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Massa doch F1-Weltmeister? Darum prüft der "Betrogene" die Anfechtung von Hamiltons erstem WM-Titel

Pascal Steinmann

Update 10/04/2023 um 22:41 GMT+2 Uhr

Felipe Massa erwägt rechtliche Schritte, um den Ausgang der F1-WM 2008 infrage zu stellen. "Es ist sehr traurig zu wissen, dass ich einen Titel haben würde", sagte der Brasilianer nun. Hintergrund sind jüngste Enthüllungen von Bernie Ecclestone über die "Crashgate"-Affäre beim Rennen in Singapur vor 15 Jahren. Massa könnte also damit den ersten WM-Titel von Rekordchampion Lewis Hamilton anfechten.

Crashgate-Affäre: Bringt "betrogener" Massa ersten Hamilton-Titel in Gefahr?

Fotocredit: Imago

Felipe Massa gilt als einer der besten Fahrer in der Formel-1-Historie, der niemals einen WM-Titel erringen konnte. 41 Podestränge, 16 Pole Positions und elf Rennsiege fuhr der heute 41-Jährige in seiner Laufbahn ein, lediglich die Krönung blieb ihm verwehrt.
Dabei scheiterte er 2008 nur denkbar knapp am Traum, sich auf heimischem Boden als Weltmeister in die Geschichtsbücher einzutragen. Erst in der letzten Runde der Saison beim Rennen in Sao Paolo überholte Rivale Lewis Hamilton den deutschen Toyota-Piloten Timo Glock und machte so die erste seiner inzwischen sieben Weltmeisterschaften perfekt.
Massa, dessen Familie und Ferrari-Crew schon gefeiert hatten, weinte nach seinem Rennsieg beim Heim-Grand-Prix bittere Tränen. Der Krimi in Interlagos ging als einer der dramatischsten WM-Kämpfe in die Annalen ein.
Doch 15 Jahre später könnte noch einmal Bewegung in die Entscheidung von damals kommen. Grund sind neue Aussagen von Bernie Ecclestone, die neues Licht in den so genannten "Crashgate"-Skandal brachten. "Ich habe vor, die Situation zu studieren und zu prüfen, was die Gesetze und Vorschriften besagen", sagte Massa nun gegenüber "Motorsport.com": "Es ist sehr traurig zu wissen, dass ich einen Titel haben würde."
Der Brasilianer erwägt offenbar, den Titel nachträglich am grünen Tisch zu erstreiten.
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Felipe Massa weinte nach der verlorenen WM bittere Tränen

Fotocredit: Getty Images

Crashgate-Affäre erschüttert Formel 1

Was ist der Hintergrund?
Es war der Eklat der jüngeren Formel-1-Vergangenheit: Beim Rennen in Singapur 2008, dem 15. von 18 Läufen der Saison, krachte Nelson Piquet Jr. nach einem ungewöhnlichen Fehler mit seinem Renault in die Leitplanke und löste damit eine Safety-Car-Phase aus.
Teamkollege Fernando Alonso, der in seinem unterlegenen Boliden von Rang 15 ins Rennen gegangen war, profitierte. Der Spanier, der lediglich zwei Runden zuvor seinen Boxenstopp absolviert hatte, wurde durch die Safety-Car-Phase an die Spitze des Feldes gespült und feierte seinen ersten von nur zwei Triumphen in der Saison.
"Ich kann es gerade gar nicht fassen. Ich denke, ich brauche ein paar Tage um zu realisieren, dass wir dieses Jahr ein Rennen gewonnen haben", sagte der zweimalige Weltmeister Alonso, der in der laufenden Saison für Aston Martin an den Start geht. Ein Erfolg in der Saison hatte zuvor "unmöglich" gewirkt.
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Nelson Piquet Jr. crashte beim Rennen in Singapur 2008 unter dubiosen Umständen

