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Handball-WM 2023 - Pascal Hens im Interview: So kann Deutschland im Viertelfinale Frankreich knacken

Robert Bauer

Update 24/01/2023 um 19:19 GMT+1 Uhr

Deutschland steht bei der Handball-WM nach starken Auftritten und fünf Siegen aus sechs Spielen im Viertelfinale, wo das DHB-Team auf Frankreich trifft. Eurosport-Experte Pascal Hens blickt voller Vorfreude auf das Duell voraus. Der Ex-Nationalspieler verrät exklusiv, worauf es aus deutscher Sicht im Viertelfinale ankommt und warum er alles andere als traurig ist, dass es nicht gegen Spanien geht.

DHB-Stars optimistisch: "Werden ein anderes Gesicht zeigen"

Die deutsche Nationalmannschaft hat bei der Handball-WM in Polen und Schweden zarte Medaillenhoffnungen geweckt.
Die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason steht nach überzeugenden Auftritten und fünf Siegen aus sechs Spielen im Viertelfinale, wo die DHB-Auswahl nun auf Olympiasieger Frankreich (Mittwoch, 20:30 Uhr im Liveticker) trifft.
Eurosport-Experte Pascal Hens blickt voller Vorfreude auf den Kracher in der K.o-Runde zwischen Deutschland und dem Rekordweltmeister voraus.
Der ehemalige Nationalspieler verrät im Exklusiv-Interview, worauf es aus deutscher Sicht gegen Frankreich ankommt und warum er alles andere als traurig ist, dass es für das Team um Kapitän Johannes Golla im Viertelfinale nicht gegen die spanische Nationalmannschaft geht.
Das Interview führte Robert Bauer.
Herr Hens, Sie haben vor dem Auftakt der WM-Hauptrunde gesagt, dass mit Norwegen und den Niederlanden zwei richtig harte Brocken auf die deutsche Mannschaft zukommen. Am Ende stehen nun zwei Siege gegen Argentinien (39:19; Anm. d. Red.) und die Niederlande (33:26; Anm. d. Red.) sowie eine knappe Niederlage gegen Norwegen (26:28; Anm. d. Red.) zu Buche - wie lautet Ihr Fazit zu den Auftritten der DHB-Auswahl in der Hauptrunde?
Pascal Hens: Wir können sehr zufrieden sein. Die Mannschaft hat da weitergemacht, wo sie in der Vorrunde aufgehört hat. Es ist vorne in der Weltspitze sehr eng. Das Spiel gegen Norwegen war Spitz auf Knopf. Wir haben 25:24 geführt und hatten sogar die Möglichkeit, auf zwei Tore wegzuziehen. Am Ende haben es die Norweger für sich entschieden, weil sie mit Torbjörn Bergerud einen überragenden Torhüter hatten. Das ist aber ganz normal und kann passieren. Zum Glück ging es in dem Spiel nicht mehr um so viel, weil das Viertelfinale schon sicher war. Deshalb können wir das verkraften.
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Rune Dahmke (l./Deutschland) gegen Torbjörn Bergerud (Norwegen) bei der Handball-WM

