WM 2022 - Drei Dinge, die bei Deutschland gegen Costa Rica auffielen: Diese Abwehr war nicht WM-reif
Deutschland scheitert bei der WM, weil ein 4:2 gegen Costa Rica nicht genug ist. Chancen für acht bis zehn Tore hätte es sogar gegeben, Trainer Hans-Dieter Flick drückte jedoch zu früh auf den Panik-Knopf. Auch seine Treue zu Thomas Müller zahlte sich nicht aus. Die DFB-Abwehr stellt derweil erneut unter Beweis, dass sie unter Flick über die Experimentierphase nie hinauskam. Was uns auffiel.
Flick selbstkritisch: "Hat allein an uns gelegen"
Quelle: MagentaTV
Gewonnen und doch so viel verloren - Deutschland ist raus.
Wie 2018 ereilt die deutsche Nationalmannschaft bei der WM 2022 das Aus schon in der Vorrunde. Ein 4:2 (1:0) gegen Costa Rica reichte nicht, um sich in der Tabelle der Gruppe E noch an Japan und Spanien (2:1 im Parallelspiel) vorbeizuschieben. Deutschland scheiterte am Ende wegen dem um fünf Tore im Vergleich zu Spanien schlechteren Torverhältnisses.
"Es ist brutal für uns", schilderte Kapitän Manuel Neuer die Stimmung in der deutschen Kabine: "Wir haben keine drei Sätze miteinander gesprochen, jeder war für sich. Das zu verarbeiten, ist nicht einfach."
"Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht für die realistischen Szenarien: Unentschieden oder Sieg für Spanien", sagte Thomas Müller und sprach von einem "Ohnmachtsgefühl".
Bundestrainer Hans-Dieter Flick analysierte tiefer. "Das Aus kam nicht heute, das kam in den 20 Minuten gegen Japan. Auch gegen Spanien hätten wir noch gewinnen können", sagte er: "Wir hatten keine Effizienz in diesem Turnier, und deshalb sind wir ausgeschieden. Die Enttäuschung ist riesengroß."
Drei Dinge, die beim deutschen Spiel gegen Costa Rica auffielen.
1.) Slapstick in der Abwehr
19 Länderspiele hatte Bundestrainer Hans-Dieter Flick zu verantworten, dabei bot er 16 verschiedene Abwehrformationen auf. Gegen Costa Rica setzte er mit Joshua Kimmich im dritten WM-Spiel den dritten verschiedenen Rechtsverteidiger ein - nur um ihn zur zweiten Halbzeit wieder ins Mittelfeld zu beordern.
Gegen die Mittelamerikaner zeigte die deutsche Abwehr erneut kein gutes Niveau. 40 Minuten lang überhaupt nicht gefordert, brachte eine Slapstick-Aktion von David Raum und Antonio Rüdiger gegen Keysher Fuller Costa Rica überhaupt erst ins Spiel (42.).
Obwohl Deutschland am Ende doch noch die Offensivpower in Tore ummünzte und 4:2 gewann, war zwischendrin wieder heilloses Durcheinander in der Defensive angesagt. Vor dem 1:1 leistete sich David Raum mit einem katastrophalen Pass und Laufweg einen Patzer auf Kreisliganiveau, beide Innenverteidiger sahen mehr oder weniger tatenlos zu (58.).
Beim 1:2 passte die Zuordnung überhaupt nicht, die DFB-Spieler standen weder mannorientiert noch gut im Raum. Süle und Rüdiger agierten nur passiv, Neuer "veredelte" die Szene mit seinem Hopser und bekam den Treffer folgerichtig als Eigentor angekreidet (70.).
"Am Ende haben wir zwar gewonnen, aber es war phasenweise wieder so, dass wir den Faden verloren haben", krittelte Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff.
Fünf Gegentore aus insgesamt nur zwölf Schüssen aufs deutsche Tor waren in der durchaus machbaren Gruppe E dieser WM mindestens zwei zu viel. Vielleicht hätte man Mats Hummels doch mitnehmen sollen. Mehr gespielt als der BVB-Recke hat Armel Bella-Kotchap bei dieser WM nämlich auch nicht.
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Ballack rechnet ab: "Sinnbildlich für die letzten Jahre"
Quelle: MagentaTV
2.) Volle Bayern-Power - dann schnell das volle Chaos
Flick hatte lange an seiner Aufstellung getüftelt, am Ende machte er es sich leicht: Er schmiss einfach so viele Bayern-Spieler rein, wie er zur Verfügung hatte - sieben an der Zahl.
Vor allem von Leroy Sané als rechten Flügelstürmer erhoffte sich der Bundestrainer mehr Tiefe im Spiel, der war zunächst aber überhaupt nicht zu sehen. Serge Gnabry und der nur ganz schwer vom Ball zu trennende Jamal Musiala gaben im ersten Durchgang bei Deutschland offensiv den Ton an. Dazwischen mühte sich Thomas Müller als Mittelstürmer einen nicht ganz so unglücklichen Eindruck zu machen wie gegen Spanien - es blieb beim Bemühen. So ging es nur mit 1:0 in die Pause.
