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FC Bayern: Thomas Tuchel nach Niederlage bei Lazio Rom ratlos - für den Trainer geht es jetzt schon ans Eingemachte

Celine Jäntsch

Update 15/02/2024 um 12:41 GMT+1 Uhr

Thomas Tuchel wirkt nach der Niederlage des FC Bayern München im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei Lazio Rom (0:1) angeschlagen. Mit der zweiten Pflichtspielpleite in Folge ohne eigenes Tor wird die Luft für den Trainer mit der schwachen Top-Spiel-Bilanz nun immer dünner. Denn wenn die Spieler auf dem Platz einen Offenbarungseid abgeben, gehen dem Coach zunehmend die Argumente aus.

Das sagt Tuchel zur Niederlage in Rom - die komplette PK

Die Frage auf der Pressekonferenz war provokant und doch kam sie zwangsläufig nach der 0:1-Pleite gegen Lazio.
"Machen Sie sich nach dieser sehr schwachen Leistung Sorgen um Ihren Job als Bayern-Trainer?", fragte der Reporter der "Bild"-Zeitung Bayern-Trainer Thomas Tuchel.
"Nein" antwortete der klar und deutlich, reagierte auf Nachfragen aber empfindlich. "Ich würde gerne über das Spiel sprechen", wich Tuchel aus. Schließlich musste sogar Pressesprecher Dieter Nickles eingreifen.
Die Nerven liegen nach den jüngsten Niederlagen blank beim großen FC Bayern. Das Selbstverständnis des Rekordmeisters ist verflogen. Der Trainer wirkt ratloser denn je, seine Mannschaft kann seine Vorgaben nicht umsetzen. Man kann sich dem Eindruck nicht erwehren: Tuchel und der FC Bayern, das passt nicht zusammen.
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Thomas Tuchel auf der Pressekonferenz nach der 0:1-Niederlage des FC Bayern München bei Lazio Rom

Fotocredit: Getty Images

FC Bayern bricht in Halbzeit zwei ein

Dabei war den Münchnern im ersten Durchgang durchaus anzumerken, dass sie eine Reaktion auf das 0:3 im Bundesliga-Topspiel bei Bayer 04 Leverkusen zeigen wollten. Bereits in Minute zwei verpasste Joshua Kimmich die Führung nur knapp, fünf Minuten später verzog Harry Kane (7.). Leroy Sané vergab die beste Einschussmöglichkeit im Anschluss an einen Freistoß (32.).
Die Rückkehr zur altbewährten Viererkette und die Berufung von Kimmich und Routinier Thomas Müller in die Startelf schien der Mannschaft Stabilität zu verleihen. Der 34-Jährige trieb seine Mitspieler immer wieder gesten- und wortreich an. Allein: Auch er konnte den Ball nicht im Tor der Gastgeber unterbringen.
Doch als Bayern nach der Pause hätte zulegen müssen, kam es zu einem unerklärlichen Einbruch. Plötzlich war von Offensivdrang und Zielstrebigkeit nichts mehr zu sehen, stattdessen machte sich die Tuchel-Elf das Leben durch individuelle Fehler selbst schwer.
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Müller steht zu Tuchel: Trainer-Frage "respektlos"

Tuchel muss sich Bayern-Leistung ankreiden lassen

Die Konsequenz: Rot für Dayot Upamecano (67.), Elfmeter-Gegentor durch Ciro Immobile (69.). "Das war ein wenig Slapstick", bilanzierte Müller nach Spielende bei "DAZN" sauer.
Wie aber kann es sein, dass eine Spitzenmannschaft wie der FC Bayern nach der Halbzeitpause, in der Fehler analysiert, Dinge angesprochen und Vorgaben des Trainerteams geschärft werden können und sollten, so auseinanderbricht?
Zwar hat der Coach keinen direkten Einfluss auf das Geschehen auf dem Feld, dennoch muss sich auch Tuchel diesen Leistungsabfall ankreiden lassen. "Wir haben die Mannschaft eigentlich bestärkt, weiter zu machen", sagte der Coach selbst nach dem Spiel. Problematisch, dass sein Team genau das Gegenteil davon machte - und Tuchel selbst nicht wusste, warum.
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Tuchel ratlos nach Pleite: "Schlüssel noch nicht gefunden"

