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WM 2022 - Japan-Torwart Daniel Schmidt im Interview: "Wir haben eine Chance gegen Deutschland"

Steffen Schneider

Update 15/11/2022 um 17:49 GMT+1 Uhr

Daniel Schmidt spielt bei der WM 2022 mit Japan in der Deutschland-Gruppe. Vor dem Duell mit dem DFB-Team spricht der 1,97 Meter große Torwart mit deutschen Wurzeln über die Zielsetzung der Japaner bei der Weltmeisterschaft in Katar, seinen bemerkenswerten Werdegang bis zum Nationalkeeper, seine deutschen Trainer in Belgien und die deutschen Torwart-Kollegen um Manuel Neuer als Vorbilder.

Daniel Schmidt spielt seit 2018 für die japanische Nationalmannschaft im Tor

Fotocredit: Getty Images

Er gilt als einer der besten Keeper in Belgiens Eliteklasse: Daniel Schmidt, Torwart mit japanischem Pass und deutschem Namen in Diensten von VV St. Truiden, wo er seit seinem Wechsel von Vegalta Sendai 2019 kickt.
Der 1,97-Meter-Hüne zählt zum Kader, den Nationaltrainer Hajime Moriyasu für die Weltmeisterschaft in Katar nominiert hat. Gegen Deutschland, Spanien und Costa Rica kämpft Japan in Gruppe E um den Einzug in das Achtelfinale. Gleich in ihrem ersten Gruppenspiel trifft die Elf um Frankfurt-Star Daichi Kamada auf die DFB-Elf (am Mittwoch, 23. November ab 14:00 Uhr im Liveticker).
Natürlich ein besonderes Spiel für den 30 Jahre alten Schmidt, der in Belgien gleich von mehreren Deutschen trainiert wird: Chefcoach ist der ehemalige Bundesligaprofi Bernd Hollerbach, Assistent ist Markus Pflanz, Torwarttrainer der Ex-Stuttgarter Dennis Rudel.
Er ist einer von fünf Japanern im Kader des Klubs aus der belgischen Provinz Limburg, darunter auch zwei bekannte Gesichter aus der Bundesliga: Im Sturm spielt der ehemalige Mainzer Shinji Okazaki, für kreative Momente sorgt der Ex-Dortmunder Shinji Kagawa, der über Stationen in Spanien (Saragossa) und Griechenland (Saloniki) mittlerweile den Weg nach Belgien gefunden hat. Bei der WM werden die Routiniers im Gegensatz zu Schmidt allerdings nicht dabei sein.
Vor dem WM-Auftakt spricht Schmidt im Interview mit Eurosport.de über Vorbilder, seine deutschen Trainer und die Ziele in Katar.
Herr Schmidt, in wenigen Tagen wird Japan gegen Deutschland spielen. In St. Truiden haben Sie einen deutschen Trainer, Co-Trainer und Torwarttrainer. War das Spiel bereits Thema?
Daniel Schmidt: Sie gehen alle wahrscheinlich davon aus, dass Deutschland gegen uns gewinnt, sagen aber auch: Japan hat durchaus eine Chance zu gewinnen. Ich sehe das genauso: Wir haben eine Chance.
Haben sie Ihnen Ratschläge gegeben, wie man gegen Deutschland spielen sollte?
Schmidt: Bisher gab es keinen wirklichen Ratschlag - sie haben mir viel Glück gewünscht. Aber selbst wenn sie etwas sagen sollten, würde ich in diesem Fall mal weghören. (lacht) Wir machen hin und wieder Scherze über das Spiel.
Was dachten Sie, als Sie von der Gruppenauslosung gehört haben? Japan spielt gegen Deutschland, Spanien und Costa Rica.
Schmidt: Das ist eine wirklich schwierige Gruppe. Aber: Wenn wir es unter die letzten 16 Mannschaften schaffen, ist das bereits eine große Leistung. Wir können der Welt beweisen, dass der japanische Fußball immer besser wird. Also ist diese Gruppe auch eine große Chance für uns.
Tatsächlich ist nur mein Name deutsch. Mein Vater kommt aus den Vereinigten Staaten und ich wurde dort geboren, in Illinois.
Wie weit kommt die japanische Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft?
Schmidt: Unser Ziel ist das Viertelfinale. Bisher sind wir immer vorher ausgeschieden. 2018 beispielsweise, als wir im Achtelfinale gegen Belgien (2:3 nach 2:0-Führung, Anm. d. Red.) verloren haben.
Werden Sie bei der WM auch zum Einsatz kommen?
Schmidt: Die Entscheidung wurde noch nicht getroffen. In den Qualifikationsspielen haben andere Torhüter gespielt. Ich kam kürzlich beim Testspiel gegen Ecuador zum Einsatz und ich denke, ich habe meine Sache gut gemacht. Vielleicht habe ich eine Chance, auch bei der Weltmeisterschaft zu spielen.
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Daniel Schmidt (r.) in Aktion mit Japan

