Fritz Dopfer im Interview über den Weltcup-Slalom in Levi: Laufbestzeit kann für Emma Aicher der "Brustlöser" sein

Der erste Weltcup-Slalom der Männer und Frauen im finnischen Levi lieferte spannende Erkenntnisse. Die Sieger Mikaela Shiffrin und Clément Noël überzeugten, aber auch für das deutsche Team um Lena Dürr, Emma Aicher und Linus Strasser war es ein gelungener Auftakt. Eurosport-Experte Fritz Dopfer spricht im Interview über die ersten Rennen - und den Lauf zum Vergessen für Comebacker Marcel Hirscher.

Dopfer-Analyse: "Aicher hat enorm viele Fähigkeiten"

Quelle: Eurosport

Der Wahl-Niederländer Hirscher verpasste fünf Jahre nach seinem letzten Slalom-Wettbewerb als 46. klar den zweiten Durchgang. Dem Perfektionisten traut Dopfer aber zu, dass er und sein Team aus den Fehlern von Levi lernen und womöglich schon beim nächsten Weltcup in Gurgl (ab 23. November live auf Eurosport und discovery+) ein besseres Resultat einfahren werden.
In Finnland lief es derweil für die DSV-Athleten deutlich besser. Lena Dürr feierte als Dritte bereits den fünften Podestplatz ihrer Karriere in Levi. Die 21-jährige Emma Aicher wurde mit Laufbestzeit im zweiten Durchgang starke Neunte.
Bei den Männern verpasste Linus Straßer nach aussichtsreichem ersten Durchgang das Podest als Siebter, Dopfer sieht den besten deutschen Slalom-Fahrer aber auf einem guten Weg für den weiteren Saisonverlauf. "Er hat seine Zielstellung mehr als erfüllt", sagte der Eurosport-Kommentator.
Im exklusiven Interview mit Eurosport sprach der Experte über den Saisonauftakt, das Ergebnis der Deutschen in Levi und die Anforderungen für ein gelungenes Comeback.
Herr Dopfer, wie lautet Ihr generelles Fazit zu den ersten beiden Slaloms der Saison?
Fritz Dopfer: Grundsätzlich ist es schön, aus der Männerperspektive gesprochen, dass Levi wieder auf der Slalom-Landkarte ist. Man kann sagen: Wo Levi draufsteht, ist auch definitiv Levi drin. Das Gelände sieht auf den ersten Blick relativ einfach aus, da etwa 50 Prozent des Hangs flach bis mittelsteil sind. Aber das macht es eben enorm schwierig, schnell zu sein, besonders bei den herrschenden Bedingungen - sehr eisig. Da hatten viele Athleten ihre Schwierigkeiten.
Das wirkte sich wie aus?
Dopfer: Als Athlet darfst du in solchen Situationen nie zufrieden mit deiner Geschwindigkeit sein. Du musst immer versuchen, das Tempo aktiv zu forcieren. Insgesamt haben wir einen sehr spannenden Slalom gesehen. Aber es ist auch wichtig zu betonen, dass dies der erste 'Stresstest' für die Nerven und die Technik der Athleten war. Auf die nächsten Rennen können wir uns richtig freuen.
Lena Dürr fuhr in Levi ihren fünften Podestplatz ein. Wie beurteilen Sie ihre Fahrten und ihre Leistung?
Dopfer: Lena hat das sehr souverän gemacht – ein cooles Statement von ihr. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, was mit Hartnäckigkeit möglich ist. Sie arbeitet hart, bringt ihre Leistung und zieht daraus auch ihr großes Glück und transportiert dieses auch. Das ist eigentlich der Königsweg für ihre Leistung. Der Hang liegt ihr sehr gut, sie konnte in Levi schon viele positive Ergebnisse einfahren. Es ist wirklich schön, dass sie in jeder Saison diese Leistung wieder konstant abrufen kann.
Auch eine andere ließ aufmerken ...
Dopfer: In Dürrs Windschatten dürfen wir Emma Aicher nicht vergessen. Besonders im zweiten Lauf hat sie eine klasse Leistung gezeigt, sowohl technisch als auch in Bezug auf die Zeit. Sie hat sich mit Bestzeit im zweiten Durchgang noch einmal richtig nach vorne geschoben – das könnte für sie ein echter Brustlöser sein, so eine starke Leistung im ersten Rennen der Slalomsaison zu zeigen. Das macht auf jeden Fall Lust auf mehr.
Emma Aicher hat enorm viele Fähigkeiten, ihr technischer Werkzeugkasten ist prall gefüllt. Sie kann in fast allen Disziplinen Leistung bringen.
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Ski alpin: Emma Aicher fuhr im Slalom von Levi 2024/25 auf Rang neun

