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Angelique Kerber gewinnt in Stuttgart: Der Hype geht weiter

Petra Philippsen

Publiziert 25/04/2016 um 12:34 GMT+2 Uhr

Angelique Kerber hat beim WTA-Turnier in Stuttgart gleich mal zwei Vorurteile widerlegt: Erstens, dass Frauen nicht rückwärts einparken können. Und zweitens, dass die Norddeutsche ein Nervenbündel ist.

Titel in Stuttgart verteidigt: Angelique Kerber

Fotocredit: Imago

Vor einem Jahr noch hatte Kerber in ihrem Siegerflitzer den Rückwärtsgang nicht auf Anhieb gefunden, aber das kann einer schon passieren, die sonst immer nur Vollgas gibt.
Doch dieses Mal meisterte Kerber den Schwierigkeitsparcours des Sportwagensponsors mit Bravour und sogar in Bestzeit, inklusive rückwärts einparken - und nach dem Finale auch noch souverän die Ehrenrunde auf dem Stuttgarter Centre Court. Ihre Feuertaufe hat Kerber also bestanden - und zwar in jeder Hinsicht!

So spielen eben die ganz Großen

Denn für Kerber stand einiges auf dem Spiel: Sie musste zeigen, ob sie den hohen Erwartungen nach dem Triumph von Melbourne wirklich standhalten kann - beim ersten Heimspiel, als Titelverteidigerin, als neue Frontfrau des deutschen Tennis. Und das mit der Müdigkeit nach dem Fed Cup in den Knochen, mit der Terminhatz und den vielen neuen Verpflichtungen während der Turnierwoche - und hungrigen Gegnerinnen, die Kerber jetzt alle unbedingt schlagen wollen und gegen sie nichts zu verlieren haben.
Und Kerber war bis zu den Australien Open schließlich dafür bekannt, dass ihr in wichtigen Momenten schon mal der Arm zitterte. Bei großen Turnieren hatte sie oft ihre Chancen nicht genutzt. Und jetzt? Flatterten Kerber wie früher die Nerven? Mitnichten. Stuttgart war der erste Beweis, dass ihr Durchbruch Down Under nachhaltig gewesen ist.
Wir erleben gerade Kerber 2.0: Durch brenzlige Situationen kämpfte sie sich im Stile eines Champions durch, hat mit ihrem neuen Selbstvertrauen auch ihr Spiel auf die nächste Stufe gehoben. Und sie gewann, selbst wenn sie nicht ihr bestes Tennis spielen konnte. Dem enormen Druck hielt sie bravourös stand. Im Finale blieb sie ruhig, obwohl sie schnell hinten lag. Dafür hat sie jetzt die nötige Erfahrung und weiß um ihre Stärken. So spielen eben die ganz Großen.

Mit Steffi Graf in die Wüste

Und zu denen gehört Kerber jetzt dazu - sie ist keine Eintagsfliege, die zufällig mal einen Grand Slam gewonnen hat. Sie will unbedingt nachlegen und hat auch das Zeug dazu. Auf Sand ist sie inzwischen ebenso stark wie auf Hartplatz oder Rasen und viel wichtiger ist, dass Kerber das jetzt selbst auch so sieht. Ihre Selbstzweifel sind weniger geworden, auch das sollte helfen. Für Paris scheint Kerber gut gewappnet zu sein nach der Feuertaufe in Stuttgart.
Aber Kerber ist auch nicht so naiv, zu glauben, dass es jetzt wie in ihrem Sportflitzer nur noch mit Vollgas so weiter geht. Es wird Rückschläge geben, kleine hatte sie direkt nach ihrem Triumph schon erlebt. Da hatte der Hype um sie doch Spuren hinterlassen. Kerber brauchte erstmal wieder Ruhe, um sich wieder auf das Wesentliche, auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Und die fand Kerber dann in der Wüste von Las Vegas. Ein paar gute Ratschläge von Steffi Graf und schon war die kleine Krise überstanden - für Tennisnostalgiker klang das natürlich wunderbar. Aber ganz so einfach ist es doch nicht.

Wie Becker und Djokovic

Denn es ist ja nichts wirklich neu, was ihr Graf mit auf den Weg geben kann. Irgendwann hat Kerber jeden Ratschlag schon mal in ihrer Karriere gehört. Doch es tut Kerber gut, mal mit ihrem Kindheitsidol sprechen und trainieren zu können - denn sie fühlt sich von Graf verstanden. Sie weiß einfach, wie es ist, ein Champion zu sein.
Auf dieser Ebene haben auch Becker und Djokovic einen besonderen Draht zueinander. Aber Graf ist sicherlich weit davon entfernt, Kerbers Mentorin zu sein. Es gibt keinen regelmäßigen Kontakt zwischen ihnen. Graf ist ein kleiner, wichtiger Baustein von vielen, der Kerber wieder in die Spur gebracht hat. Und zu sehr möchte Kerber das auch gar nicht herausstellen, denn sie muss ohnehin jede Woche den Vergleich mit Graf antreten.

Den Hype am Laufen halten

Und so kommt dann die dauernde Frage: Was ist denn nun mit dem neuen Ker-Boom? Besonders dann, wenn die TV-Quoten im Keller waren. Wo ist Tennis wieder als Massenphänomen? So läuft es nicht. Aber Kerber gibt sich alle Mühe, den Hype in Deutschland am Laufen zu halten, so gut sie kann. Sie gibt sich offener, zugänglicher und sie kommt an bei den Fans.
Sie selbst spüre einen Aufschwung, sagt Kerber. Viele Leute kämen zu ihr und erzählen, dass sie wieder selbst zum Schläger greifen und sich wieder für Tennis interessieren. Auch bei den Kids sei Tennis wieder beliebt und die Vereine haben wieder mehr Zulauf. Die Stuttgarter Veranstalter verzeichneten ein weit größeres Interesse an Tickets im Vorverkauf, Tennis werde bei vielen also wieder fest in den Terminkalender eingeplant.
Das ist ein guter Anfang und es gibt viele positive Zeichen. Nur der Vergleich zu früher hinkt eben. Doch vom Bild des Tennis-Booms der 80er Jahre muss man sich lösen - der lässt sich nie mehr wiederholen. Es waren andere Zeiten und heute gibt es viel mehr Konkurrenz durch andere Sportarten. Aber: Kerbers Erfolg bringt wieder Bewegung ins Spiel. Sie begeistert die Zuschauer und gibt den jüngeren Generationen ein neues Vorbild. So kann sich hierzulande nachhaltiger Erfolg aufbauen und der sorgt dann dafür, dass Tennis im Bewusstsein der Sportbegeisterten in den nächsten Jahren weiter eine wichtige Rolle spielt - und das wäre schon ein riesiger Schritt.
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