Der BVB vor dem Bundesliga-Neustart: Ein fragiles Gebilde
VonMarc Hlusiak
Update 12/05/2020 um 16:34 GMT+2 Uhr
Für den BVB endet die 70-tägige Spielpause am Samstag ausgerechnet mit dem Revierderby gegen den FC Schalke. Doch Sorgenfrei gehen die Dortmunder nicht ins Spiel, mehrere Leistungsträger sind angeschlagen oder fallen sicher aus. Der Verein setzt aufgrund der Ausnahmesituation sämtliche Hebel in Bewegung, rüstet personell nach wo es nur geht, doch das Gebilde bleibt fragil.
Am Samstag um 15:30 Uhr ist es soweit: die Bundesliga kehrt nach 66 Tagen Coronapause zurück, wird aber kaum wiederzuerkennen sein. Die Stadien werden an den verbliebenen neun Spieltagen leer bleiben. Bis zum 30. Juni, der Tag, an dem Spielerverträge traditionell auslaufen, soll die Saison beendet sein. Ob das letztlich klappt, weiß Stand heute niemand. Zu dynamisch ist die Coronalage noch immer. Was heute gilt, kann morgen schon hinfällig sein.
Für die Vereine wird der Re-Start nach monatelanger Trainingspause zur ultimativen Belastungsprobe. Einen gewissen Fitnesslevel konnten die Spieler über die vergangenen Monate durch Individualtraining zwar halten. Nach nur einer Woche Mannschaftstraining wieder in den Wettkampfmodus zu schalten, bleibt jedoch ein Wagnis.
BVB zieht Nachwuchskräfte nach oben
Die DFL hat auch deshalb die von der IFAB (International Football Association Board) durchgewunkene Regeländerung hin zu fünf möglichen Spielerwechseln pro Partie übernommen und auch die Vereine rüsten sich für den seltsamsten Saisonendspurt der Bundesligageschichte.
Der BVB berief mit Marco Rente, Simon Brünning, Dominik Wanner, Marco Hober, Tylan Duman, Chris Führich, Steffen Tigges, Alaa Bakir und Luca Unbehaun neun Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in den Profikader. Eine Vorsichtsmaßnahme, denn das Verletzungsrisiko bei den Spielern ist nach der langen Wettkampfpause deutlich höher als normal.
"Wir möchten auf alle Eventualitäten vorbereitet sein und folgen den Vorgaben der DFL, die uns nahegelegt hat, einen möglichst großen Kader zu haben. Auch für den Fall, dass es zu positiven Corona-Tests kommt", erklärte Sportdirektor Michael Zorc gegenüber "Bild".
BVB vor dem Derby: Viele personelle Fragezeichen
Zudem kommt, dass sich der Tabellenzweite (vier Punkte Rückstand auf Tabellenführer FC Bayern) keine weiteren Verletzten leisten kann. Zum Auftakt des Mannschaftstrainings am Donnerstag fehlten mit Dan-Axel Zagadou, Axel Witsel, Emre Can und Manuel Akanji vier Topstars. Hinzu kommen die angeschlagenen Jadon Sancho, Marcel Schmelzer, Mario Götze und Nico Schulz. Alle hatten zuletzt mit muskulären Problemen zu kämpfen, befinden sich aber wieder im Training.
Kapitän Marco Reus hingegen kann noch immer nicht voll trainieren. Anfang Mai prognostizierte der Kapitän: "Es kommt jetzt noch auf zwei bis drei Wochen an."
Während die Trainingsabstinenz von Witsel und Can zunächst noch als Vorsichtsmaßnahme abgetan wurde, so gilt es mittlerweile als sicher, dass dem BVB im Derby das Mittelfeld-Herzstück fehlen werden. Wie der "Kicker" berichtet, kamen sowohl der Belgier als auch der deutsche Nationalspieler am Dienstag mit dem eigenen PKW zur Behandlung am Trainingsgelände in Brackel an und fuhren auch selbstständig wieder weg. Witsel und Can befinden sich also nicht wie der Rest des Teams in Quarantäne im Mannschaftshotel und können demzufolge auch nicht beim Bundesliga-Restart am Samstag mit dabei sein.
Sicher fehlen wird in den kommenden Wochen auch Innenverteidiger Zagadou aufgrund einer Außenbandverletzung. Immerhin meldete sich sein Vertreter Akanji wieder fit. Dass der Schweizer am Montag und Dienstag im Training fehlte hatte keine sportlichen Gründe, Akanji wurde zum ersten Mal Vater.
Dennoch: Der BVB kommt angeschlagen daher.
Philipp Laux wird Sportpsychologe beim BVB
In Dortmund ist man sich der angespannten Lage rund um den Liga-Neustart bewusst. Dabei hat man nicht nur die rein physischen Probleme im Blick. Der mentale Aspekt soll nicht außer Acht gelassen werden.
Der ehemalige Ersatztorwart der Schwarz-Gelben, Philipp Laux, der noch im Jahr 2002 zum Meisterkader unter Matthias Sammer gehörte, wird daher ab sofort als Sportpsychologe installiert. Eigentlich war das erst für die kommende Spielzeit geplant, doch besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. "Im Zuge der Corona-Krise, die uns plötzlich vor völlig neue Herausforderungen stellt, ziehen wir diese Maßnahme nun vor", erklärt Sebastian Kehl, Leiter der Lizenzspielerabteilung, auf der vereinseigenen Homepage.
Es sei der Anspruch des BVB, den Verein "in allen relevanten Teilbereichen des Profisports bestmöglich aufzustellen und ein Netzwerk von Spezialisten zu bilden, das gemeinsam einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt", erklärt der 40-Jährige weiter. "Er wird uns unter anderem im Persönlichkeitsmanagement, im mentalen Coaching und in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit anderen Experten unterstützen."
Eine extreme Herausforderung
Noch weiß niemand, wie sich die neuen äußerlichen Umstände auf die Spieler auf dem Feld auswirken werden. Trainer Lucien Favre hat die Aufgabe, seine Mannschaft unter erschwerten Bedingungen in Derby-Stimmung zu versetzten und dürfte froh sein, ab sofort auf die Hilfe von Laux zählen zu können.
"Wir sind’s gewohnt, zu Hause vor über 81000 Zuschauern aufzulaufen", beschreibt der Schweizer gegenüber "Bild": "Sich mental jetzt darauf vorzubereiten, vor einer leeren Südtribüne zu spielen, ohne Anfeuerung aus dem Stadion und ohne von der Stimmung gepuscht zu werden, ist schon eine extreme Herausforderung."
"Eine extreme Herausforderung", das fasst diese unwirkliche Saison wohl am besten zusammen.
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