Kitzbühel 2020 | Thomas Dreßen exklusiv: Darum spiele ich nicht mehr Fußball
VonThomas Janz
Update 23/01/2020 um 11:35 GMT+1 Uhr
Zwei Jahre nach seinem Triumph in Kitzbühel startet Thomas Dreßen nach überstandener Kreuzbandverletzung wieder auf der legendären Streif. Im Exklusiv-Interview mit Eurosport erklärt das 26-jährige DSV-Ass, warum das seit 1931 ausgetragene Hahnenkammrennen anders ist als andere Abfahrtsläufe im Weltcup und verrät, warum er mit seinem Teamkollegen zurzeit nicht mehr Fußballspielen kann.
Das Interview führte Thomas Janz
Mit dem Sieg in Lake Louise und Platz drei beim Lauberhorn-Klassiker in Wengen haben Sie nach Ihrem Kreuzbandriss ein sensationelles Comeback hingelegt. Wie war das möglich?
Thomas Dreßen: Nach der Kreuzbandoperation habe ich von Anfang an zu meinen Trainern, Ärzten und Therapeuten gesagt, sie sollen mir sagen, was ich zu tun habe. Ich hatte ja null Erfahrung, weil ich vorher noch nie eine Knieverletzung hatte. Daran habe ich mich gehalten. Wenn ich trainieren sollte, habe ich trainiert, wenn Pause angesagt war, habe ich pausiert. Im Skitraining habe ich anfangs versucht, technisch wieder alles voll in den Griff zu bekommen. Erst ab einem gewissen Niveau bin ich in Amerika wieder aufs Gaspedal gestiegen. In Lake Louise hatte ich mir vorgenommen, einfach locker und sauber Ski zu fahren - ohne großes Risiko. Dass dieser Plan so aufgeht, damit habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet.
Ihr Knie sorgte zwischendurch für Probleme. Inwiefern beeinträchtigt Sie das?
Dreßen: Eigentlich hatte ich nur in Gröden und Bormio Schwierigkeiten. Zuvor in Übersee war es komplett problemfrei - ohne Schwellung und Schmerzen. In Gröden haben wir Fußballtennis gespielt, danach hat das Knie reagiert und ist angeschwollen. Für das erste Rennen in Bormio haben wir die Schwellung weggebracht, aber danach war das Knie wieder dick. Die Therapie und das Schonen über Neujahr hat gefruchtet, so dass ich in Wengen komplett problemfrei angreifen konnte. Ich bin voll zufrieden damit, wie das Knie bisher funktioniert hat.
Das bedeutet im Umkehrschluss, Sie müssen die restliche Skikarriere damit leben, dass das Knie aufgrund des Knorpelschadens auf manche falsche Bewegung reagiert und ab und an anschwellen kann?
Dreßen: Ich habe einen leichten Knorpelschaden unter der Kniescheibe. Die gute Nachricht ist: Während des Skifahrens bewege ich das Knie in einem Winkel, in dem der Riss frei läuft und kein Druck darauf ausgeübt wird. Laufen, springen, Fußball, Tennis - also alle Sportarten, die in der Streckung mit einer Stoppbewegung zu tun haben, sind erstmal gestorben. Wir hatten das Knie im Training vor dem Weltcup in Wengen und auch in den Rennen gut im Griff. Deshalb mache ich mir keine Sorgen darüber, dass künftig Probleme auftreten könnten. In Deutschland wird ja jede Menge Fußball übertragen und da ich nie ein Edeltechniker war, wird mir und den Kollegen nichts abgehen, wenn ich nicht mitspiele. (lacht).
Ihre Fahrt am Lauberhorn war "einfach geil", wie Sie im Zielraum gesagt haben. Wieviel Luft haben Sie noch nach oben?
