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Pirlo bei Juventus schon unter Druck: Die Probleme sind tiefgreifend

Florian Bogner

Update 30/10/2020 um 08:50 GMT+1 Uhr

Juventus Turin sucht unter Andrea Pirlo noch nach dem Masterplan - und landet mit dem 0:2 gegen den FC Barcelona in der Champions League auf dem harten Boden der Realität. Trainer Pirlo sieht sich bereits Kritik ausgesetzt, bittet aber um Geduld, ohne zu konkretisieren, wie seine Spielidee aussehen soll. Fabio Capello äußert sich schockiert ob der Verfassung, in der sich Juve präsentiert.

Andrea Pirlo - Juventus Turin

Fotocredit: Getty Images

Fabio Capello guckte ziemlich ernst durch seine Brille.
"Ich bin schockiert", sagte der italienische Fußballlehrer am Mittwochabend bei "Sky Sports", "schockiert über die Unterscheide in Sachen Intensität und Spielfertigkeit."
Was Capello so aus der Fassung gebracht hatte? Das 0:2 seines Ex-Klubs Juventus Turin gegen den FC Barcelona in der Champions League.
"Juventus hat enorm leiden müssen gegen ein kriselndes Barcelona", analysierte Capello und fügte schonungslos an: "Es macht mich betroffen, wie groß der Unterschied zwischen einem Team, das selbst im Umbruch ist und gerade den Clásico verloren hat, gegenüber der Top-Mannschaft Italiens war."
Juventus habe es vor allem an Aggressivität und Dynamik gemangelt. "Barcelona hätte auch acht Tore schießen können", so das vernichtende Urteil des 74-Jährigen.

Andrea Pirlo im Zentrum der Kritik

Unweigerlich im Zentrum der Kritik: Andrea Pirlo. Unter dem neuen Trainer konnte die Alte Dame 2020/21 noch keine zwei Siege aneinanderreihen. In der Serie A gab es bereits drei Remis in fünf Spielen, eine Partie wurde den Turinern am grünen Tisch zugesprochen (Napoli). Selbst für Gegner wie Crotone oder Hellas Verona hat das aktuelle Juve seinen Schrecken verloren.
Sportlich gewonnen hat die Pirlo-Elf bislang nur zum Saisonauftakt gegen Sampdoria (3:0) und am ersten Champions-League-Spieltag bei Dynamo Kiew (2:0). Nun setzte es die erste Niederlage – und dass, obwohl man in der Europapokalgeschichte in sieben Spielen zuvor noch nie zuhause gegen Barcelona verloren hatte.
Dass Pirlo Matthijs de Ligt und Cristiano Ronaldo fehlten, mag ein Grund für die Pleite gewesen sein. Juventus' Probleme gehen aber tiefer als dass man sie alleine mit zwei Personalien begründen könnte.

Pirlo äußert sich kryptisch

So musste auch Pirlo nach dem 0:2 gegen Barcelona, Ousmane Dembélé (14.) und Lionel Messi (90.+1, Foulelfmeter) trafen für die Gäste, eingestehen, dass Barcelona Juventus "im Erneuerungsprozess voraus" ist.
"Sie haben mehr Spieler, die dieses Niveau gewohnt sind. Wir sind immer noch in der Aufbauphase", sagte der 41-Jährige, für den Juventus die erste nennenswerte Trainerstation ist. Die Niederlage werde seiner Mannschaft "helfen zu wachsen".
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Andrea Pirlo (r.) mit Leonardo Bonucci - Juventus Turin

Fotocredit: Getty Images

Vielleicht brauche es noch Zeit, sagte Pirlo, "aber wir wissen, dass die Ergebnisse durch einen gewissen Spielstil von allein kommen werden, den wir aktuell aber noch nicht zeigen können."

