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WM 2022: Kolumne von Holger Badstuber - Frankreich kann nur die eigene Arroganz stoppen

Holger Badstuber

Update 04/12/2022 um 10:07 GMT+1 Uhr

In seiner WM-Kolumne nimmt Eurosport-Experte Holger Badstuber vor dem Achtelfinale den Titelfavoriten Frankreich unter die Lupe und benennt sowohl Stärken als auch Schwächen der "Equipe Tricolore". Das Team von Trainer Didier Deschamps trifft in der Runde der letzten 16 heute auf Polen. Auch zu Sorgenkind Benjamin Pavard und der Leistung von Dayot Upamecano äußert sich der 33-Jährige.

WM 2022: Kylian Mbappé (Frankreich) ist einer der Superstars der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar

Fotocredit: Getty Images

Servus Fußball-Freunde!
Die WM in Katar tritt in die Kernphase ein, die K.o.-Runde steht dicht bevor und für mich haben sich die Top-Favoriten auf den Titel herauskristallisiert. Neben Brasilien gehört vor allem Frankreich dazu. Weil mich diese Mannschaft fasziniert, will ich einen genaueren Blick auf sie werfen.
Wichtigste Erkenntnis nach der Vorrunde: Trainer Didier Deschamps ist es gelungen, die Ausfälle von Stars wie Pogba, Kanté, Benzema und Hernández zu kompensieren. Das zeugt von enormer Stärke und davon, dass Frankreich in der Breite extrem stark besetzt ist.
Wenn die ersten 14 bis 16 Spieler voll einsatzfähig bleiben, ist diese Mannschaft schwer zu schlagen. Das Gebilde um Superstar Mbappé funktioniert zu 100 Prozent, befindet sich auf einem sehr hohen Niveau und wird dieses halten können.
Olivier Giroud ist der dringend benötigte Stoßstürmer und in exzellenter Form. Daneben strahlen Dembélé, Griezmann, Mbappé und auch Coman pure Gefahr aus. Wichtig ist, dass mit Tchouaméni, Rabiot und Camavinga ein zentrales Mittelfeld besteht, das die Position hält. Premium ist auch die letzte Reihe, gerade in der Innenverteidigung besetzt mit Hochkarätern, die seit Jahren auf Top-Niveau spielen.

Frankreichs Gegner benötigen einen Sahnetag

Da fügt sich auch Dayot Upamecano nahtlos ein. Ich kann verstehen, wenn er in Frankreich kritisch gesehen wird, weil er dort sicher nicht das Standing wie ein Varane, Koundé oder Konaté hat. Doch er macht das sehr gut. Auch weil er nach einer mittelmäßigen ersten Saison beim FC Bayern jetzt mehr Fuß gefasst hat. Er muss stabil bleiben, klar spielen, gegen JEDEN Gegner konzentriert bleiben, das wollen die Fans sehen. Gelingt das, wird er sich in der Nationalmannschaft dauerhaft festspielen.
Nur wenn der Gegner über sich hinauswächst und insbesondere in der Defensive viel mehr investiert als Frankreich, könnte es brenzlig werden.
Was die Equipe generell unberechenbar macht, ist die Variabilität. Sie kann sowohl tief stehen, hoch pressen, auf Konter spielen oder mit Ballbesitz umgehen. Im Achtelfinale gegen Polen ist die Favoritenrolle klar verteilt. Nur wenn der Gegner über sich hinauswächst und insbesondere in der Defensive viel mehr investiert als Frankreich, könnte es brenzlig werden.
Die Niederlage gegen Tunesien im letzten Gruppenspiel war nicht weiter tragisch. Natürlich war die Leistung schwach, aber sie wurde auch in Kauf genommen. Deschamps wirkt in seinen Entscheidungen klar und die Spieler sind erfahren genug, um die Situation richtig einzuschätzen. Der Trainer sah es nicht ein, seine Stars einem unnötigen Risiko auszusetzen. Sie waren schon qualifiziert, haben Leistungsträger geschont. Die Akkus sind jetzt aufgeladen und bereit für die K.o.-Runde. Die Enttäuschung der Fans ist nachvollziehbar, Sorge aber unberechtigt.
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Kingsley Coman beim WM-Spiel gegen Frankreich

Fotocredit: Getty Images

Anders empfinde ich die Situation von Benjamin Pavard. Beim VfB Stuttgart habe ich ihn als Mitspieler und Mensch kennen und schätzen gelernt. Benji ist jetzt in einer Phase, in der er ganz offensichtlich Probleme hat und sein Umfeld entscheidend sein kann. Für ihn wünsche ich mir, dass er schnell wieder zurück in die Spur und zu alter Stärke findet. Er sollte sich daran erinnern, was er in der Vergangenheit geleistet hat, wie viele Titel er schon gesammelt hat und wie oft er Teil einer erfolgreichen Mannschaft war.
Pavard ist und bleibt ein sehr guter Spieler. Diese Gewissheit sollte ihm Selbstvertrauen geben. Der Fußball ist so schnelllebig, er kann sich zurückkämpfen und möglicherweise wird er in diesem Turnier noch die Gelegenheit bekommen, einen Glanzpunkt zu setzen. Die Daumen sind gedrückt.
Gleiches gilt für Lucas Hernández. Ich weiß aus eigener Erfahrung nur zu gut, was so eine Verletzung für einen Spieler bedeutet. Er muss durch diesen Prozess der Heilung und des Aufbautrainings gehen, das dauert. Er muss sich Zeit nehmen und mental bereit für diese Challenge sein. Es werden keine einfachen Monate für ihn, aber beim FC Bayern hat er ein gutes Umfeld. Er schafft es.
Der Grat zwischen natürlichem Selbstvertrauen und Überheblichkeit ist sehr schmal.
Trotz des großen Respekts für das Potenzial der Tricolore, sehe ich auch eine echte Gefahr. Der Grat zwischen natürlichem Selbstvertrauen und Überheblichkeit ist sehr schmal. Aus dem EM-Achtelfinale gegen die Schweiz sollte das Team gelernt haben. Das Aus war bezeichnend für eine Mannschaft, die viel Qualität hat, aber in die falsche Richtung abdriftet.
Der Beweis, dass Frankreich auch die Fähigkeit hat, sich voll auf den Erfolg zu fokussieren, steht im Spiel gegen Polen noch aus.
Ich bin gespannt.
Euer Holger Badstuber

Zur Person Holger Badstuber:

Holger Badstuber spielte von 2010 bis 2015 insgesamt 31 Mal für die deutsche Nationalmannschaft. Mit dem FC Bayern München wurde er sechsmal Deutscher Meister und gewann 2013 die Champions League. Für Eurosport ist er Experte für die WM 2022 in Katar.
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