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WM 2022 - Drei Dinge, die bei Portugal gegen Schweiz im Achtelfinale auffielen: Ramos stößt Ronaldo von der Weltbühne

Florian Bogner

Update 07/12/2022 um 09:09 GMT+1 Uhr

Portugal zerlegt die Schweiz im WM-Achtelfinale beim 6:1 (2:0) nach allen Regeln der Kunst. Ein Jungspund namens Gonçalo Ramos stößt dabei seinen Teamkollegen Cristiano Ronaldo von der Weltbühne. Pepe beweist dagegen mit fast 40 Jahren, dass er noch nicht zum Alteisen gehört. Die Eidgenossen werden derweil nach einer Systemumstellung zu Leidgenossen. Drei Dinge, die uns in Lusail auffielen.

"Um Gottes Willen": Trainer Santos flieht vor Ronaldo-Fragen

Ein 6:1-Fußballfest gegen die Schweiz, erstmals seit 2006 wieder im WM-Viertelfinale - ganz Portugal lag sich am Dienstagabend in den Armen.
Während die Rotgrünen im Lusail Stadion den Kantersieg im Achtelfinale ausgelassen feierten, trat Trainer Fernando Santos allerdings kräftig auf die Spaßbremse. "Perfekt war das nicht", brummte der 68-Jährige. Man habe "ganz gut gespielt", gab er missmutig zu. Und dann, immerhin: "Die Konzentration war da. Wir haben das Spiel ganz gut kontrolliert." Es war aber "erst" das Achtelfinale, beruhigt euch, schwang ganz deutlich als Subtext mit.
Dabei ist Portugals 6:1 gegen die Schweiz nach dem 7:1 der deutschen Nationalmannschaft im WM-Halbfinale 2014 gegen Brasilien der zweithöchste WM-Sieg in einem K.o.-Spiel seit 1938.
Überraschend war Portugal ohne Superstar Cristiano Ronaldo aufgelaufen. Ein Schachzug, der sich bezahlt machte: Ronaldos Ersatz Gonçalo Ramos traf gleich dreifach (17./51./67.). Pepe (33.), Raphaël Guerreiro (55.) und Rafael Leão (90.+2) steuerten weitere Treffer bei.
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WM 2022: Portugal jubelt über das 1:0 von Gonçalo Ramos (2.v.r.) im Achtelfinale gegen die Schweiz

Fotocredit: Getty Images

Manuel Akanji hatte für die Eidgenossen zum zwischenzeitlichen 1:4 getroffen (58.).
Ronaldo blieb da nur eine Nebenrolle. Drei Dinge, die uns im Final-Stadion auffielen.

1.) Ramos stößt Ronaldo von der Weltbühne

Knapp zwei Stunden vor Anpfiff ging ein kleines Lauffeuer durch Katar: Cristiano Ronaldo, der Superstar der Portugiesen, soll im Achtelfinale gegen die Schweiz nur auf der Bank sitzen? Na, da traut sich Trainer Fernando Santos was! So die Meinung vieler.
Nach der Partie darf sich der 68-Jährige für seine Entscheidung kräftig selbst auf die Schulter klopfen. Der für Ronaldo aufgebotene Gonçalo Ramos machte gleich drei Tore und legte ein weiteres vor - ein recht üppiger Dank für das Vertrauen seines Trainers.
Was viele überraschte, war letztlich aber ein nachvollziehbarer Schritt vom alten Trainerfuchs. Der erst 21 Jahre alte Ramos spielt bei Benfica nämlich eine ganz vorzügliche Saison als Nachfolger des gen Liverpool abgewanderten Uruguayers Darwin Núñez: In bislang 23 (ungeschlagenen!) Pflichtspielen mit der Truppe von Roger Schmidt gelangen ihm 14 Tore und sechs Assists.
Bei seinem Länderspieldebüt beim 4:0 gegen Nigeria direkt vor der WM führte er sich ebenso vorbildlich gleich mit einem Joker-Tor ein. Gegen Ghana und Uruguay nur als Joker gebracht und gegen Südkorea geschont, hatte sich Ramos offenbar einiges für die Schweiz aufgespart.
Schon in der 17. Minute eröffnete er das Schützenfest mit einem 106-km/h-Schuss mit links ins kurze Eck, was "ARD"-Experte Bastian Schweinsteiger sogleich an die Power des jungen Lukas Podolski erinnerte.
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WM 2022: Gonçalo Ramos jubelt an der Eckfahne - Portugal vs. Schweiz

Fotocredit: Getty Images

Beim 3:0 in der 51. Minute ließ Ramos Schweiz-Keeper Yann Sommer mit seinem Abschluss durch die Beine nicht minder alt aussehen, beim 5:1 chippte er den Ball einfach nur elegant über den Eidgenossen (67.). Dazwischen hatte er auch noch das 4:0 per No-Look-Pass für Raphaël Guerreiro vorgelegt (55.). "Ich hätte nicht gedacht, dass er so gut ist", staunte nicht nur Schweinsteiger.
Ronaldo musste derweil bis zur 72. Minute warten, ehe er sich unter großem Applaus von den Rängen zur Einwechslung bereit machen durfte. Der Superstar hatte zuvor bei allen Toren brav mitgejubelt, war nach dem 1:0 sogar mit den Kollegen bis zur Eckfahne gestürmt. Ein reguläres Tor war ihm allerdings nicht vergönnt - nur eines aus Abseitsposition (84.).
"Ich weiß nicht, was ich sagen soll - es ging alles so schnell", stammelte dagegen der Mann des Spiels - Gonçalo Ramos: "Es ist ein Traum, der für mich in Erfüllung geht." Ob ihm im Viertelfinale gegen Marokko (Sa., 16:00 Uhr im Liveticker) wieder der Platz im Angriff gehören wird? "Das entscheide nicht ich, das entscheiden andere."
Sprach's und mopste sich den Spielball, der ihm als jüngster Dreierpack-Schütze eines WM-K.o.-Spiels seit Pelé 1958 (beim 5:2 im Halbfinale gegen Frankreich) aber auch ohne Frage zustand.