Tuchels Frust verunsichert die Mannschaft

Frappierend: Anstatt auf sein zunehmend verunsichertes Team verbessernd einzuwirken, schien der Bayern-Trainer selbst die Nerven zu verlieren - und schließlich gar zu resignieren.
Mal rannte der 50-Jährige im Stile eines Duracell-Häschens an der Seitenlinie auf und ab und gestikulierte wild, dann schlug er die Hände verzweifelt vors Gesicht. Allein die Mannschaft erreichte er damit nicht.
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Thomas Tuchel vom FC Bayern

Fotocredit: Getty Images

Dazu passt, dass Tuchel nach Abpfiff so schnell wie möglich das Weite suchte, anstatt öffentlich den Schulterschluss mit seiner Mannschaft zu suchen. Tuchel schüttelte kurz die Hand von Lazio-Trainer Maurizio Sarri und verschwand direkt in der Kabine.
Da half es auch nicht, dass der Trainer nach dem Spiel von einer "extrem positiven" Stimmung im Vorfeld der Champions-League-Reise sprach. Trotz der Leverkusen-Niederlage sei man "sehr ruhig" geblieben.
Statt ruhig zu bleiben, verfiel man im zweiten Durchgang in Hektik. Die Rote Karte von Upamecano war dabei nur die Spitze des Eisbergs. Kein einziger Angriff wurde in Ruhe zu Ende gespielt. Schließlich wies die Statistik keinen einzigen Schuss aufs Lazio-Tor auf, nur 17 daneben.

Tuchels verheerende Bilanz

Nach der Niederlage in Rom muss Tuchel sich hinterfragen. Zu verheerend ist seine bisherige Bilanz in den Spielen, in denen es drauf ankommt. Von seinen 43 Pflichtspielen als Bayern-Trainer hat er bereits zehn verloren - so viele wie Vorgänger Julian Nagelsmann in seiner gesamten Amtszeit über 84 Spiele.
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Freund zur Trainer-Frage: "Werden uns gemeinsam rauskämpfen"

Auch der ungeliebte Niko Kovac, nach nicht einmal zwei Jahren beim FCB entlassen, verlor nur acht von 65 Partien.
Die Top-Spiel-Fakten sprechen klar gegen Tuchel: Zwei von drei DFB-Pokalspielen unter seiner Führung gingen verloren (Freiburg, Saarbrücken). Keins von drei Champions-League-K.o.-Spielen konnte er gewinnen.
Dazu kommen die Niederlagen in den wichtigsten Bundesliga-Spielen gegen Leipzig (1:3) im vergangenen Jahr und jüngst gegen Bayer 04 (0:3). "Nur" gegen Borussia Dortmund gelangen jeweils zwei Siege, darunter das 4:2 beim allerersten Tuchel-Auftritt nach seiner Amtsübernahme.
Beinahe unerklärlich muten dazu die Pleiten in Mainz (1:3) - damals übrigens ebenfalls mit Dreierkette - gegen Frankfurt (1:5) kurz vor Weihnachten und jüngst gegen das bis dato auswärts völlig harmlose Werder Bremen (0:1) an.
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Tuchel ratlos: "Krasser Leistungsabfall in zweiter Halbzeit"

Tuchel vergrault Stammkräfte

Tuchels Vorgänger Nagelsmann war vor knapp einem Jahr vorgeworfen worden, er habe "die Kabine verloren". Doch auch sein Nachfolger tut sich offensichtlich schwer, beim bajuwarischen Star-Ensemble für ein positives Binnenklima zu sorgen.
In Leverkusen verzichtete Tuchel beispielsweise auf die Führungsspieler Matthijs de Ligt, Müller und Kimmich, obwohl sich Letzterer im Vorfeld der Partie fit zurückgemeldet hatte. Stattdessen baute er auf Youngster Aleksandar Pavlović, der sein Talent zuvor schon häufiger unter Beweis gestellt hatte, gegen die Werkself aber überfordert wirkte.
Zudem brachte der Trainer in der ungewohnten Dreierkette den Jetlag-geplagten Asien-Cup-Reisenden Min-Jae Kim, Neuzugang Eric Dier und den gerade erst genesenen Upamecano. Der Franzose musste im Top-Spiel nach einer Stunde völlig platt weichen, gegen Rom erwies er seiner Mannschaft mit dem Platzverweis einen Bärendienst.
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Schiedsrichter Francois Letexier zeigt Dayot Upamecano (FC Bayern) gegen Lazio Rom die Rote Karte