Fotocredit: Imago

Renault half für Alonso-Sieg nach

Doch wie sich erst ein Jahr später herausstellte, half das französische Team seinem Glück auf dem Yas Marina Circuit auf die Sprünge.
2009, nachdem Piquet Jr. von Renault freigestellt worden war, packte der Sohn des dreimaligen Weltmeisters Nelson Piquet im brasilianischen Fernsehen bei "Rede Globo" aus. Er erklärte, sein Rennstall habe ihn angewiesen, absichtlich zu crashen, um die Chancen von Alonso zu erhöhen. Ein Manipulationsskandal!
Alonso wusste über den Befehl wohl nicht Bescheid. Während die Renault-Verantwortlichen Flavio Briatore und Pat Symonds mit Strafen belegt wurden, behielten das Rennergebnis und damit auch die Gesamtwertung in der Weltmeisterschaft ihre Gültigkeit.
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Fernando Alonso feierte beim Rennen in Singapur seinen ersten Sieg in der Saison 2008

Fotocredit: Getty Images

Ecclestone bricht sein Schweigen

"Es gab damals die Regel, dass eine WM-Wertung nach der FIA-Preisverleihung am Ende des Jahres unantastbar ist", erklärte Bernie Ecclestone Anfang März in einem Interview mit "F1Insider": "Also wurde Hamilton der WM-Pokal überreicht und alles war in Ordnung."
Wie der frühere Formel-1-Chef vor einem Monat auch enthüllte, wussten die Verantwortlichen der Königsklasse aber bereits während der Saison 2008 von dem "Crashgate"-Skandal und hatten nach Aussage der Formel-1-Ikone ausreichend Erkenntnisse, um den Sachverhalt zu untersuchen.
"Der damalige FIA-Präsident Max Mosley und ich wurden noch während der Saison 2008 darüber informiert, was sich im Rennen in Singapur ereignet hatte", gestand Ecclestone in dem Interview.
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Bernie Ecclestone geriet nach dem Rennen in die Kritik

Fotocredit: Getty Images

Ecclestone verschleiert "Crashgate"

Piquet Jr. habe seinem Vater gegenüber offengelegt, dass sein Team ihm die Anweisung gegeben hatte, absichtlich in die Mauer zu fahren.
"Wir beschlossen, erstmal nichts zu unternehmen", erklärte Ecclestone gegenüber "F1Insider": "Wir wollten den Sport schützen und vor einem Riesenskandal bewahren." Daher habe er den brasilianischen Renault-Piloten davon überzeugen können, vorerst nicht an die Öffentlichkeit zu gehen.
Doch wie der heute 92-Jährige befand, hätte das Rennen nicht in die Wertung eingehen dürfen. "Wir hatten rechtzeitig genug die Infos, um der Sache nachzugehen. Laut den Statuten hätten wir das Rennen in Singapur unter diesen Bedingungen aber wohl annullieren müssen", so Ecclestone in dem Motorsport-Portal: "Das heißt, für die WM-Wertung hätte es nie stattgefunden."
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Für mehrere Millionen: Schumacher-Ferrari wird versteigert

Massa verliert WM-Krimi gegen Hamilton

Der Leidtragende im Titelkampf: Felipe Massa. Der Brasilianer war in Singapur nach einem Fehler seiner Scuderia-Boxencrew aus den Punkterängen gefallen, während sein WM-Rivale Lewis Hamilton als Dritter sechs wichtige Punkte für die Gesamtwertung einfuhr (bis 2009 galt ein anderes Zählsystem).
Am Ende der Saison gewann der heutige Mercedes-Pilot die WM mit nur einem Zähler Vorsprung vor Massa und entriss dem Brasilianer den Titel buchstäblich in der letzten Runde beim abschließenden Grand-Prix in dessen Heimatland.
"Mir tut Massa heute noch leid. Er gewann das Finale bei seinem Heimrennen in Sao Paulo und hat alles richtig gemacht. Er wurde um den verdienten Titel betrogen", machte Ecclestone vor einem Monat deutlich.
Im Anschluss an die Aussagen der Motorsport-Legende betonte Massa, der seine Laufbahn 2017 ohne eine Weltmeisterschaft beendete, gegenüber "Motorsport.com" nun: "Es ist sehr traurig, zu wissen, dass das Ergebnis dieses Rennens annulliert werden sollte und ich meinen Titel bekommen hätte."

