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Tadej Pogacar gegen Mathieu van der Poel: Duell der Superhelden in Sanremo - Jens Voigts Vorschau zum Klassiker

Andreas Schulz

Update 15/03/2024 um 18:00 GMT+1 Uhr

Bei Mailand - Sanremo kommt es zum Duell der "Superhelden": Tadej Pogacar und Mathieu van der Poel jagen den Sieg beim Klassiker. Jens Voigt blickt im Exklusiv-Interview mit Eurosport.de auf den Zweikampf zwischen Weltmeister und Herausforderer und sieht für den Slowenen nur eine Chance, wie er den Niederländer knacken kann. Doch auch ein lachender Dritter könnte der Sieger in Sanremo sein.

Triumphfahrt nach Mega-Solo: Pogacar jubelt in Siena

Mit Mailand - Sanremo steht am Samstag (ab 15:00 Uhr im Liveticker) das erste Monument des Radsport-Jahres an und die Fans können sich auf einen packenden Schlagabtausch zweier Superstars freuen.
Eurosport-Experte Jens Voigt hat den epischen Auftritt von Tadej Pogacar bei Strade Bianche hautnah beobachtet - und sieht dennoch leichte Vorteile beim Sieger von 2023.
Neben den beiden Ausnahmekönnern zählen diesmal zwar leider keine deutschen Profis zu den Podiumskandidaten, doch für Voigt haben durchaus auch andere Starter ihre Chancen beim längsten Rennen der Saison über fast 300 Kilometer.
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Muss man bei Mailand - Sanremo, etwas zugespitzt, überhaupt über einen anderen Favoriten als Tadej Pogacar sprechen?
Jens Voigt: Ja, und zwar genau wegen Pogacar selbst. Der Slowene fährt bei Strade Bianche sein erstes Rennen dieses Jahres und gewinnt es in überragender Manier. Bei Mailand - Sanremo eröffnet nun ein weiterer Superheld des Radsports seine Saison - und zwar der Weltmeister. Wenn also Pogacar aus dem Trainingslager heraus ein großes Rennen gewinnen kann, könnte das auch Mathieu van der Poel gelingen. Hinzu kommt: Er ist nicht nur Weltmeister, sondern gleichzeitig Titelverteidiger in Sanremo.
Auf wen sollte man neben den beiden Überfliegern ein Auge haben?
Voigt: Matej Mohoric ist auf jeden Fall ein Fahrer, den man auf der Rechnung haben muss und der sich bei Strade Bianche unter Wert verkauft hat - er ist stärker, als man glaubt. Mads Pedersen und Jonathan Milan vom Team Lidl - Trek haben schon beide Siege geholt und zuletzt tolle Rennen gezeigt: Pedersen war stark bei Paris - Nizza, Milan bei Tirreno - Adriatico. Das Duo kann nun bei Mailand - Sanremo gemeinsam agieren und ist eine sehr interessante Doppelspitze.
Wie hat sich die Charakteristik des Rennens im Hinblick auf die Siegchancen verändert?
Voigt: Topfahrer wie Phil Bauhaus, Alexander Kristoff oder Michael Morkov, der da für seinen Astana-Teamkollegen Mark Cavendish gesprochen hat, sagen allesamt, dass es seit ein paar Jahren für die Sprinter dort nichts mehr zu holen gibt. Die Zeiten, in denen 50 Fahrer gemeinsam ins Ziel fuhren, sind vorbei. Die Sieger kommen jetzt als Solisten oder in einer kleinen Gruppe an. Das bedeutet, dass der Sprinter heutzutage in aller Regel um Platz sieben, acht oder elf fährt - aber nicht mehr um den Sieg.
Das dürfte einem Klassementfahrer wie Pogacar entgegenkommen ...
Voigt: Ja, und Tadej hat dazu ein gewisses Faible für Rekorde und Radsport-Historie. Er ist einer der wenigen aktiven Fahrer, der alle fünf Monumente gewinnen könnte. In Flandern hat er schon triumphiert, ebenso bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und der Lombardei-Rundfahrt. Es fehlt ihm als Sanremo, wo er bereits als Vierter und Fünfter dicht dran war, sowie Paris-Roubaix, was eher schwer für ihn wird. Darüber hinaus will Pogacar auch beim Giro d'Italia angreifen. Vor großen Herausforderungen hat er keine Scheu. Am Samstag wartet jetzt wohl das große Duell mit van der Poel, aus dem Mohoric aber als lachender Dritter hervorgehen könnte. Oder die Superstars neutralisieren sich frühzeitig, ein kletterstarker Sprinter wie Pedersen kommt doch mit über den letzten Anstieg am Poggio und kann dann auf der Zielgeraden zuschlagen.
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Sieg in Sanremo: Van der Poel krönt Alleingang