Keine Konstanz im Mittelfeld

Was eine ziemlich treffende Umschreibung dafür ist, was sich der gemeine Juve-Fan Ende Oktober wohl immer noch fragt: nämlich welchen Spielstil Pirlo denn eigentlich etablieren will.
Zum einen stellt sich da die Frage, wer die zentralen Spieler seiner Idee sein wollen. Einen zweiten wie ihn selbst, einen Mittelfeldstrategen mit dem idealen Gefühl für Tempiwechsel, gibt der Kader nicht her.
Die meisten Einsatzminuten unter Pirlo häuften neben Keeper Wojciech Szczesny (30) bislang Rechtsverteidiger Danilo (29), Abwehrkante Leonardo Bonucci (32) und Liniensprinter Juan Cuadrado (30) an. Im Mittelfeld schwingt mal Adrien Rabiot den Taktstock, mal Aaron Ramsey. Mal vertraut Pirlo Rodrigo Bentancur, mal Neuzugang Arthur.

Pirlo bittet um Geduld

Den wohl talentiertesten zentralen Mittelfeldspieler, Paulo Dybala, ließ Pirlo dagegen wochenlang links liegen, um ihn dann gegen Barcelona plötzlich in die Startelf zu beordern.
Als solide Verstärkungen lassen sich aktuell nur die Flügelstürmer Federico Chiesa (23) und Dejan Kulusevski (20) bezeichnen, die jedoch gegen Barcelona auch keinen guten Tag erwischt hatten.
"Wir bauen gerade etwas auf. Mit Spielern, die zum ersten Mal in der Champions League spielen", bat Pirlo nach Barcelona um Geduld, stellte aber auch klar: "Wir sind um Umbruch, dennoch wollen wir Spiele gewinnen. Ich bin nicht hier, um etwas aufzubauen ohne Siege einzufahren."

Juventus in der Identitätskrise

Was Pirlo dabei nicht hilft: alle drei Tage spielen zu müssen. "Das macht die Situation schon einigermaßen prekär für ihn", weiß Carlofilippo Vardelli von Eurosport Italien: "Pirlo ist ein Rookie, der auch taktische Fehler begeht."
Für den "Corriere dello Sport" steckt das Pirlo-Juve in einer handfesten "Identitätskrise". Die "Gazzetta dello Sport" argumentierte derweil, dass Juventus trotz aller Schwierigkeiten immer Ergebnisse geliefert habe: "Schön spielen ist nur ein Plus: Was zählt, ist der Sieg." Für "La Repubblica" ist das aktuelle Juventus aus mehreren Gründen "ganz, ganz klein".
Um Pirlos Arbeit beurteilen zu können, müsse man allerdings schon noch ein paar Spiele mehr abwarten, führt Vardelli ins Feld. "Seine Idee vom modernen Fußball mag der von Guardiola nicht unähnlich sein. Die Frage ist, ob er dafür die richtigen Spieler im Kader hat", so der Eurosport-Experte.
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Dejan Kulusevski - Juventus Turin

Fotocredit: Eurosport

Alarmsignale bei Juve

Dass Pirlo direkt von Klubboss Andrea Agnelli berufen wurde, entspannt die Lage für den Trainer naturgemäß etwas. "Agnelli wird ihm prinzipiell weiter das Vertrauen schenken und ihm Zeit geben", ist sich Vardelli sicher:
"Als Juventus-Trainer steht man immer unter Druck, aber in dieser Situation ist es das einzig richtige, Pirlo etwas Handlungsspielraum zugeben und etwas zu entwickeln. Das Risiko dabei ist allerdings, dass Juventus im Januar bereits den Saisonzielen hinterherläuft."
Alarmiert haben dürfte die Führungsetage der Alten Dame indes, dass Juventus gegen Barcelona nicht nur taktisch und in Sachen individueller Klasse ausmanövriert wurde, sondern es auch an Grundtugenden vermissen ließ.
"Barcelona war uns in Sachen Charakter überlegen. Wir waren zu ängstlich in Ballbesitz und zu wenig aggressiv gegen den Ball", legte auch Pirlo den Finger in die Wunde: "Wir müssen an unserer Einstellung in solchen Spielen arbeiten."
Sonst schaut Capello nämlich wieder besonders ernst durch seine Brille.
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