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Giro d'Italia | Lennard Kämna kommt auf Königsetappe ans Limit: Bora-Kapitän verliert Plätze - Drei Dinge die auffielen

Andreas Schulz

Update 12/06/2023 um 15:39 GMT+2 Uhr

Die Königsetappe des Giro d'Italia zur Bergankunft an den Drei Zinnen wurde zum absoluten Härtetest für die Fahrer. Sowohl im Kampf um den Etappensieg als auch ums Gesamtklassement verlangten die steilen Rampen und die große Höhe dem Peloton am Ende der drei zehrenden Wochen noch einmal alles ab. Fünf Bergwertungen und 5400 Höhenmeter brachten die Profis ans Limit. Drei Dinge, die auffielen.

Highlights: Showdown um Rosa in den Dolomiten

Drei Ausreißern gelang es, sich vor den Favoriten am Ende der 183 Kilometer zu den Tre Cime di Lavaredo ins Ziel zu retten, wo Santiago Buitrago wie im Vorjahr den Sieg bei einer Giro-Bergetappe bejubeln konnte.
Hinter dem Kolumbianer und seinen beiden letzten einstigen Begleitern aus der Fluchtgruppe des Tages entbrannte im Schlussanstieg der Schlagabtausch der Favoriten mit voller Wucht.
An den steilen letzten Kilometern weit über der 2000-Meter-Grenze gingen sowohl Geraint Thomas als auch Primoz Roglic jeweils in die Offensive, nachdem zuvor die Ineos-Edelhelfer die Gruppe der Topfahrer schon massiv ausgedünnt hatten. Vor dem den Kampf ums maglia rosa abschließenden Bergzeitfahren auf der 20. Etappe erhielt das Gesamtklassement dadurch neue Konturen.
Drei Dinge, die auffielen:

1.) Kämna kommt an sein Limit

Bis zur Königsetappe konnte Lennard Kämna vom historischen Coup träumen. Noch nie beendete ein Deutscher bei 106 Austragungen den Giro besser als Rang fünf, diese Marke hätte der 26-Jährige einstellen oder angesichts seiner Konstanz und Klasse in den letzten drei Wochen in Rom sogar brechen können.
Doch das beinharte Finale in den Dolomiten warf ihn um zwei Plätze auf den achten Gesamtrang zurück. "Es war wieder ein superhartes Rennen", resümierte er gegenüber "radsportnews.com" nach der Ankunft auf 2304 Metern Höhe, "der steile Berg war etwas zu steil für mich. Da war ich doch sehr am Limit. Das war das Maximale, was ich in den Beinen hatte."
Als 18. im Tagesklassement verlor er gegenüber allen direkten Konkurrenten an Boden, teils nur Sekunden, aber teils eben auch über eine Minute. "Natürlich hätte ich mir gewünscht, weiter auf sechs oder sieben zu sein, jetzt bin ich Achter. Das stört mich schon ein bisschen, wenn ich ganz ehrlich bin", sagte Kämna, der beim Giro erstmals mit vollem Fokus auf die Gesamtwertung fährt.
Nun hofft der einstige Junioren-Weltmeister im Zeitfahren auf den anstehenden Kampf gegen die Uhr über 18,6 Kilometer und über 1000 Höhenmeter: "Ich habe aber die 20. Etappe noch und hoffe, dass ich noch einen Platz nach vorne komme", gibt sich der Bora-Kapitän für Samstag kämpferisch.
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"Der Berg ist die Hölle": Zeitfahren wird zum Zünglein an der Waage

