ATP Finals: Jannik Sinner laut Ex-Profi und Hallensprecher Diego Nargiso "größer als Fußball in Italien"
Update 16/11/2024 um 19:15 GMT+1 Uhr
In Italien ist längst eine Jannik-Sinner-Mania ausgebrochen. Bei den ATP Finals in Turin ist der Hype um den Superstar an jeder Ecke spürbar. Der Ex-Profi Diego Nargiso arbeitet als Hallensprecher der Finals in der Inalpi Arena. Im Gespräch mit Eurosport erzählt er. "Sinner steht für jeden italienischen Partner, Bruder oder Schwiegersohn." Auch das laufende WADA-Verfahren ändere daran nichts.
Jannik Sinner ist in Italien zum Helden avanciert
Fotocredit: Getty Images
Am Freitag zierte Jannik Sinner die Titelseite der "Gazetta dello Sport" – der wichtigsten Sporttageszeitung Italiens. Der Weltranglistenerste im Tennis teilte sich die Titelseite mit Fußball-Nationalspieler Sandro Tonali, der am Donnerstagabend mit der italienischen Nationalmannschaft gegen Belgien gewann und traf.
Als Einzelsportler auf Augenhöhe mit dem "Calcio", der großen sportlichen Liebe der Italiener, dargestellt zu werden, zeugt von der Ausnahmestellung, die Sinner nicht nur in dieser Woche zuteilwird.
Geht es nach Nargiso, haben sich die Verhältnisse sogar zugunsten Sinners verschoben: "Sinner ist jetzt größer als Fußball." Daran ändern auch seine positiven Dopingtests aus dem Frühjahr und die Nachwehen des noch unentschiedenen WADA-Einspruchs nichts.
Nargiso, 1987 Champion beim Juniorenturnier in Wimbledon, zog eine nicht unwesentliche Referenz für seine Aussage. "Am vergangenen Sonntag schlug er zum Turnierauftakt bei den TV-Quoten das Fußballspiel Inter Mailand gegen SSC Neapel." Immerhin die Squadra Azzurra, die Nationalmannschaft, hielt sich am Donnerstag quotenmäßig noch vor Sinner: mit rund sechs zu zwei Millionen TV-Zuschauern.
Sinner auf Augenhöhe mit Schumacher, Tomba, Rossi
In Relation wählte die "Gazetta dello Sport" mit dem geteilten Mittelweg also einen nachvollziehbaren Kompromiss. Nargiso sagte: "Janniks Beliebtheit geht bereits deutlich über das Tennis hinaus. Jeder in Italien sieht ihn nicht als Tennisprofi, sondern als Persönlichkeit des Sports. Das kann man mit Beliebtheitswerten von Michael Schumacher, Skifahrer Alberto Tomba und Motorrad-Legende Valentino Rossi vergleichen."
Sportlich hat sich Sinner diesen Status bereits verdient: Er ist trotz seiner erst 23 Jahre der erfolgreichste italienische Tennisspieler und der erste Weltranglisten-Erste seines Landes. Mit den Triumphen bei den Australian Open und den US Open hat er sich 2024 ein sportliches Denkmal gesetzt.
Der Südtiroler arbeitet nach drei souveränen Vorrundensiegen in dieser Woche daran, zum ersten Mal das Finalturnier der besten acht Spieler zu gewinnen, das seit 2021 in Turin stattfindet und womöglich nach Mailand umziehen wird.
Eine Ankündigung der ATP ist für Sonntag zu erwarten. Konkurrent für die Ausrichtung ist Saudi-Arabien. Sinner ist im Bewerbungskampf ein wichtiger Faktor gegen den finanzstarken Gegner.
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Highlights: Sinner hält sich gegen starken Fritz schadlos
Quelle: Eurosport
Italiener sparen das ganze Jahr für ein Ticket
Jeder Turniertag ist trotz horrender Preise in Relation zu den Einkommen in Italien ausverkauft. Die billigsten Tickets kosten 164 Euro. Am Finalwochenende starten sie bei 450 Euro und gehen in den vierstelligen Bereich.
2023 waren alle 15 Sessions ausverkauft. Die 166.000 verfügbaren Tickets waren allesamt vergriffen und generierten Einnahmen von 20 Millionen Euro. Damals erreichte Sinner das Finale.
Für 2024 ist bereits absehbar, dass im Vorverkauf deutlich mehr Tickets als 2023 verkauft wurden. Durch eine Erhöhung der Kartenpreise erwartet man einen noch höheren Umsatz als 2023.
