Werner Schuster im Exklusiv-Interview zum dramatischen Tournee-Finale um Kraft: "Wird das Geheimnis der Jury bleiben"
VonJan Zesewitz
Update 08/01/2025 um 09:30 GMT+1 Uhr
Im Krimi um den Gesamtsieg der Vierschanzentournee setzte sich im österreichischen Dreikampf Daniel Tschofenig gegen Stefan Kraft und Jan Hörn durch. Das Finale in Bischofshofen verlief dabei nicht ohne Kontroverse - Kraft musste als letzter Springer lange auf die grüne Ampel warten. "Es war im Grunde richtig zu warten", sagte Eurosport-Experte Werner Schuster im Exklusiv-Interview.
Highlights: Tschofenig krönt furiose Aufholjagd mit dem Goldadler
Quelle: Eurosport
"Warum man für den zweiten Durchgang eine Luke höher geht, wird das Geheimnis der Jury bleiben", fügte Schuster noch an und gab damit auch den Ausführungen von Kraft recht.
Am Ende war klar, dass nur einer der drei Österreicher den Goldenen Adler mit nach Hause nehmen durfte, der 22-jährige Tschofenig hatte das Glück auf seiner Seite.
Dass die Österreicher die Tournee derart dominierten, bietet für alle anderen Nationen mindestens Stoff zum Nachdenken, sagte Schuster, der auch das etwas enttäuschende deutsche Abschneiden analysiert.
"Es ist nicht gelungen, den Spannungsbogen über die Tournee hinweg aufrechtzuhalten", sagte der Experte über das deutsche Team, bei dem Pius Paschke als Gesamt-Sechster bester Tourneespringer war.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2025/01/06/4079069-82719033-2560-1440.jpg)
Horngacher exklusiv: "Dann ist man ganz schnell weg"
Quelle: Eurosport
Stefan Kraft musste als letzter Springer lange auf seinen Sprung warten, das könnte einen Einfluss auf das Endergebnis gehabt haben. Was hätte die Jury anders machen können?
Werner Schuster: Im ersten Durchgang hat der Wettbewerb sehr gut funktioniert. Warum man dann für den zweiten Durchgang noch einmal eine Luke höher geht, wird das Geheimnis der Jury bleiben. Das ging zunächst gut, weil der Rückenwind auch wirklich stark war, aber er musste es eben auch bleiben, um diese Startluke zu rechtfertigen. Ausgerechnet beim letzten Springer ist dann der Rückenwind eingeschlafen und hat für die lange Wartezeit gesorgt. Im Grunde war es richtig zu warten, auch wenn es für den Sportler sehr unangenehm ist. Wartezeiten kommen vor beim Skispringen, diese kam auch zustande, weil man von vornherein eine hohe Luke gewählt hat.
Nicht nur Stefan Kraft, auch Jan Hörl könnte sich über die Jury-Entscheidung beschweren, was im Kraft-Drama ein wenig untergegangen ist. Er sprang Bestweite, konnte aber keinen Telemark setzen. Hat ihn die hohe Luke den Tourneesieg gekostet?
Schuster: Das Momentum hat sich im zweiten Durchgang klar zugunsten von Daniel Tschofenig verschoben. Es war sehr knapp und er konnte eigentlich etwas profitieren vom längeren Anlauf, weil er dadurch leichter ins Fliegen kam. Jan Hörl hat mir etwas leidgetan, er hatte eine unglaubliche Höhe und hat dann den Telemark verwackelt. Bei dieser Weite wäre eine gute Landung möglich gewesen, aber durch seine hohe Flugkurve wurde es sehr schwer, da hat Kraft mit seiner flachen Flugkurve generell einen Vorteil. Alle drei hätten gewinnen können, am Ende konnte es nur einer sein.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2025/01/07/image-3bd67313-145d-42d5-9999-41deef3a2136-85-2560-1440.jpeg)
Stefan Kraft war nach seiner knappen Niederlage sichtlich enttäuscht
Fotocredit: Getty Images
Die deutschen Springer blieben kollektiv hinter den Erwartungen zurück. Wie lautet Ihr Tournee-Fazit aus deutscher Sicht?
