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Cristiano Ronaldo und Co. sind erst der Anfang: Saudi-Arabien plant den Fußball-Goldrausch

Dennis Melzer

Update 28/07/2023 um 16:50 GMT+2 Uhr

Die Klubs aus Saudi-Arabien sorgen in diesem Sommer für mächtig Wirbel auf dem Transfermarkt, locken zahlreiche Superstars in die Wüste. Die Großoffensive ist keine Laune - das Königreich plant, seine bis dato unbeachtete Pro League in eine Elite-Liga zu verwandeln. Dafür nimmt der Staat absurde Geldbeträge in die Hand. Und das ist erst der Anfang. Über eine Allmachtsfantasie made in Nahost.

Cristiano Ronaldo spielt seit Januar in Saudi-Arabien

Fotocredit: Getty Images

Jürgen Klopp wurde ganz sentimental, als er sich von seinem langjährigen Kapitän Jordan Henderson verabschieden musste.
"Ich weiß, dass es eine sehr, sehr schwere Entscheidung für Hendo war, und ich war die ganze Zeit bei ihm oder mit ihm", leitete der Coach des FC Liverpool eine rund 90-sekündige Videobotschaft an die Fans ein: "Wir werden ihn ohne jeden Zweifel vermissen, das ist klar - als Mensch und als Spieler. Aber, so ist der Fußball."
Henderson trug zwölf Jahre lang das Trikot der Reds, gewann die englische Meisterschaft und die Champions League mit dem Traditionsklub. Nun macht er sich auf zu neuen Ufern, der 33-Jährige heuert in Saudi-Arabien an, spielt künftig für den Al-Ettifaq FC.
Obwohl Henderson ein emotionales Farewell an die Liverpool-Fans richtete, schwor, für immer "ein Roter" zu bleiben, sorgte sein Wechsel in den Wüstenstaat für Kritik.

Hitzlsperger wird deutlich: "Ich Idiot"

Die LGBT+-Fangruppe "Kops Out" warf ihm vor, sich am Sportswashing eines Regimes zu beteiligen, "unter dem Frauen und LGBT+-Menschen unterdrückt werden und das regelmäßig an der Spitze der weltweiten Todesstrafenlisten steht."
Henderson hatte sich in der Vergangenheit immer wieder mit der LGBT+-Community solidarisiert, trug als Ausdruck seiner Unterstützung auch ab und an eine Regenbogen-Kapitänsbinde.
Thomas Hitzlsperger, der sich 2014 als homosexuell outete, fand ebenfalls deutliche Worte für Hendersons Entscheidung: "Er kann spielen, wo er will. Ich bin allerdings gespannt, wie die neue Marke JH aussehen wird. Die alte Marke ist tot", twitterte der Ex-Nationalspieler. Er habe gedacht, dass Hendersons Unterstützung für die LGBT+-Gemeinschaft echt gewesen sei. "Ich Idiot."
Nur kurz darauf dürften sich die Kritiker bestätigt gefühlt haben. Im offiziellen Vorstellungsvideo vermied es Al-Ettifaq, Henderson mit Regenbogenbinde zu zeigen.
Ein Umstand, über den Henderson angesichts seines Gehalts mutmaßlich hinwegsehen kann. Sein Engagement in Saudi-Arabien lässt sich der Engländer mit kolportierten 42 Millionen Euro pro Jahr nämlich fürstlich entlohnen. Ausgerechnet Henderson, die personifizierte Bodenständigkeit, einer, der auch mal über den viel zitierten Tellerrand blickt, ist also käuflich.

Saudi-Arabien lockt Superstars

Doch nicht nur er - Henderson ist nur einer von vielen namhaften Fußballern, die es in diesem Sommer in den Nahen Osten zog. Karim Benzema (Real Madrid zu Al-Ittihad), N'Golo Kanté, (FC Chelsea zu Al-Ittihad), Sergej Milinkovic Savic (Lazio zu Al-Hilal), Riyad Mahrez (Manchester City zu Al Ahli) und Hendersons Teamkollege Roberto Firmino (Al-Ahli) sind nur einige Beispiele, die dem Ruf des Geldes folgten.
Superstar Cristiano Ronaldo hatte bereits im Januar mit seinem Wechsel zum Al-Nassr FC den Anfang gemacht. Sein Salär liegt angeblich bei 200 Millionen Euro. Pro Saison wohlgemerkt.
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Karim Benzema kickt fortan für Al-Ittihad

Fotocredit: Getty Images

"Wenn sie hier so weiterarbeiten, wird die saudische Liga schon bald zu den besten fünf Ligen der Welt gehören", sagte CR7, das Saudi-Zugpferd, im Juni. Er ergänzte: "Die Liga ist schon jetzt gut, aber wir haben noch viele Möglichkeiten, uns zu verbessern." Tatsächlich formulierte der Portugiese das, was von höchster Stelle geplant wird. Laut der ligaeigenen Webseite wolle sich die SPL zu einer "Top-Ten-Liga" mausern. Und das in "technischer, kommerzieller, finanzieller und medialer Hinsicht".