Wird es in diesem Jahr schon am vorletzten Anstieg, hinauf zur Cipressa, zur entscheidenden Rennsituation mit der Attacke der Topfavoriten kommen?
Voigt: Es könnte zumindest so sein, dass Pogacars Team dort schon mit drei, vier Fahrern richtig extrem Tempo macht, so dass dort am Ende nur noch ein Dutzend Fahrer zusammen ist und Pogacar aus einer entsprechend kleinen Gruppe ohne Sprinter am Poggio attackieren kann. Umgekehrt könnte auch die Mannschaft von Pedersen sich an der Cipressa breit vors Feld setzen, das Tempo verschleppen und dafür sorgen, dass ihr Kapitän den Anstieg gut übersteht. Wenn Pogacar gewinnen will, muss er für ein richtig schweres Rennen sorgen und van der Poel schon vor dem Poggio ans Limit bringen, nur so kann er ihn dort abhängen: Sonst wird er ihn nicht entscheidend los.
Der Name Tom Pidcock fiel bislang nicht. Der Brite vom Team Ineos Grenadiers hat viele Spitzenplätze in den letzten Wochen geholt, kann brillant abfahren und wäre damit eigentlich ein Podiumskandidat, oder?
Voigt: Ich irre mich gerne - aber ich fürchte, Tom Pidcock hat sich aktuell ein wenig ins Niemandsland manövriert. Er ist (noch) kein Klassementsfahrer, kein Bergfahrer - aber auch kein Puncheur mehr. Er ist überall recht gut und es gibt Hinweise, dass er bei der Tour de France das Gesamtklassement angreifen will. In dem Fall ist es umso schwerer, auch bei Rennen wie den Klassikern vorne sein zu wollen. Tom kann sicher in die Top Ten fahren, an eine Podiumsplatzierung glaube ich aber nicht.
Sie werden wie bei Strade Bianche wieder auf dem Begleitmotorrad für Eurosport hautnah am Feld sein: Wie war das Erlebnis auf den Schotterpisten in der Toskana?
Voigt: Als Pogacar da über 80 Kilometer vor dem Ziel angriff, dachte ich: Das ist wirklich sehr früh. Aber als wir an ihm vorbeigefahren sind, habe ich ihn kurz angefeuert - und da hat er aufgeschaut, mich erkannt und mir schnell zugelächelt: Und da wusste ich: Der gewinnt heute. Wer dafür Zeit hat bei einer Vollgas-Attacke, der wird der Sieger des Tages sein. Solche Einblicke bekommt man nur direkt an der Strecke und die versuche ich, den Zuschauern weiterzugeben und das macht enorm Spaß."
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"Legendär!" Voigt feiert Pogacars Solo-Ritt bei Strade Bianche

Pogacar hat in Italien in diesem Jahr auch nach Mailand - Sanremo noch große Ziel, er startet erstmals beim Giro und nimmt damit das Double ins Visier. Sein großer Tour-Rivale hat ähnlich wie er bei Strade Bianche mit seinen Auftritten bei Tirreno - Adriatico eine echte Duftmarke gesetzt. Das verspricht ein absolutes Feuerwerk im Sommer!
Voigt: Ja, beide sind extrem stark schon so früh in der Saison, Vingegaard hat ja schon sechs Siege in der Tasche! Spannend ist, dass Pogacar und Vingegaard völlig verschiedene Herangehensweisen an die Tour de France gewählt haben: Der Slowene geht das Double mit dem Giro d'Italia an, der Däne fokussiert sich ganz auf die Tour - und beide Ansätze machen für sich gesehen total Sinn. Das wird für die Fans toll zu beobachten, welcher Plan aufgeht. Dazu kommt als Dritter im Bunde Remco Evenepoel, der verliert auch nicht gerne, wie man bei Paris - Nizza gesehen hat. Daneben ist mit seinem Bezwinger Matteo Jorgenson noch ein neuer Name auf dem Spielfeld aufgetaucht - und Primoz Roglic dürfen wir natürlich nicht vergessen. Wichtiger Aspekt dabei: Die Fahrer verfolgen das Geschehen bei den Rennen ja auch und haben genau gemerkt, was die jeweilige Konkurrenz da zum Teil schon abgeliefert hat und fragt sich dann teilweise schon: Wie soll ich den Kerl denn schlagen? Das wird eine spektakuläre Saison für uns alle!
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"Noch immer Gänsehaut!" Stuyven über seinen Sanremo-Sieg 2021

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