Hamilton gewinnt WM 2008 mit einem Punkt:

PlatzFahrerPunkte
1.Lewis Hamilton98
2.Felipe Massa97
3.Kimi Räikkönen75

Massa bringt neue Brisanz in Fall

Aufgrund der Regel, dass eine Wertung ab dem Moment der Pokalübergabe in Stein gemeißelt sei, haben die Anwälte von Ferrari Massa damals erklärt, dass nichts unternommen werden könne. "Logischerweise habe ich dem Glauben geschenkt", so der Südamerikaner.
Durch Ecclestones Enthüllungen erhält der Fall für Massa nun aber neue Brisanz. Die Tatsache, dass die Verantwortlichen nicht erst 2009, sondern bereits während der laufenden Saison ein Jahr zuvor über den Vorfall unterrichtet worden waren, wühlte die bittere WM-Niederlage beim Grand Prix in Brasilien noch einmal auf.
"Nach 15 Jahren hören wir, dass der einstige Besitzer sagt, er habe es 2008 zusammen mit dem Präsidenten der FIA herausgefunden", erklärte Massa.
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Der Rennsieger trägt Trauer: Kimi Räikkönen tröstet Felipe Massa

Fotocredit: Imago

Massa lässt wohl Schritte prüfen

Daher werde er nun rechtliche Schritte prüfen lassen: "Am Ende war ich derjenige, der durch dieses Ergebnis am meisten verloren hat. Also gehen wir der Sache nach, um das alles zu verstehen."
Um eine finanzielle Kompensation gehe es Massa dabei nicht. "Ich würde es aus Gründen der Gerechtigkeit tun", so der einstige Ferrari-Fahrer und Teamkollege von Michael Schumacher: "In der Tat wäre richtig, das Ergebnis des Rennens zu annullieren. Das ist die einzige Gerechtigkeit, die man in einem solchen Fall üben kann."
Damit wäre Massa Weltmeister - und Hamilton verlöre einen seiner sieben WM-Titel (und damit folglich auch den mit Schumacher geteilten Status als Rekordchampion). "Ich denke, wenn man für etwas bestraft wird, das man nicht verschuldet hat, und es das Ergebnis eines Raubes, eines gestohlenen Rennens, ist, muss der Gerechtigkeit Genüge getan werden", so Massa.
Dass die Chancen dafür äußerst gering stehen, räumte der Brasilianer gleichwohl selbst umgehend ein. "Es gibt Regeln und viele Dinge, die man je nach Land nach 15 Jahren nicht mehr anfechten kann." Dennoch werde man die Situation untersuchen "um eine Vorstellung davon zu haben, was möglich ist."
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Lewis Hamilton krönte sich 2008 erstmals zum Formel-1-Weltmeister

Fotocredit: Getty Images

Hamilton-Titel in Gefahr?

Der Brasilianer verwies mitunter auf den Fall von Radprofi Lance Armstrong, der im Nachhinein sämtliche seiner Tour-de-France-Titel aufgrund von Dopings aberkannt bekam. "Wo ist der Unterschied", hinterfragte Massa. Dennoch ist in der Tat unwahrscheinlich, dass die Wertung mehr als ein Jahrzehnt später noch verändert werden könnte.
Der internationale Sportkodex der FIA sieht es nämlich vor, dass Proteste und Einsprüche schon 14 Tage nach dem Rennen erhoben werden müssen - und höchstens vier Tage vor der Titelzeremonie der FIA. Nichtsdestotrotz titelt der britische "Independent" nun, der erste WM-Titel von Rekordchampion Hamilton sei "in Gefahr".
Für Ecclestone jedenfalls ist Schumacher aufgrund der Vorgänge "immer noch alleiniger Rekordweltmeister. Auch wenn die Statistik was anderes sagt."
Bemerkenswert: Nicht nur Massa selbst, sondern auch die Scuderia gewann bis zum heutigen Tage nie wieder eine Fahrerweltmeisterschaft.
Es wäre mal wieder an der Zeit...
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