2.) Oldies glänzen beim Giro

Die Ära der Top-Talente ist das große Thema des Radsports, immer mehr immer jüngere Profis dominieren die Rennen und Rundfahrten, so der (vielfach durchaus berechtigte) Eindruck. Der 106. Giro ist auf seiner Zielgeraden aber zu einem Beispiel dafür geworden, dass Erfahrung und Routine durchaus auch Trümpfe im Kampf um die Gesamtwertung sind, wie die 19. Etappe nachwies.
Der Dreikampf um den Gesamtsieg könnte an den Tre Cime zu einem Duell geworden sein, nachdem Joao Almeida den beiden "Oldies" Geraint Thomas (37) und Primoz Roglic (33) nicht folgen konnte und sich wohl entscheidenden weiteren Rückstand aufs Rosa Trikot einhandelte. Dahinter eroberte Damiano Caruso (35) den vierten Gesamtrang von Eddie Dunbar zurück und ist nun klar in der besten Ausgangsposition, "best of the rest" hinter den Top 3 zu werden. Mit Thibaut Pinot, der am Tag nach dem Giro-Finale seinen 33. Geburtstag feiert, steht ein weiterer Routinier bereit, sich nach dem starken Auftritt auf der Königsetappe auch noch in die Top 5 zu verbessern.
"Das ist das Ziel - ich will das Zeitfahren meines Lebens auspacken", kündigte der Franzose an. Dem jungen Gipfelstürmer Ben Healy zeigte er im Kampf ums Bergtrikot bei dessen Attacken in den Dolomiten ganz souverän, dass sich die alte Garde nicht so leicht austricksen lässt.
Das Bild in der Gesamtwertung ist selbstverständlich auch den Ausfällen von Remco Evenepoel (23), Tao Geoghegan Hart (28) und Aleksandr Vlasov (27) geschuldet - aber es sollte allen Rundfahrtspezialisten Ü30 Mut machen, dass Spitzenplätze weiterhin möglich sind: So wie es im Vorjahr schon beim Giro die Italiener Vincenzo Nibali (4./37) und Domenico Pozzovivo (8./39) bewiesen.

3.) Gee der tragische Held des Giro

Was für eine Bilanz: Vier zweite Plätze hat Derek Gee inzwischen bei diesem Giro d'Italia gesammelt, doch zum ersehnten ersten kanadischen Etappensieg in der Geschichte der Rundfahrt will es einfach 2023 nicht reichen. Innerhalb von 14 Tagen war er sieben Mal in den Spitzengruppen und konnte zu seinen Plätzen als "Kronprinz" zwei vierte Ränge erkämpfen. Mit seiner Angriffslust und unbändigem Kampfgeist hat er sich in die Herzen der Fans gefahren und ist zu einem der Gesichter dieses Giro geworden.
Im Ziel unterhalb der berühmten Zinnen stand der 25-Jährige Giro-Neuling erst ganz analytisch Rede und Antwort und erklärte, sein Plan sei heute eigentlich nur gewesen, Platz zwei in der Punktewertung abzusichern - was ihm fast gelungen ist, seine direkten Verfolger Pascal Ackermann oder Michael Matthews müssten am Schlusstag in Rom schon gewinnen und am Zwischensprint punkten, um ihn noch zu verdrängen. Im verlauf der Etappe aber ergaben sich dann neue Chancen und Ziele - der Sieg an drei Bergwertungen unterwegs und Platz zwei am Schlussanstieg brachten ihn auch im Kletterklassement um etliche Positionen nach vorne - nämlich natürlich bis auf Rang zwei. Gleiches Bild in der Ausreißerwertung, wo der Profi vom Team Israel - Premier Tech mit nun 483 Kilometern Zweiter ist.
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Derek Gee beim Giro d'Italia 2023

Fotocredit: Getty Images

Auch in der Gesamtwertung ist Gee immer weiter geklettert, und auch da bleibt ihm seine "Schicksalszahl" treu - inzwischen ist er 22. des Klassements. "Ich kann das alles noch nicht richtig fassen", gestand Gee nach der neuen Achterbahnfahrt der Gefühle im Ziel - um am Ende des Interviews dann doch um Fassung zu ringen, dem Betreuer um den zu Hals fallen und endlich den Emotionen freien Lauf zu lassen.
Doch ein Sieg winkt dem Profi aus Ottawa: Im Klassement der Zwischensprints führt er inzwischen, muss aber auf der Schlussetappe in Rom rechnerisch noch sechs Verfolger fürchten.
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Giro-Strecke, 20. Etappe: Entscheidung im Bergzeitfahren

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