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Erling Haalands Kritik am BVB: Was Dortmund beim Vertragspoker mit Stars vom FC Bayern lernen kann

Thilo Komma-Pöllath

Update 17/01/2022 um 15:46 GMT+1 Uhr

Mit seiner Aussage, dass er sich im Vertragspoker vom Klub unter Druck gesetzt fühle, überraschte Erling Haaland am Freitagabend nicht nur die Fans, sondern offenbar auch den BVB selbst. Das wirft beim LIGASTHENIKER einige Fragen auf. Unter anderem auch, warum der BVB nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Beim FC Bayern würde es das nicht geben. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Erling Haaland

Fotocredit: Getty Images

Liebe FußballfreundInnen, vor drei Wochen etwa hat das pensionierte Mastermind des FC Bayern, Uli Hoeneß, seinem angestellten Superstar Robert Lewandowski einen roten Teppich ausgelegt, wie das selten passiert.
Hoeneß schwärmte von den "klaren Vorstellungen" der "Identifikationsfigur" Lewandowski, dem er auch nach seiner sportlichen Karriere alles zutraue, selbst höchste politische Ämter. Hoeneß sieht ihn gar als nächsten polnischen Ministerpräsidenten.
Lewandowski selbst steigt soviel affektive Prosa offenbar nicht zu Kopf, er macht stattdessen da weiter, wo er im Spiel zuvor aufgehört hat. Mit seinen drei Toren beim 4:0-Sieg der Bayern in Köln vom Wochenende hat er nun 300 Bundesliga-Treffer auf dem Konto und kaum einer zweifelt, dass er auch noch den Rekord für die Ewigkeit, Gerd Müllers 365 Tore, knacken wird.
Bei Lewandowski haben die Bayern ein seltenes Kunststück geschafft: Sie pflegen und liebkosen ihren Weltstar und sie nehmen ihn in die Pflicht. Lewandowski weiß nur allzu gut: Nur mit einem Lewandowski in Extraklasse kann er mit den Bayern seine sportliche Unsterblichkeit erlangen in Form von Rekorden, Toren, Titeln.
Und was hat das alles Erling Haaland zu tun?

Lewandowski und Haaland: zwei große Namen, zwei unterschiedliche Perspektiven

Lewandowski und Haaland sind die beiden großen Namen der Liga, am Markt am besten bewertet, ihre sportlichen Statistiken jede für sich außergewöhnlich. Der Unterschied liegt in ihrer jeweiligen Perspektive: Robert Lewandowski ist mit 33 Jahren auf dem Zenit seiner Kunst, das heißt: Er hat nur noch einige wenige Jahre, um sich in die Geschichtsbücher seines Sports zu schreiben. Das nötigt ihm eine Fokussierung auf das Wesentliche ab.
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Robert Lewandowski erzielte gegen den 1. FC Köln sein 300. Bundesliga-Tor

Fotocredit: Getty Images

Anders Erling Haaland, der 21-jährige Wonderboy des internationalen Fußballs. Haaland hat noch so viel Zeit und so viel Gelegenheit, Fehler zu machen, alles wieder einzureißen, was er sich bisher aufgebaut hat.
Seine Klubschelte nach dem Freiburg-Spiel ist dafür ein Fingerzeig. Haaland sprach davon, dass der BVB ihn wegen der offenen Vertragssituation unter Druck setzen würde, an Fußball könne er gerade nicht denken. Und: Er müsse jetzt wohl bald mal eine Entscheidung treffen. Seit Wochen und Monaten kennt die Liga kein anderes Gesprächsthema und Wunderknabe Haaland wundert sich - naiver geht es wohl kaum!

Traumatische Vertragspoker beim BVB

Aber was will man Haaland vorwerfen, er ist 21, er will doch nur spielen und ob er einschätzen kann, wie gut er beraten ist, sei mal dahingestellt.
Anders der BVB, der eigentlich ein gebranntes Kind sein müsste im Umgang mit sensiblen Hochbegabten und ihren noch sensibleren Vertragskonstellationen. Erinnert sei an Ousmane Dembélé (2017) oder Pierre-Emerick Aubameyang (2018), die sich beide aus ihren Verträgen mobbten.
Nur hat man nicht den Eindruck, dass Dortmund aus der Vergangenheit gelernt hat. Anders als die Bayern, die es, mit wenigen Ausnahmen (siehe David Alaba), immer wieder schaffen ihre wichtigsten Spieler, auch bei schwierigen Vertragsverlängerungen von sich zu überzeugen, stolpert der BVB mit Ansage von einem traumatischen Vertragspoker in den nächsten, der jedes Mal eine ganze Spielzeit zu überschatten droht. Warum?
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Erling Haaland erzielte in dieser Saison in 13 Bundesliga-Partien 15 Tore

Fotocredit: Getty Images

Wo bleibt beim BVB die klare Ansage?

Dafür mag es vor allem drei Gründe geben. Erstens: Der BVB ist nicht Bayern, er kann einem Haaland am Ende keine Perspektive bieten, wenn dieser große Titel gewinnen und das ganz große Geld verdienen will. Zweitens: Warum macht Dortmund Verträge mit Ausstiegsklauseln, die dem Spieler das Heft des Handelns überlässt? Und drittens: Warum lässt sich der BVB jedes Mal aufs Neue so vorführen? Wenn Sebastian Kehl am Wochenende sagt, seine Hoffnung sei immer noch da, dass Haaland bleibe, dann ist er noch sehr viel naiver als Haaland.
Noch dazu bekam man am Wochenende den Eindruck, dass man sich beim BVB gar nicht traut, Haaland auch mal zwischendurch, etwa nach dem Training, einfach mal so anzusprechen, um herauszufinden, wie er denn so denkt? Kehl sagte auch, er müsse jetzt mal das Gespräch mit ihm suchen. Ernsthaft?
Wo ist die gesetzte Frist, bis zu der sich Haaland entscheiden muss? Wo die klare Ansage zu den Modalitäten einer möglichen Vertragsverlängerung? Ein Profiklub, der europäische Spitze sein will, macht sich, aus der Angst heraus, es sich mit dem Spieler zu verscherzen, zum Bückling dieses Spielers?

BVB lässt sich von Wunderkindern auf der Nase herumtanzen

Wie haben die Bayern es bei David Alaba gemacht, als er jegliche Fristen verstreichen ließ? Sie haben Ihr Vertragsangebot von sich aus zurück gezogen und somit die Handlungshoheit wieder erlangt.
Und immer dann, wenn Lewandowski Anzeichen von Unzufriedenheit offenbart, die er auf dem Platz gerne mit einem stetig wiederholten Abwinken demonstriert, sei es, dass ihm das Spielsystem nicht gefällt (wie unter Niko Kovac) oder die Kaderplanung, dann tritt ihm der Verein mit deutlich mehr Verve entgegen, zu der der BVB gar nicht in der Lage scheint.
Borussia Dortmund zeigt großes Talent darin, die Wunderkinder des Fußballs zu sich zu holen und sich dann von ihnen auf der Nase herumtanzen zu lassen.

Zur Person Thilo Komma-Pöllath:

Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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