Nationalmannschaft: Das turbulente Jahr des DFB-Teams im Rückblick - warum etwas Großes bevorsteht
Update 20/11/2024 um 15:10 GMT+1 Uhr
Dieses Jahr der Nationalmannschaft hatte im wahrsten Sinne des Spruches: Hand und Fuß. Müsste man die Mission DFB 2024 auf eine einzige Szene reduzieren, würde man wohl das Handspiel des Spaniers Marc Cucurella im Viertelfinale der EM wählen. Schiedsrichter Anthony Taylor pfiff nicht, die deutsche Auswahl schied in der Verlängerung gegen den späteren Turniersieger mit 1:2 aus.
Nagelsmann zieht Bilanz: "Glaube, dass da viel entstehen kann"
Quelle: Perform
Aber da waren auch ganz viele glanzvolle, begeisternde Momente der Zauberfüße, des magischen Offensiv-Duos "Wusiala", Florian Wirtz und Jamal Musiala.
Sie sorgten für Siege mit Ausrufezeichen, für rauschende Fußballfeste während der Heim-EM und eine sehr ordentliche Jahresbilanz, die durch den ganz späten Ausgleich in der Nachspielzeit zum 1:1 in Ungarn lediglich einen kleinen Kratzer erhielt. Ein Schönheitsfleck und wieder war eine fragwürdige Entscheidung zum Thema strafbares Handspiel im Strafraum der Aufreger.
Die Leidtragenden: Ersatz-Innenverteidiger Robin Koch, der sich wegdrehte, aber aus kurzer Distanz am etwas vor den Körper gehaltenen Arm angeschossen worden war, und Torhüter Alexander Nübel, der von Dominik Szoboszlai einen Panenka-Elfmeter kassierte und damit in seinem zweiten Länderspiel erneut nicht zu null spielen konnte.
Den Mutigen gehört die Welt
Dass sich Bundestrainer Julian Nagelsmann und die Spieler derart über den umstrittenen Handelfmeter von Budapest echauffierten, spricht für den Siegeswillen, die Gier und den Hunger dieser Mannschaft.
Und für einen zuversichtlichen Blick auf das kommende Jahr der Nationalelf, in dem der erstmalige Gewinn der Nations League als Ziel ebenso auserkoren ist wie die – im Grunde – selbstverständliche Qualifikation für die Nordamerika-WM 2026.
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Nagelsmann zum Elfmeter: "Da kann keiner mitkommen"
Quelle: Perform
"Wenn wir 2025 genauso angehen wie wir 2024 bestritten haben, werden wir 2026 deutlich präparierter sein als wir es 2024 waren", sagte Nagelsmann am späten Abend in der Puskás Aréna von Budapest und prophezeite.
"Ich denke, dass da viel entstehen kann." Als Fernziel hatte der 37-Jährige ja bereits direkt nach dem so emotionalen Viertelfinal-Aus den WM-Titel 2026 genannt. Den Mutigen gehört die Welt!
Kroatien, Italien oder Dänemark als Viertelfinal-Gegner
Doch der Reihe nach. Die 2024er-Reise begann im März mit dem 2:0-Sieg gegen Frankreich. Mit diesem Achtungserfolg beim aktuellen Vizeweltmeister begann das Wendemanöver des DFB-Teams.
Nach trüben Turnieren und Misserfolgen hin zum ersehnten Klimawandel, der sich in Erlebnissen (diese stimmungsvolle und emotionale Heim-EM!) und Ergebnissen (mit dem 7:0 gegen Bosnien-Herzegowina hat man sich letzten Samstag souverän als Gruppensieger für die Viertelfinal-Duelle der Nations League im März qualifiziert) niederschlug.
Kroatien, Italien oder Dänemark sind die möglichen Gegner im Viertelfinale, das am Freitag ausgelost wird. Vor ein, zwei Jahren hätte man ob der Qualität der Kontrahenten gezweifelt und gewarnt.
Nun erscheinen alle drei Gegner dank des neuen Selbstverständnisses des gereiften und gewachsenen Teams plötzlich aus der Kategorie: machbar!
Heim-EM als Höhepunkt des Jahres
Seit dem Erweckungserlebnis von Lyon, als Toni Kroos - von Nagelsmann zuvor überzeugt - ein DFB-Comeback als Spielmacher gab, ging lediglich eine Partie ging verloren - das EM-Viertelfinale gegen Spanien.
Die Jahresbilanz nach dem abschließenden 1:1 in der Nations-League-Gruppenphase in Budapest: 15 Spiele, zehn Siege, vier Remis und eben diese eine, so bittere Niederlage. Aber, aber – zum Vergleich: 2023 gab es lächerliche drei Siege, 2022 auch nur vier.
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Müller nach geplatztem Heim-EM-Traum: "Stich ins Herz"
Quelle: Perform
Und vor zwei Jahren ein blamables Vorrunden-Aus bei der Winter-WM in Katar nachdem man im Herbst auch das Final Four der Nations League verpasst hatte – beide Rückschläge gingen auf das Konto von Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick.