Schuster: Es war fast ein Spiegelbild einiger vergangener Tourneen. Man startete sehr gut in die Saison und das ist eine wichtige Basis, denn die Erfahrung zeigt, dass der Sieger der Tournee fast immer vorher auch im Weltcup topplatziert war. Die Österreicher haben einen perfekten Saisonaufbau erwischt. Pius Paschke konnte sie ein wenig reizen, aber mit dem Dreifach-Erfolg von Engelberg konnten sie den Schwung mit in die Tournee nehmen. Pius hat super angefangen und musste ein Heimspiel in Neustadt bestreiten, das schon viel Energie gekostet hat. Es ist nicht gelungen, den Spannungsbogen über die Tournee hinweg aufrecht zu halten. Dazu fehlte die Hilfe von Andreas Wellinger und Karl Geiger, die auch potenzielle Siegspringer wären. So kam man in eine negative Stimmung, weil man viel versucht hat, aber nichts gereicht hat - so ist man im Tournee-Verlauf eher schwächer geworden.
Perspektivisch gesehen ist das schon ein Alarmsignal für alle anderen Nationen, denn diese Mannschaft ist nicht nur die beste, sondern auch die jüngste. Für die Zukunft kann mit dieser Struktur keine andere Nation mithalten. Viele Skisprungländer werden Bischofshofen nachdenklich verlassen haben.
Ganz anders die Österreicher, die den Schwung mitnehmen und sich sogar noch steigern konnten. Ein komplett österreichisches Podest - wird das den Rest der Saison und in Zukunft so weitergehen?
Schuster: In der kommenden Saison sind einzelne Springer anderer Nationen nicht so weit weg - wir haben einen Schweizer, einen Deutschen, einen Norweger, vielleicht auch mal einen Polen, die um den Sieg mitspringen können. Wenn man das größere Bild betrachtet, glaube ich nicht, dass sich besonders viel ändern wird. Die Österreicher haben einfach ganz andere Möglichkeiten, da springen noch einige völlig unter dem Radar. Max Ortner und Michael Hayböck waren in diesem Jahr schon auf dem Podium und es merkt fast keiner. Perspektivisch gesehen ist das schon ein Alarmsignal für alle anderen Nationen, denn diese Mannschaft ist nicht nur die beste, sondern auch die jüngste. Daniel Tschofenig ist 22 und hat jetzt ja noch nicht genug. Bei Jan Hörl und Stefan Kraft sitzt der Stachel nach der Niederlage tief, dazu kommen noch Ortner und Stefan Embacher, der erst 18 Jahre alt ist. Für die Zukunft kann mit dieser Struktur keine andere Nation mithalten. Viele Skisprungländer werden Bischofshofen nachdenklich verlassen haben.
Nicht nur Deutschland hielt nicht mit den Österreichern mit. Sind die anderen Nationen schwächer geworden oder ist Österreich einfach so viel besser?
Schuster: Es ist eine Mischung. Die anderen Topnationen treten etwas auf der Stelle, während sich die Österreicher durch ihre Struktur und die Dynamik im Team stark verbessert haben. Sie sind auch hinsichtlich des Materials und der Abstimmung absolute Spitze. Auch der Verband arbeitet hervorragend. Das war nicht immer so, sie mussten sich in den letzten sieben oder acht Jahren aus einem Tief herauskämpfen. Sie haben auf den Nachwuchs gesetzt und das zahlt sich jetzt aus, davon können andere Nationen aktuell nicht profitieren. Wenn man sich die Junioren-WM anschaut, dann hat Österreich vier der letzten fünf Weltmeister gestellt. Skispringen ist in Österreich Nationalsport, das System ist also von Grund auf sehr stabil. International herrscht da schon ein wenig Alarmstimmung.
Das könnte Dich auch interessieren: Tournee-Drama in Bischofshofen - Schmitt pflichtet Kraft bei
/origin-imgresizer.eurosport.com/2025/01/06/4079070-82719053-2560-1440.jpg)
Schmitt-Analyse zum Tournee-Krimi: "Jury hat großen Einfluss genommen"
Quelle: Eurosport
Ähnliche Themen
Werbung
Werbung