Saudi-Liga nur auf Platz 58

Laut der Sportagentur "Twenty First Group" rangierte die saudische Liga noch zu Beginn des Jahres auf dem 58. Platz der besten Ligen der Welt. Aufgrund der unzähligen Transfers dürfte sich die SPL im nächsten Ranking zwar deutlich höher wiederfinden, bis zum ausgerufenen Ziel ist der Weg allerdings noch lang.
Auch, weil mit Ronaldo (38 Jahre), Benzema (35 Jahre) und Co. vornehmlich Spieler gewonnen wurden, die sich im Spätherbst ihrer Karriere befinden, während man bei beispielsweise Kylian Mbappé (24) trotz eines absurden Angebots offenbar auf Granit biss; Lionel Messi ging lieber in die USA zu Inter Miami.
Doch dabei soll es nicht bleiben, die derzeitige Transferoffensive ist erst der Anfang. Nach Recherchen von "The Athletic" verfolgt Saudi-Arabien einen klaren Plan: Demnach habe die SPL die Sportmarketing-Firma IMG eingeschaltet, um die Liga auch mit Blick auf TV-Rechte weltweit besser zu vermarkten. Im Vergleich zu anderen Ligen - wie beispielsweise der Premier League - sei dies jedoch nur nebensächlich.

Ronaldo und Co. sollen glattbügeln

Vielmehr erhoffe man sich laut einer "Athletic"-Quelle, dass reichweitenstarke Spieler wie Ronaldo (knapp 600 Millionen Follower auf Instagram) mit positiven Social-Media-Beiträgen über Saudi-Arabien für eine bessere Außendarstellung des Landes sorgen. Sportswashing in Reinform.
Jüngst veröffentlichte die Liga gemeinsam mit dem saudi-arabischen Fußballverband (SAFF) ein neues Zukunftskonzept, das sich - zumindest vordergründig - nicht bloß auf die Verpflichtung von Superstars konzentriert, sondern die Förderung von einheimischen Talenten in den Fokus rückt.
Ab der kommenden Saison dürfen Spieler ab 16 Jahren (zuvor lag die Grenze bei 18 Jahren) in der höchsten Liga eingesetzt werden, außerdem muss jeder Kader ab 2025 mindestens zehn Spieler fassen, die unter 21 sind.
Generell wolle Mohammed bin Salman, Kronprinz und Premierminister in Personalunion, mehr Jugendliche für Sport begeistern. Kein Wunder, immerhin schlägt das saudische Gesundheitsministerium regelmäßig Alarm: Knapp 30 Prozent der jungen Menschen leiden demnach an schwerem Übergewicht, Saudi-Arabien zählt insgesamt zu den "dicksten" Ländern der Welt.
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Cristiano Ronaldo

Fotocredit: Getty Images

Doch bei aller angeblicher Förderung von verheißungsvollen Kickern oder gesundheitlicher Maßnahmen gegen Fettleibigkeit - der saudi-arabische Vorstoß auf dem Transfermarkt soll vor allem eines zeigen: Wir haben das Geld, wir können uns alles leisten - und jetzt lassen wir die Muskeln spielen.
An vorderster Front kämpft dabei Saad Al-Lazeez. Er übernahm im Mai interimsweise den SPL-CEO-Posten von seinem britischen Vorgänger Garry Cook. Al-Lazeez wird in einem Bericht der "New York Times" von Kollegen als "weltgewandt, effektiv und intelligent" beschrieben, als einer, der in großen Zusammenhängen denke.
Al-Lazeez scannt den Markt, er ist derjenige, mit dem Spielerberater und -vermittler sprechen müssen. Der 51-Jährige, der bereits als Geschäftsführer von Sheffield United arbeitete, sagte kurz nach seiner Amtsübernahme: "Die saudische Liga hat eine unglaubliche Chance, die Fußballambitionen des Landes zu erfüllen und mehr Menschen für den Sport zu begeistern. Die SPL wird eine zentrale Rolle dabei spielen, die Klubs bestmöglich zu entwickeln."

Staatsfond übernimmt vier Top-Klubs

Zunächst übernimmt aber nicht die Liga, sondern der öffentliche Investmentfonds (PIF) die Entwicklungsarbeit. Der PIF, der 2021 den englischen Erstligisten Newcastle United kaufte, übernahm mit Ronaldo-Klub Al-Nassr, Benzema-Arbeitgeber Al-Ittihad, Al-Hilal und Al-Ahli kurzerhand die vier besten Klubs des Landes.
Nicht ohne Hintergedanken. Wie "The Athletic" berichtet, spekuliert die Regierung darauf, private Investoren an Land zu ziehen - und die jeweiligen Vereine somit gewinnbringend zu veräußern. Das Prinzip: Die Stars schärfen die Marke, die Marke wird lukrativer und lockt so mehr und mehr Sponsoren an. Geht der Plan auf, könnten die nächsten Klubs mit Staatsfonds-Geld aufpoliert werden.
Ein aggressives Konzept, das Erfolg haben könnte. Saudi-Arabien will nichts dem Zufall überlassen, keine Eintagsfliege sein wie China, das vor einigen Jahren mit einem ähnlichen Transfermarkt-Gebaren für Aufsehen sorgte, sich aber nie nachhaltig als Fußball-Macht etablierte.
Heute sagt Mbappé vielleicht noch "Nein" und hofft auf einen Wechsel nach Madrid. Vielleicht lautet der Wunsch in einigen Jahren aber doch Riad statt Real.
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