Vierschanzentournee - Werner Schuster exklusiv zum Schummelvorwurf gegen die ÖSV-Adler: "Haben Hausaufgaben gemacht"
Publiziert 02/01/2025 um 20:16 GMT+1 Uhr
Die österreichischen Skispringer dominieren bei der Vierschanzentournee nach Belieben. Bereits nach dem Auftaktspringen in Oberstdorf kurz vor dem Jahreswechsel mischten sich unter die Bewunderungen und Glückwünsche auch kritische Stimmen. Deutschlands ehemaliger Bundestrainer Werner Schuster ordnet die Gala-Form der ÖSV-Adler und die mitunter geäußerten Vorwürfe im exklusiven Gespräch ein.
Tschofenig dominiert, Hayböck bricht Schanzenrekord - Highlights
Quelle: Eurosport
Die diesjährige Vierschanzentournee steht bislang gänzlich im Zeichen Österreichs.
Mit Daniel Tschofenig (623 Punkte), Jan Hörl (615) und Stefan Kraft (614) führen gleich drei ÖSV-Adler die Gesamtwertung zur Halbzeit an.
Pius Paschke, bis zum Auftaktspringen in Oberstdorf der Dominator des Winters, hat vor den Events in Innsbruck und Bischofshofen kaum noch Chancen auf den Tournee-Triumph.
Dass die Österreicher beim prestigeträchtigsten Wettbewerb der Saison dieser Tage derart glänzen, ruft auch Zweifler auf den Plan. Vor allem aus dem norwegischen Lager gab es kritische Stimmen.
Granerud: "Verdächtig und ungewöhnlich"
"Wenn ich Gregor Deschwanden oder Pius Paschke wäre, würde ich wahrscheinlich ziemlich misstrauisch sein. Es ist verdächtig und sehr ungewöhnlich, dass eine Nation so dominiert, wie sie es jetzt tut", sagte beispielsweise Halvor Egner Granerud dem norwegischen Fernsehsender "NRK" mit Blick auf den Schweizer und den Deutschen, die im Vorfeld des österreichischen Dreifachsiegs auf der Schattenbergschanze in Oberstdorf als Mitfavoriten gehandelt wurden.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2025/01/02/image-57de300f-be60-4d6a-821d-f832651d6197-85-2560-1440.jpeg)
Halvor Egner Granerud
Fotocredit: Getty Images
Teamkollege Johann Andre Forfang pflichtete dem Gesamtsieger der Tournee 2022/23 bei: "Wir kratzen uns nur am Kopf", wurde Forfang von der norwegischen Zeitung "Dagbladet" zitiert. Er schob nach: "Es ist offensichtlich, dass sie etwas haben. Sonst wären sie nicht kollektiv so stark."
Konkreter wurden die beiden Skandinavier nicht, mutmaßlich zielen die Aussagen aber auf einen vermeintlichen Material-Vorteil ab.
Eurosport-Experte Werner Schuster spricht im exklusiven Gespräch über die österreichische Dominanz - und ordnet die Schummelvorwürfe gegen Tschofenig, Kraft und Co. ein.
Die Österreicher haben das Geschehen bei der Vierschanzentournee voll im Griff. Bei ihren Sprüngen fallen oft die Begriffe Mut und Selbstvertrauen. Können Sie das konkretisieren?
Werner Schuster: Grundsätzlich hat sich das Skispringen in den vergangenen Jahrzehnten zum Präzisionssport entwickelt. Verbesserte Trainingsmethoden und standardisierte Bedingungen bei Spuren und Schanzen haben das bewirkt. Es geht darum, die Dinge sehr genau zu machen. Die Österreicher springen zurzeit eine hervorragende Technik, dank der Vorarbeit in den Leistungszentren und im Nachwuchs haben die jungen Springer alle Basics drauf. Gleichzeitig fehlt es ihnen auch nicht an Mut, um an ihr Limit zu gehen. Vor allem bei Jan Hörl oder Stefan Kraft merkt man, was das für ein unfassbarer Grenzgang ist, die beiden springen äußerst aggressiv – und präzise. Das ist flächendeckend das Beste, was der Skisprung-Zirkus zu bieten hat.