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Aicher ist inzwischen 21 Jahre alt und gilt schon seit ein paar Jahren als das Supertalent des deutschen Skiverbandes. Was erwartet der DSV von ihr in dieser Saison?
Dopfer: Ich kann das nur aus meiner Perspektive beantworten. Sie hat enorm viele Fähigkeiten, ihr 'technischer Werkzeugkasten' ist prall gefüllt. Sie kann in annähernd allen Disziplinen Leistung bringen. Nun geht es darum, Konstanz hineinzubringen, in die Schwünge und die Läufe. Da muss man geduldig bleiben, trotzdem können ihre bisherigen Leistungen viel Selbstvertrauen bringen und dem gesamten Umfeld zeigen: Hey, wir sind auf dem richtigen Weg.
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Highlights Levi: Dürr fährt aufs Podest - Shiffrin unschlagbar

Quelle: Eurosport

Linus Straßer landete mit einem Rückstand von 1,56 Sekunden auf Sieger Clément Noël auf Platz sieben. Wie beurteilen Sie seinen ersten Auftritt dieser Saison?
Dopfer: Linus gehört ins oberste Regal. Er hat seine Zielstellung in Levi mehr als erfüllt. Es gibt natürlich einen großen Unterschied zwischen Training und Rennen - man verspannt im Rennen leichter. Linus hat gezeigt, dass er in den heikelsten Momenten ruhig bleibt. Es scheint, als habe er die richtigen Anpassungen am Material vorgenommen. Für das kommende Wochenende in Gurgl kann er mit diesem Ergebnis aufbauen. Man darf nicht vergessen, dass es erst das erste von zwölf Weltcuprennen ist. Die WM in Saalbach kommt als 13. dazu. Es ist also noch früh, und das Ergebnis sollte nicht überbewertet werden. Aber man kann sehen, dass die Vorbereitung gepasst hat.
Es ist nicht ganz fair, Hirschers Leistung mit der von anderen Athleten zu vergleichen, zum Beispiel mit Henrik Kristoffersen, der das gleiche Material fährt. Es ist ein bisschen wie in der Formel 1: Verstappen und Perez fahren zwar im gleichen Auto, aber die Details können sehr unterschiedlich sein.
Marcel Hirscher verpasste den zweiten Durchgang und sprach selbst von 'einem der schlechtesten Slaloms seines Lebens'. Hinterher machte er die eisigen Verhältnisse für seine Leistung verantwortlich. Wie beurteilen Sie sein Comeback im Stangenwald?
Dopfer: Ich habe mir das Rennen natürlich genau angeschaut und auch seine Aussagen zur Kenntnis genommen. Ich würde das Ganze jedoch differenzierter betrachten. Grundsätzlich kann er mit dem, was er bisher erreicht hat, zufrieden sein. Natürlich ist Marcel jemand, der sich immer die höchsten Ziele setzt. Es ist allerdings nicht ganz fair, seine Leistung mit der von anderen Athleten zu vergleichen, zum Beispiel mit Henrik Kristoffersen, der das gleiche Material fährt. Es ist ein bisschen wie in der Formel 1: Verstappen und Pérez fahren zwar im gleichen Auto, aber die Details wie Motor, Bremsen und Reifen können sehr unterschiedlich sein. So ist es auch bei Hirscher – die Leistung wird sicherlich innerhalb des Teams sehr konstruktiv und kritisch analysiert worden sein.
Inwiefern?
Dopfer: Ich gehe ich davon aus, dass konkrete Maßnahmen ergriffen wurden, um sich in den nächsten Monaten weiter zu verbessern. Es wird eine gewisse Zeit und Geduld erfordern, aber ich bin überzeugt, dass er mit den richtigen Anpassungen langfristig wieder in die Erfolgsspur zurückfindet. Es bleibt abzuwarten, ob er weiterhin beide Disziplinen - Slalom und Riesenslalom - gleichermaßen verfolgt oder ob er sich zukünftig stärker auf eine Disziplin konzentrieren wird.
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Hirscher war fünf Jahre lang nicht dabei. Der Sport hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Sehen Sie Unterschiede in seiner Fahrweise im Vergleich zu früher oder zu den jungen Athleten?
Dopfer: Die Kurssetzung spielt eine große Rolle. Der erste Durchgang war sehr drehend auf eisigem Geläuf gesteckt, der zweite sehr viel schneller - da haben sich die meisten Fahrer wohler gefühlt. Für Marcel waren es die ersten 66 Rennschwünge seit langem - das muss man bedenken. Da waren gute Ansätze dabei, aber speziell beim Material hat man gesehen, dass er zu kämpfen hatte. In Gurgl könnten die Verhältnisse schon wieder ganz anders sein: weicherer Schnee, griffiger Untergrund.
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Fritz Dopfer

Fotocredit: Eurosport

Und dann können wir uns auf was genau einstellen?
Dopfer: Die Frage ist, ob es eine 'Zauberformel' für ein erfolgreiches Comeback gibt. Es ist nicht so einfach, wie die richtigen Zutaten zu finden, sie einmal umzurühren und dann das fertige Produkt zu haben. Was ich sagen kann, ist, dass Marcel mit seinem Team extrem intensiv arbeiten wird, genauso wie alle anderen Athleten auch. Man darf sicher sein, dass er in den nächsten Rennen ein anderes Gesicht zeigen wird.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dopfer!
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Quelle: Eurosport


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