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Erinnerungen zum Tod von "Gold-Rosi": In Gedanken bei Rosi Mittermaier

Sigi Heinrich

Update 05/01/2023 um 15:46 GMT+1 Uhr

Rosi Mittermaier ist tot. Die im Volksmund als "Gold-Rosi" bekannte ehemalige Skirennläuferin hat nicht nur bei Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich aufgrund ihres sympathischen und stets bodenständigen Wesens einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Sportredakteur, der die Olympiasiegerin einst am Mikrofon begleitete, teilt seine Gedanken über die Sportlerin, Ehefrau, Mutter und Großmutter.

Sie wurde 72 Jahre alt: Mittermaier nach schwerer Krankheit gestorben

Ich muss jetzt aus meiner Trauer wahrlich kein Hehl machen und ich gebe offen und ehrlich zu, dass mich der Tod von Rosi Mittermaier wirklich gerade etwas aus dem Gleichgewicht bringt. Geht das Leben trotzdem weiter? Findet der Biathlon-Weltcup in Slowenien dennoch statt? Ja schon, aber irgendwie ist das jetzt umgeben von einem Nebel der Fassungslosigkeit.
Ich werde nicht auf die Erfolge von Rosi Mittermaier eingehen. Das wird in gebührender Form überall jetzt zu lesen und zu hören sein. Ich denke vielmehr an Rosi, an Christian Neureuther, ihren Ehemann und auch an den Felix und die Ameli, ihre beiden Kinder. Es ist wie ein Film, der abläuft. Als hätte jemand eine Spule in einen Projektor gelegt und eine Leinwand heruntergelassen.
"Sigi, ich weiß gar nicht was ich da sagen soll. Das ist so schön." Diesen Satz werde ich mein Leben nicht mehr vergessen. Die Rosi sagte das zu mir, obwohl ihr viele Menschen zuhörten. Aber das hat sie nicht so wahrgenommen. Wir saßen in der Reporterkabine in Lillehammer bei den Olympischen Spielen 1994. Die Mikrofone waren eingeschaltet. Aber es kam kein Satz. Irgendetwas Belangloses, wenigstens. Nein. Nichts.
Ich sah Rosi nur an und es verschlug auch mir die Sprache, denn Rosi war ganz woanders. Sie war im Land der Trolle, der vielen Mythen Norwegens, im Land der Waldgeister. Sie ließ sich schlichtweg verzaubern und wollte diese berührende und eindrucksvolle Stimmung nicht durch irgendwelche Worte zerstören. Unbewusst aus ihrem Gefühl heraus. Sie war Zuschauerin und nicht Co-Kommentatorin.
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Innsbruck 1976: Deutschland verliebt sich in die "Gold-Rosi"

Ein Moment für die Ewigkeit

"Rosi", sagte ich dann zu ihr, "aber irgendwas musst Du sagen." Ich sehe es noch heute vor mir, als wäre es gestern gewesen. Sie drehte den Kopf, sah mich an, deutete mit der Hand nach draußen und blieb in ihrer Welt. Selten hat jemand so viel zu mir gesagt, obwohl nicht ein Wort gefallen ist.
Für mich ist dieses Erlebnis prägend gewesen und noch immer sehe ich uns beide in der Kabine sitzen, auf dem Kopf jeder mit einem Headset, aber vielmehr mit unseren Gedanken verbunden. Danke Rosi für diesen Moment, der einzigartig war in den jetzt fast 34 Jahren, in denen ich für Eurosport tätig bin.
Ich habe 2014 den Bayerischen Sportpreis erhalten und wurde dabei gefragt, wer für mich die Laudatio halten könnte. Und da dachte ich an Rosi Mittermaier. Und es bedurfte wieder nicht vieler Worte. Nur einen Hinweis und schon war die Zusage da. Herzlich und liebevoll hat sie mich gewürdigt, ganz wie es eben auch immer ihre Art war. So, wie ich sie kennengelernt habe. Vermutlich hat sie auch ein wenig übertrieben, sicher sogar. Aber ich habe mich gefreut. Es hätte niemand Besseres als Rosi Mittermaier in diesem für mich auch bedeutenden Augenblick meiner Karriere geben können.

Rosis Einfluss war unübersehbar und spürbar

Ich hatte ja auch mit Christian Neureuther schöne Erlebnisse. Auch er war mal mein Co-Kommentator, etwa beim Weltcup-Finale 1993 in Are. Abends saßen wir nach den Rennen auf einer Bank vor unserer Hütte. Da packte Christian eine Salami aus, Brot und ja, auch einen kleinen Flachmann.
Er hat mehr gesprochen, als die Rosi das immer tat, aber es fiel auch auf, wie ungeheuer nett und sehr freundschaftlich der Umgang mit mir war. Das war einfach herzlich und ungekünstelt und authentisch. Rosis Einfluss war unübersehbar und spürbar.
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Rosi Mittermaier und Christian Neureuther

Fotocredit: Getty Images

Christian war ja quasi der Vorgänger von Rosi, denn er war 1992 in Albertville bei der Eröffnungsfeier an meiner Seite. Aber bei den Franzosen gab es natürlich keine Trolle und keine Fabelwesen aus dem Wald wie zwei Jahre später, als ich das Glück mit Rosi genießen durfte.

Tränen der Trauer

Es war später für mich noch einmal ein Erlebnis der besonderen Art, dass Felix bei mir am Mikrofon war nach dem Slalom in Madonna di Campiglio.
Die Rosi sagte das in München damals so schön. "Und jetzt bringt uns der Sigi den Felix ins Haus." Zum Glück war es dunkel im Saal und nur Rosi war, wie es sich gehört, von Spots beleuchtet worden, denn ich bin sicher rot geworden und habe eine Träne vergossen.
Jetzt sind es Tränen der Trauer, des Andenkens und der Dankbarkeit, derer ich mich nicht schäme. Danke Rosi. Ich verspreche Dir, ich werde auch mal wieder daran denken, dass man auch ohne Worte so ungeheuer viel sagen kann.
ZUR PERSON SIGI HEINRICH:
Der renommierte Sportjournalist, Buchautor und vielfach ausgezeichnete Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich startete seine Karriere als Sportjournalist 1983 bei der Süddeutschen Zeitung und ist nun mehr seit mehr als 25 Jahren die Stimme von Eurosport. Der 69-Jährige begleitet am Mikrofon fachkundig die Sportarten Biathlon, Leichtathletik sowie Eiskunstlauf.
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