"Das ist der größte Schlüssel zum Erfolg"
Drei Österreicher führen die Gesamtwertung der Vierschanzentournee an. Welchen Einfluss hat der teaminterne Konkurrenzkampf auf die Leistung der ÖSV-Adler?
Schuster: Das ist der größte Schlüssel zum Erfolg. Für einen Trainer ist es eine der dankbarsten Situationen, wenn der interne Konkurrenzkampf auf einem sehr hohen Niveau stattfindet. Und hier treffen darüber hinaus Generationen aufeinander. Nach der goldenen Generation von Gregor Schlierenzauer und Thomas Morgenstern sind Stefan Kraft und Michael Hayböck nachgerückt. Speziell Kraft hat das österreichische Skispringen phasenweise allein repräsentiert. Jetzt kommt eine neue Gruppe mit Daniel Tschofenig und Jan Hörl an der Spitze nach. Die sind zehn Jahre jünger und fordern Kraft heraus. Er ist aber einer der außergewöhnlichsten Skispringer, den Österreich hervorgebracht hat, und er findet immer wieder sportliche Antworten. Auch wenn er sich zurzeit etwas hintanstellen muss - er kämpft wie ein Löwe und will seinen Platz nicht räumen. Solange die Mannschaftskollegen kollegial miteinander umgehen, ist das eine einzigartige Dynamik. Das treibt jeden einzelnen Protagonisten zu Höchstleistungen. Diese Energie hat Österreich allen anderen Teams voraus. Als Trainer muss man auch solche Situationen dann nur mehr managen.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/12/12/image-ec8ca178-d969-4b7e-a1c5-fbd00e3afebc-85-2560-1440.jpeg)
Werner Schuster arbeitet als Skisprung-Experte für Eurosport
Fotocredit: Eurosport
Wie beurteilen Sie die Diskussion über die Anzüge der Österreicher? Wie soll man die Schummelvorwürfe einordnen?
Schuster: Diese Spekulationen gibt es seit vielen Jahren. Wir sind gut damit beraten, uns auf den Sport zu konzentrieren. Es steht außer Frage, dass die Österreicher auch im technologischen Bereich hervorragend aufgestellt sind. Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht, davon kann man ausgehen. Zudem würde ich empfehlen, dass man den Kontrollen vertraut. Dieses Jahr hat man das Regelwerk neu aufgestellt, um alles um eine Stufe enger zu schnüren und den Missbrauch des Materials einzudämmen. Ich gehe davon aus, dass sich die Nationen in diesem Bereich nicht viel geben.
Bei den Österreichern läuft pünktlich zur Tournee alles zusammen.
Schuster: Perfekt lief auch vorher schon alles! Nur gab es da einen gewissen Pius Paschke, der teilweise Dreifachsiege der Österreicher verhindert hat. Sonst konnte niemand eingreifen. Schade für Deutschland ist, dass Paschke zwar immer noch gut springt, aber nicht mehr auf diesem außergewöhnlichen Level, das er zu Beginn der Saison noch hatte. Damit ist der Weg frei für die Österreicher.
Die Vierschanzentournee 2024/25 live in HD-Qualität bei discovery+ | Hol dir ein Abo ab 3,99 Euro und erlebe die 73. Vierschanzentournee bis 6. Januar 2025 live und auf Abruf. Direkt zu unserer Streaming-Plattform discovery+.
Das könnte Dich auch interessieren: Horngacher greift durch: Leyhe aus Tournee-Aufgebot gestrichen
/origin-imgresizer.eurosport.com/2025/01/01/4077585-82689348-2560-1440.jpg)
Schmitts Halbzeit-Analyse zur Tournee: "Paschke hatte kein Pech"
Quelle: Eurosport
Ähnliche Themen
Werbung
Werbung