2.) Bei Pepe gilt die Wildmoser-Regel

Der ehemalige Präsident des TSV 1860 München Karl-Heinz Wildmoser senior hat mal gesagt: "Es gibt keine alten und jungen Spieler - sondern nur gute und schlechte." Gemäß dieser streitbaren Regel ist Képler Laveran Lima Ferreira, genannt Pepe, immer noch ein sehr guter Fußballer.
Wie zum Beweis erzielte der portugiesische Innenverteidiger gegen die Schweiz mit 39 Jahren und 283 Tagen das 2:0 (33.) und kürte sich damit zum ältesten Spieler, der jemals in einem K.o.-Spiel einer WM traf. Der Trick am Tor war in seiner Entstehung zwar ungefähr so alt wie Pepe selbst: Eine simple Ecke Bruno Fernandes auf den Schädel des Routiniers - die Schweizer konnten es dennoch nicht verteidigen.
Überhaupt erlebt der ehemalige Real-Madrid-Star in Katar sowas wie seinen dritten, ach was, vierten Frühling - dabei hatte er sich kurz vor der Weltmeisterschaft am Knie verletzt und sechs Spiele für seinen Klub FC Porto verpasst. Für Portugal war er deswegen auch nur als Ersatzspieler vorgesehen - bis sich Danilo Pereira nach dem ersten Spiel im Training eine Rippenverletzung zuzog.
Seitdem verteidigt Pepe und das alles andere als schlecht. In seinen drei Einsätzen gewann er 64 Prozent seiner Zweikämpfe. Der Innenverteidiger spielte zudem 27 Pässe ins Angriffsdrittel - die meisten bei Portugal. Pro Spiel fängt er immerhin zwei Bälle ab, seine Tacklings sind nach wie vor extrem gut getimt und gegnerische Stürmer spüren seinen Atem weiter äußerst ungern im Nacken.
Entsprechend zufrieden zeigte sich Pepe nach dem 6:1. "Es war das Kollektiv. All das, was der Trainer von uns haben wollte, haben wir umgesetzt", sagte der 39-Jährige und zählte auf: "Wir haben hinten wenig zugelassen und vorne unsere Tore gemacht. Wir hatten ein gutes Umschaltspiel, waren aber auch gut gegen den Ball. Wir sind wirklich auf den Punkt gut drauf."
Und übrigens: Entgegen seinem schlechten Ruf hat Pepe bei der WM noch keine Verwarnung kassiert.
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WM 2022: Pepe (Portugal) feiert sein Tor zum 2:0 im Achtelfinale gegen die Schweiz

Fotocredit: Getty Images

3.) Die Schweiz enttäuscht auf ganzer Linie

Wer die Schweiz beim 3:2 gegen Serbien zum Abschluss der Vorrunde gesehen hatte, der traute den Eidgenossen gegen Portugal auch eine Überraschung zu.
Im Achtelfinale bekam die Schweizer Nati aber in keiner Phase die Intensität des Hass-Duells mit den Serben auf den Rasen. Seltsam passiv wirkte vor allem das Mittelfeld, schleppend die Abwehrbemühungen, uninspiriert die Pässe in die Spitze.
"Es hat heute alles gefehlt bei den Schweizern, sie sind heute an ihre Grenzen gestoßen", urteilte Experte Michael Ballack bei "MagentaTV": "Sie haben gegen eine fantastische portugiesische Mannschaft gespielt und die ihnen in allen Belangen überlegen war."
Der lasche Gegner-Druck von Granit Xhaka beim 0:1, entstehend aus einem Einwurf, sei als ein Beispiel genannt. Ex-Nati-Spieler Ciriaco Sforza sah bei "MagentaTV" beim 0:2 ein zweites: "Da stehen vier Schweizer gegen Pepe - und wir verteidigen nur im Raum. Das ist unnötig."
Unnötig war im Nachhinein betrachtet auch die Systemumstellung von Trainer Murat Yakin. Hatte die Schweiz in der Vorrunde im 4-2-3-1 defensiv stabil gespielt, stellte er gegen Portugal auf Dreierkette (3-1-4-2) um - und fiel auf die Nase.
Anfangs konnten die Schweizer die Portugiesen zwar noch mit einem starken Angriffspressing vom eigenen Tor weghalten, spätestens mit dem 0:2 funktionierte dann aber gar nichts mehr.
"Wir haben überraschend die Formation gewechselt und haben versucht, dem Gegner damit Probleme zu bereiten. Leider ist unser Plan nicht aufgegangen", meinte ein enttäuschter Xherdan Shaqiri: "Wir haben das Spiel schon in der ersten Halbzeit verloren. Aber das hier ist Top-Niveau im Fußball, da wirst du knallhart bestraft."
Der Alptraum Achtelfinale ging damit für die Schweiz in die nächste Runde - seit 1994 war für die Eidgenossen bei fünf von sechs WM-Runden in der Runde der letzten 16 Endstation (2010 gab's ein Vorrunden-Aus). Zuletzt im Viertelfinale stand die Schweiz 1954 im eigenen Land. Es wird nun also mindestens 72 Jahre dauern, bis dieser Makel ausradiert ist. "Es sind viele Dinge nicht gut gelaufen", musste Yakin zugeben.
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