschaft gegen Manchester City und im Champions-League-Finale gegen Real Madrid den Kürzeren.
Für Dietmar Hamann sind die Probleme der Reds damit durchaus in Zusammenhang zu setzen. "Ich glaube nicht, dass es noch einmal möglich sein wird, innerhalb von sieben Tagen alle vier Trophäen zu gewinnen, und ich denke, dass es in dieser Saison psychologisch gesehen immer schwierig werden würde", sagte der langjährige Liverpool-Profi dem Radiosender "talkSPORT".
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Beißende Ironie: Klopp spottet über Hamann

In den letzten drei, vier Jahren sei Liverpool auf dem Höhepunkt der Leistungsfähigkeit gewesen, so Hamann. "Was sie im letzten Jahr erreicht und geleistet haben, war unübertroffen. "Diese Liverpooler Mannschaft sieht müde und langweilig aus. Und ich weiß nicht, woher der Funke kommen soll."
Klopp hat Rückschläge einkalkuliert, als er Ende April seinen Vertrag vorzeitig bis 2026 verlängerte. "Bei uns steht ein Umbruch an. Ich will dabei sein, wenn diese jungen Burschen mehr zum Zuge kommen. Das finde ich total spannend. Ich bin hier im Moment noch am richtigen Ort, zu 100 Prozent", sagte er kurz vor Saisonbeginn.

Trainerdiskussion in Liverpool? Noch nicht...

Klopp hat aber auch stets betont, dass er seinen Job nur so lange ausüben kann, solange er das Gefühl hat, noch der Richtige zu sein. 2015 warf er für viele überraschend beim BVB hin, begründete dies aber damals mit dringend notwendigen Veränderungen in Dortmund: "Ein führender Kopf muss weg und dieser Kopf in dem Fall meiner."
Soweit ist es beim FC Liverpool noch nicht. Aber auch für Klopp gelten trotz aller Erfolge an der Mersey die Mechanismen des Profifußballs. "Ich denke, dass wir irgendwann eine Diskussion über den Trainer führen werden, und ich bin mir nicht sicher, wie weit wir davon noch entfernt sind", sagte Hamann.
Hinter vorgehaltener Hand wird in Liverpool diskutiert, dass einige Spieler Klopp allmählich überdrüssig sind. Und wenn er oder der Verein das Gefühl hätten, "dass ich hier nicht mehr zu 100 Prozent hinpasse, dann muss man es beenden", sagte Klopp.
Noch hat der Coach genügend Kredit bei der Klubführung und den Fans. Aber Jürgen Klopp ist nicht mehr unantastbar.
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Klopp nach Pleite bedient: "Bin nicht zum Scherzen aufgelegt"

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