Fotocredit: Getty Images

Speziell in der Abwehr haben Sie nach der Gruppenphase Verbesserungen angemahnt. Hat die deutsche Mannschaft Ihrer Meinung nach defensiv einen Schritt nach vorne gemacht?
Hens: Es ist auf jeden Fall mehr Stabilität reingekommen als noch in der Vorrunde. Gerade gegen die Niederlande, als es gegen diese kleinen, quirligen Rückraumspieler wie Luc Steins und Dani Baijens ging, haben die vier Leute im Innenblock einwandfrei gearbeitet und sich gut geholfen. Zuletzt gegen Norwegen haben wir dann eine etwas offensivere Ausrichtung ausprobiert, weil wir in der ersten Halbzeit mit der 6-0-Deckung nicht ganz zurechtkamen.
Obwohl es am Montag gegen Norwegen "nur" noch um den Gruppensieg ging, wirkten die Spieler nach der ersten Niederlage bei der WM ziemlich enttäuscht. Besteht die Gefahr, dass die Mannschaft durch die Niederlage einen mentalen Knacks bekommt oder schüttelt man das als Spieler einfach ab?
Hens: Ich glaube, es ist normal, dass man nach einer Niederlage im ersten Moment enttäuscht ist. Die Jungs wollten das Spiel unbedingt gewinnen, das hat man auch an dem Auftritt von Anfang an gesehen. Die Torhüter der Norweger, egal ob Kristian Saeveras in der ersten Halbzeit oder später Bergerud waren aber einfach stark. Klar bist du dann am Ende enttäuscht, wenn du das Spiel nicht gewonnen hast. Zumal die Möglichkeiten da waren. Die Mannschaft war vorher schon sicher im Viertelfinale, da fehlen dann vielleicht automatisch ein, zwei Prozent. Jetzt heißt es einfach Mund abwischen und weiter geht's. Der nächste Gegner lautet Frankreich, mit dem muss sich Deutschland nun auseinandersetzen. Ich glaube nicht, dass die Niederlage bei den Jungs einen großen Knacks hinterlässt. Im Gegenteil, die freuen sich jetzt auf das K.o.-Spiel, das gegen die starken Franzosen ansteht und werden sich darauf bestmöglich vorbereiten. Das Norwegen-Spiel ist dann schon wieder vergessen.
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Andreas Wolff (l./Deutschland) im Spiel gegen Norwegen - Handball.WM

Fotocredit: Getty Images

Frankreich hat sehr viele Möglichkeiten
Sie haben das Viertelfinale gegen Frankreich, einen der WM-Mitfavoriten, schon angesprochen. Was macht den Olympiasieger so stark?
Hens: Zum einen haben sie eine sehr stabile Abwehr und darüber hinaus individuell sehr, sehr starke Jungs. Außerdem haben sie so viele Linkshänder wie keine andere Nation, hier sind sie wirklich überragend aufgestellt. Dika Mem hat zuletzt ein paar Spiele pausiert, weil er leicht angeschlagen war. Gegen Spanien (28:26; Anm. d. Red.) ist er aber wieder auf die Platte zurückgekehrt, was bedeutet, dass ihre etatmäßige Nummer eins im rechten Rückraum wieder da ist. Frankreich hat sehr viele Möglichkeiten, gerade was die Wechsel angeht. Und das, obwohl zwei, drei Spieler in ihrem Kader fehlen. Sie haben so einen breiten Kader, dass die Ausfälle fast gar nicht auffallen. Wenn du dich gegen sie im Angriff gegen ihre Abwehr aufreiben musst, dann wird es sehr schwierig, weil die Franzosen gut aufeinander abgestimmt sind. Außerdem haben sie bei diesem Turnier einen guten Vincent Gérard im Tor. Obwohl Frankreich bei der WM bislang sehr stark gespielt hat, sind sie für mich aber nicht der Topfavorit. Die heißesten Titelkandidaten bleiben für mich Schweden und Dänemark.
Mit Dika Mem und Nedim Remili haben sie zwei brandgefährliche Spieler. Den meisten in Deutschland dürfte aber vor allem der Name Nikola Karabatic ein Begriff sein. Welche Rolle spielt er im französischen Team und wie groß ist sein Einfluss?
Hens: Er ist auf der Platte nicht mehr der absolute Go-to-Guy, der er vielleicht früher mal war, aber er hilft der Mannschaft mit seiner Erfahrung und seiner Präsenz auf dem Feld. Wir reden hier von Nikola Karabatic, der seit 20 Jahren in der französischen Nationalmannschaft spielt. Er weiß also, wie das Spiel funktioniert. Karabatic wird natürlich älter, aber das bedeutet nicht, dass er unwichtiger wird. Seine Erfahrung hilft ihm sehr, aber die Go-to-Guys im französischen Team sind in meinen Augen mittlerweile andere.
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Nikola Karabatic (Frankreich) - Handball-WM