Dreßen: Am Lauberhorn hätte ich ein paar Passagen besser fahren können. Aber das ist Klagen auf hohem Niveau - auf der Suche nach Hundertstelsekunden. Beat Feuz ist an diesem Tag in seiner eigenen Liga gefahren. Wenn ich an der Minschkante und am Canadian Corner ein bisschen frecher fahre, werde ich Dominik Paris vielleicht noch gefährlich, aber Beat war nicht zu schlagen. Ich bin extrem happy, wie es diese Saison gelaufen ist. Andererseits muss man immer schauen, dass man sich weiterentwickelt. Ich denke, als Rennläufer bin ich noch nicht am Limit angekommen. Man kann sich immer verbessern, egal, auf welchem Leistungsniveau man sich befindet. Die anderen schlafen nicht, deshalb sollte man sich immer weiterentwickeln. In Wengen war ich sicher am Limit unterwegs.
Die Medien sprechen von Ihrer Rückkehr ins "Wohnzimmer". Sehen Sie das genauso, beziehungsweise, was bedeutet das Hahnenkammrennen in Kitzbühel für Sie?
Dreßen: Mein "Wohnzimmer" würde ich nicht unbedingt sagen. Ich bin die Streif noch nicht so oft gefahren, aber dafür hat es schon ganz gut funktioniert. (lacht) Ich freue mich extrem - Kitzbühel ist einfach etwas Besonderes! Darüber müssen wir Athleten uns im Klaren sein. Wer sich das eingesteht und annimmt, kann auch Spaß damit haben. Wie in Wengen, hört man auch in Kitzbühel die Zuschauer und das taugt mir extrem gut. Es ist richtig cool, wenn man die Stimmung mitbekommt und hört, wie die Leute abgehen. Deswegen freue ich mich brutal darauf, dass ich wieder am Start stehen kann und auf die Herausforderung, die auf mich wartet.
Was rechnen Sie sich für das Rennwochenende in "Kitz" aus?
Dreßen: Das Ziel ist das gleiche wie immer: Ich setze mir nie ein Ergebnis zum Maßstab, das habe ich auch in Wengen nicht gemacht. Ich möchte mein skifahrerisches Maximum abrufen, das ist das Einzige, was ich beeinflussen kann. Ich habe ja keine Handhabe darauf, was die anderen machen und die sind ja auch keine Nasenbohrer. Wir werden sehen, wie es in den Trainings läuft. Spätestens dann habe ich ein Gefühl dafür, ob ich die Strecke im Griff habe und inwiefern ich mich am Limit bewege. Erst dann kann ich einschätzen, was möglich ist.
Felix Neureuther war seiner Laufbahn lange Zeit ein Garant für einen Podiumsplatz in Kitzbühel. Inwiefern fehlt er in der Mannschaft des Deutschen Skiverbandes (DSV)?
Dreßen: Felix war Techniker, ich bin Speedfahrer. Von daher hatten wir sportlich nicht viel miteinander zu tun, auch wenn ich mich immer gefreut habe, ihn zu sehen. Für uns Athleten war Felix super, weil er extrem viel Medieninteresse auf sich gezogen hat. Das merke ich natürlich schon, dass in diesem Bereich jetzt mehr auf mich zukommt. Wie gesagt, Felix war im Slalom/Riesenslalom unterwegs, ich bin Abfahrer, deswegen steht es auch nicht zur Diskussion, ob ich in Felix' Fußstapfen treten möchte. Diese wären ohnehin zu groß. Ich konzentriere mich auf mich und als Speed-Team stehen wir momentan gut da. Ich freue mich extrem über den 13. Platz meines Zimmerkollegen Manuel Schmid, der in Wengen Gas gegeben hat und richtig schnell war.
Welchen Sieg schätzen Sie höher ein: Kitzbühel 2018 oder den Comeback-Sieg von Lake Louise in diesem Winter?
Dreßen: Der sportlich wichtigere Erfolg ist der Kitzbühel-Sieg. Emotional würde ich beide Siege fast gleichstellen. Nach der Verletzungsgeschichte auf den Tag genau ein Jahr nach dem Sturz den Comeback-Sieg zu feiern war extrem und hat mich brutal gefreut.
Eine offene Frage zum Schluss: Wenn ich Kitzbühel ein zweites Mal gewonnen habe, dann…
Dreßen: … werde ich wieder genauso feiern wie beim ersten Mal! (lacht)
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