Fotocredit: Getty Images

Fraglich ist, warum Tuchel auf ihn und nicht auf de Ligt setzte, der zuvor gute Leistungen gezeigt hatte. Der Niederländer ist mittlerweile merklich unzufrieden. Auch Leon Goretzka - zwischenzeitlich nur Ersatzspieler - äußerte bereits öffentlich seinen Unmut. Kimmich gab sich über seine Nicht-Berücksichtigung in Leverkusen ähnlich verwundert.
Die einst vorherrschenden Hierarchien beim FC Bayern wirbelt der Trainer mit seinen wechselnden Startformationen durcheinander - hat damit zuletzt aber keinen Erfolg. Spieler wie de Ligt lässt er gar links liegen. Mannschaftliche Geschlossenheit kann so kaum gelingen.
De Ligt, Goretzka und Kimmich werden Wechselgedanken nachgesagt, dazu liebäugelt Alphonso Davies (derzeit verletzt) mit einem Transfer zu Real Madrid.

Tuchels Spielverständnis passt nicht zu Bayern

Dass er ein Spitzenteam zum Champion formen kann, hat Tuchel schon bewiesen. 2021 machte einen bis dato eher desolaten FC Chelsea zum Champions-League-Sieger. Allerdings wählte er dabei einen defensiven Ansatz, der mit dem Selbstverständnis des FC Bayern nicht so recht zusammenpassen will.
Unter dem gebürtigen Schwaben entwickelten sich die Blues zu Europas stärkster Defensive. Zu Beginn seiner Amtszeit blieben die Londoner in 76 Prozent ihrer Spiele ohne Gegentor. Bevorzugtes Spielsystem damals: die Dreier- beziehungsweise Fünferkette.
Beim FC Bayern hingegen will man nicht nur alles gewinnen. Es kommt den Verantwortlichen an der Säbener Straße und den Fans in der Allianz Arena vor allem darauf an, wie man die Spiele bestreitet. In München herrscht von Haus aus ein offensives Spielverständnis vor, man will dominieren.
Nur auf Resultate zu gehen, reicht nicht aus. Das weiß auch Tuchel. "Bis jetzt haben wir Ergebnisse geliefert", sagte er auf der Pressekonferenz in Rom, auch wenn die Leistung nicht immer stimmte: "Jetzt sind wir gezwungen zu liefern."
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Der FC Bayern geht mit einer Hypothek ins Achtelfinal-Rückspiel

Fotocredit: Getty Images

Tuchel nun zum Siegen verdammt

Und liefern muss vor allem Tuchel schnellstmöglich. Nach dem Aus im DFB-Pokal, der Pleite in Rom im Europapokal und angesichts von fünf Punkten Rückstand auf Bayer Leverkusen in der Bundesliga, ist Bayern in den nächsten Wochen zum Siegen verdammt.
In der Bundesliga steht als nächstes das unangenehme Auswärtsspiel beim VfL Bochum (So., 17:30 Uhr im Liveticker) an. Anschließend geht es gegen RB Leipzig und den SC Freiburg - Gegner, gegen die Tuchel schon verlor. Am 5. März steigt dann das Rückspiel gegen Lazio.
Sollte der FC Bayern nur eines dieser vier anstehenden Spiele verlieren, erscheint es schwer vorstellbar, dass Tuchel im Amt bleibt - auch, wenn Müller in Rom von einer Trainerdiskussion nichts wissen wollte ("Ihr braucht nicht erwarten, dass wir uns selbst zerfleischen, wir stehen zusammen.").
Dass Tuchel weiter ratlos wirkt, macht die Situation nicht besser. "Wir sind dran", sagte er in Rom, gab aber auch offen zu: "Der Schlüssel ist definitiv noch nicht gefunden." Viel Zeit bleibt ihm für die Suche nun nicht mehr. Sonst muss sich Tuchel - entgegen seiner Behauptungen - sehr wohl Sorgen um seinen Job machen.
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