"Die Leute hier bezahlen sehr viel Geld für die Tickets. Tennis und das Turnier in Turin bedeutet den Menschen viel. Manche sparen das ganze Jahr, um hier dabei zu sein. Sinner schafft es, dass alle Teil von etwas Besonderem werden wollen. Es ist wie eine Bewegung der Italiener, die hinter ihm stehen möchten - als Sportler und Persönlichkeit.
ATP Finals mit wirtschaftlichem Benefit
Italiens Verbandspräsident Binaghi hatte bereits mehrfach erklärt, dass die bisherigen Garantiezahlungen von 16 Millionen Euro pro Jahr für das Event an die ATP "sich um ein vielfaches" zurückgezahlt hätten.
Das "Tennis Magazin" berichtete diese Woche, dass die ATP Finals 2023 einen wirtschaftlichen Benefit von 306 Millionen Euro, Steuerzahlungen von 66 Millionen Euro und insgesamt 1950 Vollzeitarbeitsplätze eingebracht haben sollen. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young kamen 2020 in einer Studie auf rund 600 Millionen Euro, die die ATP Finals über den Zeitraum von 2021 bis 2025 für das Bruttoinlandsprodukt Italiens generieren.
Das alles hat nicht ausschließlich, aber zu großen Teilen mit dem Hype um den Weltranglisten-Ersten zu tun. Das hat auch etwas mit dem Auftreten Sinners zu tun, sagte Nargiso: "Er steht für jeden Beziehungspartner, jeden Sohn, jeden Bruder, weil er bescheiden und er selbst ist. Jeder liebt ihn, weil er für sehr gute Werte steht."
Nargiso sah einen weiteren Punkt, der den Italienern an Sinner sehr gut gefalle: "Er respektiert seine Trainer- und Teammitglieder."
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Jannik Sinner wird von den Fans bei den ATP Finals lautstark unterstützt
Fotocredit: Getty Images
Dopingfall Sinner: "Ein großer Fehler von einem seiner Teammitglieder"
Apropos Teammitglieder: Fitnesstrainer Umberto Ferrara und Physiotherapeut Giacomo Naldi mussten im Zuge der positiven Dopingproben von Jannik Sinner vor den US Open das Team verlassen. Ferrara hatte das verbotene Mittel Clostebol während der Turnieraufenthalte im März mit sich geführt.
Naldi, so lautete das Narrativ der Sinner-Seite, habe das Mittel zur Heilung einer Wunde an seiner Hand benutzt – und Sinner ohne Handschuhe massiert. Die ITIA, die Doping und Matchfixing in der Tenniswelt klärt, glaubte dieser Darstellung und sprach Sinner von Eigenverschulden und Fahrlässigkeit frei. Die WADA legte gegen die Entscheidung Einspruch ein. Sinner droht eine Sperre.
Unterstützung erhielt Sinner diese Woche vom italienische Verbandspräsidenten, der diese Woche der Nachrichtenagentur "AP" sagte: "Egal wie die Entscheidung ausfällt, es gibt keinen Zweifel daran, dass Sinner einer der saubersten und ehrlichsten Sportler im Weltsport ist".
Nargiso, der auch für den Verband arbeitet, stimmte dem Präsidenten im Gespräch zu. Der Exprofi wählt reflektierte und balancierte Worte zum Fall Sinner. "All seine Teammitglieder haben gute, menschliche Werte. Es war ein großer Fehler von einem seiner Teammitglieder. Jeder kann Fehler begehen. Manchmal wirkt es fast unmöglich, dass einem solch ein Fehler unterläuft. Aber es passiert im Leben. Aber sie haben dafür bezahlt. Und das war richtig so. Und es ist vielleicht auch richtig, dass Jannik eine Verantwortung für seine Teammitglieder trägt, die einen Fehler begangen haben. Aber Jannik ist nicht persönlich angegriffen und belastet worden, weil ihm die Substanz nicht bewusst war, die sein Teammitglied benutzt hatte."
Eine WADA-Entscheidung würde laut Nargiso von allen Seiten respektiert. "Jannik hat ebenfalls erklärt, dass er bereit ist, die Entscheidung zu akzeptieren. Falls er gesperrt wird, hoffe ich, dass es keine lange Sperre wird. Weil es meiner Meinung nach nicht seine Verantwortung war." Sollte es so kommen, bliebe Sinner ein Trost: Auch der große "Calcio" konnte in seiner großen Geschichte schon zahlreiche Skandale überstehen.
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Quelle: Eurosport
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