Joshua Kimmich zeigt aufrichtige Reue - und richtet einen wichtigen Appell an die Menschlichkeit
Joshua Kimmichs Entscheidung gegen eine Corona-Impfung schlug wochenlang hohe Wellen. Der Star des FC Bayern musste sich reichlich Kritik gefallen lassen. Mittlerweile hat der 26-Jährige seine Meinung geändert. In einem "ZDF"-Interview gab er nun tiefe Einblicke in sein Seelenleben – und riet zu mehr Sachlichkeit in einer hitzigen Debatte. Ein wichtiger Appell in schwierigen Zeiten.
Joshua Kimmich vom FC Bayern München
Fotocredit: Imago
Joshua Kimmich wirkte im "ZDF"-Interview mitgenommen, abgekämpft von den Strapazen der vergangenen Wochen. Jüngst hatte er mit einer Corona-Infektion zu kämpfen. Diese sei insgesamt zwar "mild verlaufen", die Nachwirkungen, namentlich Infiltrationen in der Lunge, schränken den Bayern-Star aber weiterhin ein. Kimmich wird den Münchnern erst Anfang kommenden Jahres wieder zur Verfügung stehen.
Kimmich und sein positiver Covid-Test - eine Meldung, die für reichlich Wirbel sorgte. Manch einer reagierte mit Häme. "Das hat er nun von seiner Impfskepsis", so der Tenor. Der 26-Jährige war der vielleicht namhafteste Prominente, der Ende Oktober vor laufenden "Sky"-Kameras seine Ängste und Sorgen vor der Impfung kommunizierte und zugab, bislang noch keine Dosis erhalten zu haben.
Die "Bild-Zeitung" hatte Kimmichs Impfstatus tags zuvor öffentlich gemacht - und den Nationalspieler damit quasi in das verhängnisvolle Interview hineingedrängt. Seither wurde diskutiert, Kimmichs Vorbildrolle infrage gestellt. Er selbst schwieg, trat erst nach überstandener Coronaerkrankung mit einem Social-Media-Post wieder in Erscheinung.
Unter einem Foto, das ihn in kraftvoller Aktion auf dem Trainingsplatz zeigte, informierte er über die längere Zwangspause (wegen der Infiltrationen in der Lunge) und gab sich kämpferisch. Der Hashtag "believe in yourself" rundete den Beitrag ab. Kein Hinweis auf Reue, es mutete an, als habe er nichts gelernt, als sei Corona nur halb so schlimm. Ein Höhepunkt der Misskommunikation. Ein PR-Post, mehr nicht. Wieder hagelte es Tadel.
Kritik hinterlässt Spuren bei Kimmich
Der Groll der breiten Masse, der Zuspruch von Verschwörungstheoretikern, Querdenkern und dubiosen Parteien, die Kimmich zu seiner Nicht-Impfung beglückwünschten - all das kann doch nicht spurlos an einem jungen Menschen vorüberziehen, oder?
Nein. Das stellte Kimmich eindrucksvoll unter Beweis. In besagtem Gespräch, das am Sonntagnachmittag im "ZDF" ausgestrahlt wurde, rechtfertigte sich ein Mann, der nicht nur physisch, sondern vor allem psychisch unter seiner Situation gelitten hatte. Ein Mann, der offensichtlich ernsthaft darum bemüht ist, einen Weg aus der - mitunter - selbst geschaffenen Bredouille zu finden.
"Es wäre besser gewesen, wenn ich mich früher hätte impfen lassen", sagte er. Kimmich führte aus: "Es war schwierig, mit meinen Ängsten und Bedenken umzugehen. Deshalb war ich so lange unentschlossen. Vielleicht musste ich erst das durchleben, was ich jetzt durchlebt habe."
Kimmich mit wichtiger Botschaft an alle Zweifler
Aufrichtige Worte, eine verspätete, aber ehrliche Einsicht. Er sei mittlerweile von dem positiven Effekt der Impfung überzeugt, sobald sein Genesenenstatus endet und die Ärzte ihm Grünes Licht geben, wolle er sich impfen lassen. Eine durchaus wichtige Botschaft an die Zweifler von jemandem, der gehört wird.
Ebenfalls bedeutend war das, was Kimmich darüber hinaus vermittelte. Natürlich sei die Kritik "vor allem in der jetzigen Zeit, in der die Inzidenzen wieder steigen", nachvollziehbar gewesen. Zumindest, sofern sie sich in einem sachlichen Rahmen bewegt habe. Ebenjener Rahmen sei aber nur allzu häufig verlassen worden.
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Joshua Kimmich - FC Bayern München
Fotocredit: Imago
"Ich hatte das Gefühl, dass der eine oder andere sich profilieren wollte. Es ging nicht nur darum, die Unentschlossenheit zu kritisieren." Vielmehr sei er zur Persona non grata erklärt worden. In einer Pandemie, die auch aufgrund immer neuer Virusvarianten dynamischer Natur ist, würden logischerweise Fehler gemacht.
Die Grenzüberschreitung in der Kimmich-Debatte
Nicht nur von ihm selbst, auch Entscheidungen von Politikern seien ein ums andere Mal revidiert worden. "Deshalb verstehe ich nicht ganz, warum einem Menschen wie mir diese Fehler nicht zugestanden werden", erklärte Kimmich.
Im Rahmen des Gesprächs war mehrfach von Grenzüberschreitung die Rede. Kimmich wurde konkret, machte anhand von Beispielen deutlich, wie tief einige Medienvertreter in sein Privatleben eingriffen.
"Man ist in mein Heimatdorf gefahren und hat bei meinen Eltern geklingelt, um sie vor die Kamera zu kriegen. Man ist ins Dorf gegangen in die Wirtshäuser und hat versucht, die Menschen dort zu interviewen. Auch vor der Kirche", sagte er.
Presse war selbst bei Beerdingung des Opas vor Ort
Selbst während eines höchst intimen, traurigen Moments sei die Presse ihm und seiner Familie auf die Pelle gerückt: "Es war sogar bei der Beerdigung meines Opas Presse vor Ort."
Mit derlei Erfahrung ausgestattet, ging Kimmich auf einen immer schwelenden gesellschaftlichen Diskurs ein: "Da stelle ich mir schon die Frage: Wo ist da die Grenze, wie wollen wir miteinander umgehen in unserer Gesellschaft? Wir sprechen von Respekt, Toleranz und Offenheit. Diese Werte haben mir in meinem Fall extrem gefehlt."
Kimmichs Appell an die Menschlichkeit. Wenn einer Person des öffentlichen Lebens nicht einmal mehr zugestanden wird, in Ruhe um den eigenen Großvater zu trauern, wenn alles einer möglichen Sensationszeile untergeordnet wird, dann ist die viel zitierte Grenze definitiv überschritten.
Der Auftritt des gebürtigen Rottweilers zeugt von Größe, zeigt, dass Kimmich reflektiert. Die tiefen Einblicke in sein Seelenleben sollten zudem ausreichend Anlass bieten, damit auch diejenigen ihr Handeln künftig hinterfragen, die in ihrem eigenen Selbstverständnis frei von Fehlern sind.
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Nagelsmann zur Impf-Debatte um Kimmich: "Habe meine Meinung gesagt"
Quelle: Perform
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