Fotocredit: Imago

Bin nicht traurig, dass wir nicht auf Spanien treffen
Bundestrainer Alfred Gislason meinte nach dem Spiel gegen Norwegen, er hätte lieber Spanien als Gegner gehabt, Torhüter Andreas Wolff dagegen Frankreich. Was sagen Sie, liegt Frankreich dem deutschen Team sogar besser als Spanien und wenn ja, warum?
Hens: Ich glaube, dass es vielleicht gar nicht so schlecht ist, dass wir Frankreich als Gegner haben, obwohl sie bei dieser WM spielerisch noch ein Stück stärker einzuschätzen sind als Spanien. Als es in den vergangenen Turnieren häufiger gegen Spanien ging, haben uns immer Gonzalo Pérez de Vargas und Rodrigo Corrales im Tor fertig gemacht (lacht). Deswegen bin ich jetzt nicht traurig, dass wir dieses Mal nicht gegen dieses überragende Torhüter-Duo ranmüssen, das zuletzt gegen uns immer super performt hat. Zudem hat man aus den vergangenen Turnieren dieses negative Gefühl, weil Deutschland immer gegen Spanien verloren hat. Es ist oft die Rede davon, dass wir Spanien 2016 im EM-Finale mit einem bärenstarken Andreas Wolff geschlagen haben (24:17; Anm. d. Red.), aber das ist jetzt bereits sieben Jahre her. Danach ist viel passiert, da müssen wir uns nichts vormachen. Andi Wolff ist genauso auf diesem Trichter und meinte, dass 2016 schon lang vergangen ist und danach einige andere Spiele dazwischen gewesen sind.
Gegen Frankreich sind wir der klare Außenseiter, auch weil sie bislang alles gewonnen haben. Es ist aber alles möglich in der internationalen Spitze - da kann ein enges Spiel auch mal in die andere Richtung ausschlagen. Trotzdem muss dafür bei uns viel zusammenkommen. Wir brauchen zwar einen Sahnetag, aber es ist nicht so, dass ich Angst vor dem Spiel hätte. Die Jungs haben bislang Spaß gemacht. Sie müssen aber genauso mutig, wenn nicht sogar noch ein bisschen mutiger als in den vergangenen Spielen zu Werke gehen. Speziell was die Überzeugung im Gegenstoß angeht. Dann haben wir auch gegen Frankreich eine Chance.
Dann ist auch gegen Frankreich etwas möglich
Gegen Norwegen hat Deutschland durchaus bewiesen, dass man mit einem Topteam mithalten kann. Worauf kommt es für die Mannschaft jetzt an, um auch gegen Frankreich bestehen zu können?
Hens: Wir müssen darauf aus sein, nicht so viel Sechs gegen Sechs vorne zu spielen. Stattdessen gilt es, in der Abwehr sicher zu stehen mit einem Andreas Wolff oder Joel Birlehm in sehr guter Verfassung. Dann ist es auch möglich, aus Ballgewinnen ein paar einfache Tore zu erzielen. Denn Frankreich ist bei Sechs gegen Sechs in der Abwehr sehr stark, da wird es schwer, sich durchzuackern. Deshalb spielt auch der Wille eine entscheidende Rolle. Du musst immer positiv sein. Die Jungs wissen genau, dass ein Handballspiel aus vielen Phasen besteht. Es kann sein, dass du einen 3:0-Lauf startest, genauso gut kann es aber auch sein, dass du einen 0:4-Lauf gegen dich hast. Das muss aber alles noch nichts heißen. Die Mannschaft muss immer den Willen behalten, denn wenn du den verlierst und wie Angsthasen nach vorne spielst, dann beraubst du dich deiner eigenen Stärke und wirst dir gegen Frankreich die Zähne ausbeißen. Wir müssen einfach mutig nach vorne gehen mit Tempogegenstößen, der schnellen Mitte und der ersten oder zweiten Welle - dann ist auch gegen Frankreich etwas möglich.
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Juri Knorr bei der Handball-WM

