FC Bayern bei Real Madrid - Taktik-Experte: Nur so schafft München den Finaleinzug - Halbfinale der Champions League
VonLuca Baier
Update 08/05/2024 um 16:45 GMT+2 Uhr
Mit einem 2:2-Spektakel aus dem Hinspiel im Gepäck reist der FC Bayern München am Mittwoch zu Real Madrid und will den Einzug ins Finale der UEFA Champions League perfekt machen. Damit dies gelingt, muss der deutsche Rekordmeister im Rückspiel jedoch einen taktischen Balance-Akt meistern. Eurosport.de erklärt im Taktik-Check, woraus es für die Bayern im Estadio Santiago Bernabéu ankommen wird.
Tuchel warnt vor Rückspiel: "Werden leiden müssen"
Quelle: Perform
"Und dann haben sie mit uns gemacht, was sie mit allen machen: aus zwei Torchancen zwei Tore."
Thomas Tuchel sprach nach dem Remis im Hinspiel das aus, was in den vergangenen Jahren viele Gegner von Real Madrid dachten.
Irgendwie ist man gut im Spiel, ja sogar die bessere Mannschaft. Spielerisches Übergewicht, die ein oder andere Torchance, selbst hingegen kaum etwas zugelassen.
Und trotzdem reicht es gegen die Madrilenen nicht.
Verkehrte Welt? Real und der Atlético-Stil
Es ist und bleibt eine Scheindominanz, die viele Mannschaften gegen Real Madrid aufbauen - übrigens auch die individuell deutlich schlechter besetzten Woche für Woche in der spanischen Liga. Das Team von Carlo Ancelotti presst selten hoch, sondern zieht sich in der Regel weit zurück und lässt den Gegner in Ruhe aufbauen. Gegen starke Teams wie die Bayern (Halbfinal-Rückspiel am Mittwoch ab 21:00 Uhr im Liveticker) darf es dann auch mal ein ganz enges und tiefes 4-4-2 sein - mit Vinícius Júnior und Jude Bellingham in "vorderster Front" 30 Meter vor dem eigenen Tor.
In dieser Struktur, die sehr stark an die Glanzzeiten des Lokalrivalen Atlético Madrid erinnert, werden die Abstände zwischen den Linien so klein, dass man als Gegner eigentlich nur außen herum spielen kann.
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Neuer fordert: "Brauchst ein Gefühl von Selbstvertrauen"
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Die Bayern waren im Hinspiel sichtlich vorsichtig beim Bespielen der zentralen Räume: Immer wieder kippte Leon Goretzka zur Seite raus, auch Jamal Musiala und Leroy Sané zeigten sich meistens neben dem Defensivblock der Königlichen. Aus diesen Positionen heraus ist es schwierig, Tempo aufzunehmen, da kein Gegner überspielt ist.
Bayerns Balance-Akt: Real locken, ohne in die Falle zu tappen
Um diesen kompakten Block in Bewegung zu bringen und somit Räume zu öffnen, muss Bayern den Ball schnell bewegen. Da Real selten wirklich attackiert, kommt es kaum zu direkten Duellen, in denen Musiala, Sané und Co. ihre großen Stärken haben. Vielmehr ist es wichtig, mit guter Passschärfe in eine Seite hineinzuspielen, Real anzulocken und dann mit wenigen Pässen wieder auf die andere Seite zu kommen.
Ein Spiel mit dem Feuer: Denn wird es in Ballnähe zu eng, drohen Ballverluste, auf die die Königlichen lauern. Wird der Ball gewonnen, startet Vinícius Júnior sofort in die Tiefe und ist mit seinem Tempo nur schwer zu halten. Weil auch Jude Bellingham, Rodrygo und Fede Valverde unermüdlich nachrücken, ist die Restverteidigung eine extrem schwierige Aufgabe.
Hier kommt es besonders auf Bayerns Sechser an. Diese müssen ständig genau beobachten und in Sekundenschnelle bewerten: Muss ich mich anspielbar machen? Oder gehe ich schon in die Absicherung, um nach Ballverlust Zugriff auf Bellingham zu haben?
Manndeckung bei eigenem Angriff? FCB muss Kroos bewachen
Die beste Art der Kontervermeidung ist es, die eigenen Angriffe abzuschließen. Die Münchener müssen daher einen guten Mix aus Geduld und Zielstrebigkeit finden. Gegen Reals passiven, tiefen Abwehrblock bieten sich vor allem Flanken an: Wird das Spiel verlagert, müssen die Außenverteidiger sofort den Gedanken haben, mit dem zweiten Ballkontakt flanken zu können.
Um Fixpunkt Harry Kane herum müssen sowohl Thomas Müller als auch der ballferne Flügelspieler einlaufen und als potenzielle Abnehmer dienen. Nicht weniger wichtig ist die Reihe dahinter: Mit den Sechsern und dem ballfernen Außenverteidigern müssen die nächsten Bayern-Spieler nah dran am Geschehen sein: entweder als Abnehmer für den geklärten Ball oder fürs Gegenpressing.
Es muss immer ein Münchner in unmittelbarer Nähe von Kroos stehen. Was nach Manndeckung im eigenen Angriff klingt, ist aus taktischer Sicht überlebenswichtig gegen Real: Fällt erstmal ein geklärter Ball vor die Füße von Kroos, bleibt schlichtweg keine Zeit mehr, den Weltmeister von 2014 anzulaufen. Zu schnell erkennt er die bestmögliche Fortsetzung, zu präzise sind seine Pässe, die nahezu jeden Gegenstoß der Königlichen einleiten.
Bayern muss auf der zweiten Welle schwimmen
Gelingt es den Bayern, die Real-Konter auf ein Minimum zu reduzieren, können sie eine echte Dominanz aufbauen. Sie werden vermutlich selten mit dem eigentlichen Angriff zu einer klaren Chance kommen können, wohl aber in der zweiten Welle.
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Tuchel: "Kroos ist absoluter Schlüsselspieler"
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Mit Flanken und Schüssen aus der zweiten Reihe müssen sie Reals Abwehrspieler immer wieder in den Strafraum drängen. Gewinnen sie den geklärten Ball zurück, ist der Defensivblock nicht mehr sortiert und Spieler wie Musiala oder Sané können ihre Qualitäten ausspielen - zum Beispiel durch ein kurzes Dribbling, einen überlegten Distanzschuss oder einen schnellen Doppelpass.
Eurosport-Check: Dass Real Madrid in den vergangenen Jahren in den entscheidenden Duellen nahezu immer die Nase vorne hat, obwohl sie eigentlich wenig vom Spiel haben, ist kein Zufall: Mit ihrem teilweise einschläfernden Spielstil sorgen sie regelmäßig dafür, dass der Gegner ungeduldig wird und die Nerven verliert. Kommen dann die unüberlegten, riskanten Aktionen, sind die Königlichen da und nutzen die dadurch entstehenden Konterräume.
Der FC Bayern muss den Spagat zwischen Geduld und Zielstrebigkeit finden, um eine echte statt scheinbare Dominanz aufzubauen: Gegner in Bewegung kriegen, Tor bedrohen, Nähe zu Reals Konterspielern haben. Wenn sie diese drei Dinge auf sehr gutem Niveau umsetzen, können sie das Finale erreichen. Wenn nicht, wird Real wieder "das machen, was sie mit allen machen".
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