"Ich war in der Halbzeit sehr sauer. Das habe ich der Mannschaft auch deutlich gesagt. Wir haben die Chancen liegengelassen und den Gegner wieder aufgebaut", erklärte Flick hinterher.
Als es zehn Minuten immer noch 1:0 stand - zu wenig für den Matchplan der DFB-Elf, die zumindest Zwei-Tore-Abstand haben wollte, um bei einem Remis im Parallelspiel dennoch weiterzukommen -, zündete Flick die nächste Ausbaustufe und veränderte damit die Statik des Spiels.
Mit der Hereinnahme von Niclas Füllkrug für Ilkay Gündogan stellte er in der 55. Minute auf 4-1-4-1 um - ein Wagnis, hätte er Füllkrug auch bequem für den erneut blassen Müller bringen können, ohne die Mannschaft konteranfälliger zu machen. Die Quittung folgte mit dem Ausgleich nur drei Minuten später.
Auf die zunehmende Verunsicherung seiner Mannschaft reagierte Flick nur kurz darauf mit einem weiteren Systemwechsel: In der 67. Minute brachte er Mario Götze und Kai Havertz für David Raum und Müller und stellte auf 3-1-4-2 mit Sané und Gnabry als Schienenspieler um - wieder klingelte es drei Minuten später im Kasten von Manuel Neuer.
Derart ohne Not in Rückstand geraten, brach für mehrere Minuten das absolute Chaos aus. Die Konterabsicherung bestand einmal aus Rüdiger und Sané, dann wieder aus Süle und Gnabry. Eine versiertere Mannschaft als Costa Rica hätte den Deutschen in dieser Phase leicht mit einem dritten Gegentor den Garaus machen können. "Irgendwann haben wir die Positionen nicht mehr gehalten, weil wir vielleicht auch zu viel wollten", sagte Müller.
So aber blieb die DFB-Elf am Leben, setzte die am Schluss aufgebotene geballte Offensivpower um und schoss noch drei Tore, die aber nur noch zu Platz drei in der Gruppe reichten. "Am Ende war die Effizienz nicht gut genug, um das Wunder, mit sieben Toren Unterschied zu gewinnen, zu schaffen", fasste es Müller angesichts von 32 Torschüssen zusammen: "Das ganze Unglück ist mit dem Ergebnis gegen Japan passiert."
3.) Flicks Treue zu Müller war ein Fehler
Flick meinte kurz vor Spielbeginn, dass ihn ein Puzzleteil seiner Aufstellung am längsten beschäftigt habe - die Mittelstürmerposition, auf der er erneut Müller den Vorzug vor Füllkrug gab. Der 33-Jährige, so wusste man schon seit gemeinsamen Bayern-Tagen, ist Flicks verlängerter Arm auf dem Platz, Antreiber und Kommandogeber für Anlaufimpulse, Team-Barometer. "Er ist einer, der die Mannschaft immer wieder pusht", formulierte es Flick.
Allein: Das DFB-Team hätte einfach nur einen Stürmer gebraucht, der Torgefahr ausstrahlt, Costa Rica schnell zwei bis drei Tore in Rückstand bringt und das Spiel in einen sicheren Hafen fährt - so wie es Füllkrug und Havertz als Joker erst in der Schlussphase gelang.
Die Frage bei Müller lautete indes nicht, ob er generell nicht mehr ins DFB-Team passt, sondern ob er formstark genug für diese WM war. Nach den Eindrücken der drei Spiele von Katar muss man sagen: Nein, Flick hat sich mit der Treue zum ehemaligen Raumdeuter keinen Gefallen getan.
Müller nach zuletzt sieben verpassten Bundesliga-Spieltagen bei einer WM zu einem Fixpunkt der Offensive zu erklären, war in der Rückschau ein Luxus, den sich der Bundestrainer nicht hätte erlauben dürfen.
Gegen Costa Rica möbelte der Bayer seine triste Statistik - zuvor ohne Torschuss im Turnier - zwar noch ein bisschen auf, seine drei Abschlüsse waren jedoch allesamt harmlos. Müller blieb damit nach 2018 erneut ohne WM-Tor und richtete danach Abschiedsworte an die Nation:
"Falls das mein letztes Spiel für Deutschland gewesen sein sollte, möchte ich noch ein paar Worte an die Fans richten, die mich jahrelang unterstützt haben: Es war ein enormer Genuss. Liebe Leute, vielen Dank. Wir haben unglaubliche Momente zusammen gehabt. Ich habe immer versucht, mein Herz auf dem Platz zu lassen. Manchmal gab's Freudentränen zu meinen Aktionen, manchmal hatten die Zuschauer auch Schmerzen im Gesicht. Ich habe es mit Liebe getan, da könnt ihr euch sicher sein. Alles weitere muss ich jetzt erst einmal sehen." Sprach's und trat von der (WM-)Bühne.
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"Ich hab's mit Liebe getan": Müller sendet emotionale Abschiedsworte
Quelle: MagentaTV
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