Fotocredit: Getty Images

Wir haben den nächsten Schritt gemacht
Apropos: Wie stehen Ihrer Meinung nach die Chancen, Frankreich zu knacken?
Hens: Wir sind zwar der Außenseiter, aber die Stimmung ist völlig zurecht positiv. Mir macht das Auftreten der Mannschaft einfach Spaß. Ich habe schon vor dem Turnier gesagt, dass bei der WM viel möglich ist, aber es ist eben auch sehr eng an der Spitze. Es stehen wirklich acht absolute Topmannschaften im WM-Viertelfinale. Selbst wenn es für Deutschland jetzt vielleicht vorbei sein sollte, haben wir den nächsten Schritt gemacht. Gerade im Hinblick auf die Heim-EM im kommenden Jahr ist es sehr, sehr wichtig, dass sich die Mannschaft weiterentwickelt, zusammenfindet und ihren Weg geht. Deshalb war es ein wichtiger Schritt, den die Jungs bisher gemacht haben. Und der Weg muss auch noch nicht vorbei sein. An einem guten Tag ist es möglich, die Franzosen zu schlagen. Wir sind zwar der Außenseiter, aber wir sind sicher nicht chancenlos. Das sind alles Dinge, die einen sehr positiv für die Zukunft stimmen. Wir reden schließlich nicht von alten Säcken, die da rumlaufen, sondern von Jungs im Alter zwischen 22 und 25 Jahren, wir haben viele junge Leute dabei. Diese Spieler werden in den kommenden Jahren das Gerüst der Mannschaft bilden.
Trauen Sie noch einem Team im Viertelfinale eine Überraschung zu oder sehen wir am Ende die vermeintlichen Topfavoriten im Halbfinale?
Hens: Die Frage ist, was überhaupt eine Überraschung wäre, weil es eigentlich keine richtig krassen Außenseiter mehr gibt. Es sind jetzt nur noch Mannschaften übrig, die sehr, sehr stark sind und völlig zurecht im Viertelfinale stehen. Ich denke, Ungarn ist gegen Dänemark in der Außenseiterrolle. Sie werden dem Favoriten höchstwahrscheinlich aber nicht gefährlich werden können. Ägypten hatte gegen Kroatien in der Gruppenphase ein überragendes Ergebnis. Zuletzt waren die Resultate aber nicht mehr ganz so überzeugend. Obwohl sie gegen Schweden auch der Außenseiter sind, werden sie wieder ihre Möglichkeiten bekommen. Letztlich glaube ich aber, dass die Schweden zu Hause das Ding wuppen werden. Ich hoffe, dass das alles ausgeglichene Matches werden, bei denen es interessant sein wird zuzusehen.
Die geplanten Live-Übertragungen der Handball-WM bei Eurosport 1 im Free-TV:
  • Mittwoch, 25. Januar | 17:45 Uhr | Norwegen gegen Spanien | Viertelfinale
  • Freitag, 27. Januar | 17:45 Uhr | Halbfinale 1 (ohne dt. Beteiligung)
  • Freitag, 27. Januar | 20:15/20:45 Uhr | Halbfinale 2 (ohne dt. Beteiligung)
  • Sonntag, 29. Januar | 20:15/20:45 Uhr | Finale (ohne dt. Beteiligung)
Die Übertragungen der Partien im weiteren Turnierverlauf werden kurzfristig bekanntgegeben. Änderungen aus redaktionellen Gründen vorbehalten.
Hinweis: Warner Bros. Discovery zeigt bis zu 15 Spiele der IHF Men’s World Championship 2023 live im Free-TV bei Eurosport 1. Das von sportdeutschland.tv sublizenzierte Rechtepaket für das Turnier, das vom 11. bis 29. Januar in Polen und Schweden ausgetragen wird, umfasst Spiele ohne deutsche Beteiligung - darunter auch die beiden Halbfinals sowie das Finale, sollte das DHB-Team diese Partien nicht erreichen.
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