Und überhaupt, 2023: Vor ziemlich genau einem Jahr erlebte die Nationalelf unter Nagelsmann als desolat aufspielendes und total unterlegenes DFB-Team beim 0:2 in Österreich einen ganz bitteren Tiefpunkt.
"Das Wir-Gefühl, das ich spüre, hatte ich noch nie"
Alles weit weg, sehr weit weg. Der Kurs stimmt, die Entwicklung stimmt. Dazu der Teamgeist, die Motivation, die Gier – all das zeichnet diese Nationalelf (wieder) aus.
"Wir lagen im November am Boden und standen wegen der Heim-EM unter Druck", dachte Nagelsmann in Budapest laut nach und sagte: "Das Wir-Gefühl, das ich spüre, hatte ich noch nie. Das hat mir persönlich viel gegeben."
Trotz der neun (!) Wechsel in der Startelf aus Gründen der Belastungssteuerung einzelner Akteure
gegenüber dem Schützenfest gegen Bosnien-Herzegowina funktionierten in Budapest einstudierte Abläufe.
gegenüber dem Schützenfest gegen Bosnien-Herzegowina funktionierten in Budapest einstudierte Abläufe.
Auch die Spieler aus der zweiten Reihe, etwa Stuttgarts Chris Führich (achtes Länderspiel) und Dortmunds Felix Nmecha (dritter DFB-Einsatz), die beiden Startelfdebütanten, trugen ihren Teil zum ordentlichen Spiel dabei, das jedoch vor allem in der ersten Hälfte schwere Kost war und sich so anfühlte wie nach dem Verzehr von einer zu großen Menge des so köstlichen Gulasch.
Frischer Wind in der DFB-Elf
Der Dortmunder Nmecha erzielte in einer zähen und schleppenden Partie per Abstauber das vermeintliche Siegtor (76.) bis Szoboszlai zum umstrittenen Ausgleich einschießen durfte – mit der letzten Ballberührung der Partie.
"Wenn man sieht, wie Ungarn das 1:1 feiert, ist das schon eine kleine Auszeichnung für unsere Mannschaft", meinte Nagelsmann, immer noch verärgert über den Handelfmeter.
Wenig später hatte er sich etwas gefangen, sagte: "Das Ergebnis geht in Ordnung. Ungarn hatte die klareren Chancen. Ich kann ein Auge zudrücken und es einordnen."
Weil er froh sein wird, dass sein Personal am Ende eines turbulenten Jahres breiter gefächert ist als zuvor. Und das obwohl die vier Platzhirsche nicht mehr da sind. Torhüter Manuel Neuer, EM-Kapitän Ilkay Gündogan, Thomas Müller und Kroos gaben nach der EM ihren Rücktritt aus der Nationalelf bekannt. Dieser vierfache Verlust konnte bestens aufgefangen werden.
Alle Spieler akzeptieren ihre Rolle
Die Spieler aus der zweiten Reihe brennen darauf, den Konkurrenzkampf weiter zu befeuern. Dennoch war vor allem in der Offensive zu erkennen, dass sich die Bayern-Profis Serge Gnabry und Leroy Sané hinter dem Duo Musiala/Wirtz einreihen müssen.
Dank des Debüts von Tim Kleindienst im Oktober und seither zwei Toren in vier Länderspielen hat Nagelsmann auch auf der Mittelstürmer-Position neben dem aktuell wegen einer Achillessehnenblessur außer Gefecht gesetzten Niclas Füllkrug und dem variablen wie unberechenbaren Deniz Undav (fehlte bei den November-Länderspielen ebenfalls verletzt) genug Alternativen.
"Ich kann den Kader so bestimmen, dass immer zwei Topteams auf dem Feld stehen", tönte Nagelsmann.
Angesichts der Spielweise und der Ergebnisse nimmt man dem Bundestrainer so viel Hochmut nicht übel. Alle nominierten Spieler akzeptieren ihre Rolle und nehmen die ihnen zugewiesenen Aufträge an.
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Nagelsmann: "Gebe nicht mehr zu allem meinen Senf dazu"
Quelle: Perform
Das Fazit? "Ich bin unglaublich zufrieden"
Es mache "allen wieder Spaß, bei der Nationalmannschaft dabei zu sein", hat selbst der erst zum zweiten Mal nominierte Kleindienst gespürt und verwies auf "das Gefühl, dass man wieder jeden schlagen kann".
Nagelsmanns Fazit steckt voller Hoffnung: "Es ist ein guter Weg, ich bin unglaublich zufrieden."
Und er selbst? Wie hat er sich nach Antritt seines Jobs im September 2023 entwickelt? "Ich habe gelernt, dass das Wir-Gefühl von großer Bedeutung ist. Und nicht zu allem meinen Senf dazuzugeben. Das tut mir auch ganz gut."
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