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Giro d'Italia, 20. Etappe: Lennard Kämna der "MVP" der Königsetappe - schwarzer Tag fürs Rosa Trikot

Andreas Schulz

Update 26/07/2022 um 14:29 GMT+2 Uhr

Auf der 20. Etappe des Giro d'Italia gelang es Team Bora-hansgrohe auf der letzten Bergetappe doch noch, durch einen perfekten aufgegangenen Plan mit Jai Hindley das Rosa Trikot zu erobern. Auf den 168 Kilometern zur Bergankunft am Passo Fedaia platzierte der deutsche Rennstall mit Lennard Kämna einen Fahrer in der Ausreißergruppe des Tages - was sich auszahlen sollte. Drei Dinge, die auffielen.

Highlights: Paukenschlag im Kampf um Rosa - Bora trumpft am Passo Fedaia auf

Der Showdown auf der 20. Etappe mit drei schweren Bergen der höchsten Kategorien sollte den erwarteten Schlagabtausch um die Podiumsplätze bringen.
Auf den letzten steilen Kilometern zum Ziel auf 2057 Metern Höhe spitzte sich der Kampf um die Gesamtwertung dramatisch zu. Zuerst konnte Mikel Landa, Dritter der Gesamtwertung, Hindley und Richard Carapaz nicht mehr folgen, dann attackierte der Bora-Kapitän den Träger des Rosa Trikots.
Waren die drei stärksten Kletterer dieses Giro bis dahin stets auf Augenhöhe zueinander gewesen, konnte Hindley am Ende beide abhängen und einen unerwartet großen Vorsprung herausfahren.
Wie 2020 eroberte der Profi aus Perth am vorletzten Tag die Spitze der Gesamtwertung - diesmal aber mit weitaus besseren Karten, die Führung auch nach der Schlussetappe zu behalten.
Drei Dinge, die auffielen:

1. Kämna der "MVP" der Königsetappe

Es ist ein Klassiker aus der Radsport-Taktikkiste, doch heute zeigte sich, wie wirkungsvoll er im Idealfall sein kann. Platziere einen Fahrer in der Fluchtgruppe des Tages und nutze ihn dann im Finale als Helfer für den Kapitän - die berühmte "Relaisstation". Der Bora-Rennstall griff ebenso wie Team Bahrain auf dieses Werkzeug zurück, doch während Lennard Kämna die Rolle mustergültig ausfüllte, wurde sein Begleiter Domen Novak in der entscheidenden Rennphase zum Negativbeispiel: Etappensieg als Zweiter verpasst, keine Unterstützung für Landa gewesen - genau so macht man es nicht.
Kämna hingegen wartete 3,5 Kilometer vor dem Ziel in den steilsten Abschnitten auf Hindley und als dieser seine Attacke startete, setzte er sich noch einmal als Tempomacher vor ihn. Damit aber nicht genug, denn als er das Tempo seines furios kurbelnden Kapitäns nicht mehr halten konnte, kam Phase zwei: Der Etappensieger vom Ätna ließ sich nicht etwa einfach erschöpft zurückfallen, sondern leistete dem mühsam jagenden Carapaz Gesellschaft. Kämna fuhr neben ihm, heftete sich ans Hinterrad, schob sich im engen Spalier der Zuschauer vor ihn - das ganze Repertoire der psychologisch so zermürbenden Störmanöver wurde aufgeboten, ohne dabei unfair zu agieren.
Letztlich war der 25-Jährige sogar dermaßen stark, dass er den Olympiasieger einfach überholen und abhängen konnte - ein weiterer Schlag für den wankenden Ineos-Star. Fast 20 Sekunden nahm Kämna dem leidenden Carapaz noch ab, wurde Zehnter dieser Königsetappe und von Eurosport-Experte Bernie Eisel mir Recht als "MVP der Etappe" geadelt.
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"Lennard war heute MVP": Kämna brilliert als Hindleys Ass im Ärmel

2. Covi rettet seinem Team den Giro

Ende gut, (fast) alles gut: Der Triumph auf der Königsetappe durch Alessandro Covi beschert dem UAE-Rennstall doch noch ein versöhnliches Ende eines zuvor eher verkorksten Giro. Die Hoffnungen, mit Joao Almeida um den Gesamtsieg kämpfen zu können, erfüllten sich nicht, auch ein Platz auf dem Podium geriet in der Schlusswoche außer Reichweite - bevor eine Corona-Infektion den Portugiesen ganz aus dem Rennen warf.
Topsprinter Fernando Gaviria blieb gleichermaßen ohne Erfolg, er verpasste als Zweiter, Dritter und Vierter mehrfach knapp einen Etappensieg, wurde einmal für unsaubere Fahrweise ans Ende des Feldes versetzt und war auch dadurch letztlich in der Punktewertung chancenlos gegen den französischen Dreifachsieger Arnaud Démare.
Die erfahrenen Etappenjäger Diego Ulissi, Rui Costa und Davide Formolo blieben die drei Wochen über ebenfalls ohne Fortune - nun gelang dem Jüngsten im Team noch der erlösende Sieg. Schon weit vor dem Ziel versuchte er als Solist aus der starken Fluchtgruppe heraus sein Glück, das der 23-Jährige im Ziel kaum fassen konnte: "Ich war in der Spitze nicht der beste Kletterer und musste so schon mit Vorsprung in den letzten Anstieg gehen, deshalb hatte ich so früh angegriffen. Am Ende hat es geklappt, ich bin super glücklich."
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Carapaz quält sich ins Ziel - Hindley holt Rosa: Finale der 20. Etappe

3. Hass statt letztes Hurra bei Nibali

Die Tifosi hatten auf ihr Idol gehofft, die Experten ihn zum Topfavoriten auf den Tagessieg erklärt: Doch die letzte Giro-Bergetappe in der langen Karriere von Vincenzo Nibali brachte nicht das erwartete Feuerwerk. Keine Attacke in den Anstiegen, kein furioser Ritt in den Abfahrten. Die 230. Giro-Etappe in der Laufbahn des 37-Jährigen war keine seiner spektakulären, wer gar von einem Umsturz samt Sprung aufs Podium wie auf der 20. Etappe 2016 geträumt hatte, sah sich enttäuscht.
Seine Rechnung mit dem Anstieg am Passo Fedaia blieb offen: "Ich habe diesen Berg immer gehasst und heute hat sich meine Meinung nicht geändert", so der Italiener.
Doch es war kein enttäuschender Giro des Sizilianers, sein vierter Gesamtrang ist mehr als beeindruckend und zum Glück wusste Nibali dies im Ziel auch selbst zu schätzen. "Meine Bilanz ist auf jeden Fall positiv. Es so weit geschafft zu haben, macht mich glücklich." Ausgerechnet bei der ersten Bergankunft in seiner Heimat am Ätna hatte er früh unerwartet viel Boden verloren, sich dann aber Platz um Platz wieder bis an den Fuß des Podiums gekämpft. Zum sechsten Mal wird er nun einen Giro in den Top 5 beenden. Seine Bilanz fällt deshalb zu Recht absolut positiv aus:
"Ich bin zufrieden mit diesem Giro, ich beende ihn mit einem exzellenten Ergebnis."
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"Er ist total übers Limit gegangen": Kämna feiert Hindley

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