Fotocredit: Getty Images

Welche Teams sind Ihre Titelfavoriten und was trauen Sie der deutschen Nationalmannschaft zu?
Schmidt: Deutschland hat eine gute Mannschaft: Viele Akteure spielen in starken Ligen, in Topteams. Ich glaube, dass Deutschland eine jener Mannschaften ist, die Weltmeister werden können. Mein Favorit ist im Moment aber Frankreich.
Sie haben einen deutschen Nachnamen. Welche Verbindung haben Sie zu Deutschland - sprechen Sie sogar die Sprache?
Schmidt: Tatsächlich ist nur mein Name deutsch. Mein Vater kommt aus den Vereinigten Staaten und ich wurde dort geboren, in Illinois. Ich bin mir nicht sicher, welche Generation meiner Familie aus Deutschland in die USA ausgewandert ist. Es muss in den Generationen vor meinem Großvater gewesen sein - also vor langer Zeit.
Ich schaue mir die deutschen Keeper immer genau an. Ich mag ihren Spielstil – wie sie sich in Eins-gegen-eins-Situationen verhalten, wie sie Bälle abfangen. Alle deutschen Torhüter, die in der Bundesliga spielen, aber auch Marc-André ter Stegen in Barcelona: Das sind Vorbilder für mich.
Was waren die Gründe für Ihren Wechsel nach Belgien im Jahr 2019?
Schmidt: Es war immer mein Ziel, nach Europa zu kommen. 2019 kam die Anfrage von St. Truiden - also habe ich die Chance genutzt.
Welche Unterschiede haben Sie zwischen dem japanischen und dem europäischen Fußball bisher ausgemacht?
Schmidt: Der japanische Fußball ist etwas langsamer als der europäische. Das Tempo der Angriffe ist nicht so hoch, man hat mehr Zeit zu verteidigen und auch selbst mehr Zeit in Ballbesitz. Nach meinem Wechsel nach Belgien habe ich richtig gespürt, wie es im Spiel viel mehr hoch und runter geht, hin und her. Für mich ist das der größte Unterschied zwischen europäischem oder belgischem Fußball auf der einen und dem Spiel in Japan auf der anderen Seite.
Hatten oder haben Sie Vorbilder? Und was halten Sie von den deutschen Nationaltorhütern Manuel Neuer, Marc-André ter Stegen und Kevin Trapp?
Schmidt: Ich schaue mir die deutschen Keeper immer genau an. Ich mag ihren Spielstil - wie sie sich in Eins-gegen-eins-Situationen verhalten, wie sie Bälle abfangen. Alle deutschen Torhüter, die in der Bundesliga spielen, aber auch Marc-André ter Stegen in Barcelona: Das sind Vorbilder für mich. Und: Als ich zehn Jahre alt war, fand die Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea statt. Damals sah ich Oliver Kahns Paraden - er war der beste Spieler des Turniers.
Kahn hat insgesamt 86 Länderspiele für die DFB-Elf bestritten und ist mittlerweile Vorstandsvorsitzender vom FC Bayern München. In einem Interview hat er mal sinngemäß gesagt: Torhüter brauchen eine Spur Wahnsinn. Hat er Recht?
Schmidt: (lacht) Ich kann nicht genau erklären warum, aber ich stimme ihm zu.
Es war tatsächlich ein komisches Gefühl, als ich hörte: Shinji Kagawa kommt nach St. Truiden! Ich habe ihn früher immer im Fernsehen gesehen und er war eines meiner Idole.
Bei Ihrem Klub VV St. Truiden gibt es einen starken japanischen Einfluss, aktuell spielen dort fünf Japaner. Half Ihnen das bei der Eingewöhnung in Belgien?
Schmidt: Ja, sie waren eine große Hilfe, um hier anzukommen. Mittlerweile helfe ich selbst japanischen Spielern, die nach Belgien kommen.
Wie ist es, an der Seite erfahrener ehemaliger Bundesligaspieler wie Shinji Kagawa oder Shinji Okazaki aufzulaufen?
Schmidt: Es war tatsächlich ein komisches Gefühl, als ich hörte: Shinji Kagawa kommt nach St. Truiden! Ich habe ihn früher immer im Fernsehen gesehen und er war eines meiner Idole - obwohl wir beide ungefähr im gleichen Alter sind: Er ist 33, ich bin 30 Jahre alt. Ich habe allerdings lange als Amateur gespielt. Nach meinem Uni-Abschluss bin ich erst mit 22 Profi geworden. Jetzt in einer Mannschaft mit Shinji Kagawa zu spielen, fühlt sich wie ein Traum an.
Wie ist Ihre Beziehung zu St.-Truiden-Cheftrainer Bernd Hollerbach und seinem Assistenten Markus Pflanz? Und welche Rolle spielt Torwarttrainer Dennis Rudel?
Schmidt: Sie sind alle sehr nett zu mir. Natürlich verbringe ich jede Menge Zeit mit Dennis Rudel. Er hilft mir wirklich dabei, ein besserer Torwart zu werden. Wir analysieren viele Dinge - nicht nur meine eigenen Auftritte, sondern auch die anderer Torhüter. Er zeigt mir starke Aktionen anderer Keeper - zum Beispiel aus der Bundesliga. Wir versuchen auch von ihnen zu lernen.
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Daniel Schmidt im Trikot von VV St. Truiden

Fotocredit: Imago

Wie sind Ihre Zukunftspläne?
Schmidt: Ich versuche, immer besser zu werden und den nächsten Schritt zu machen. Um das zu schaffen, muss ich mich aber auf meine Leistung in dieser Liga hier konzentrieren. Also: Ich denke nicht allzu viel über das nächste Level nach. Ein Ziel ist es, in der Premier League zu spielen. Falls der Schritt in die Bundesliga oder die Ligue 1 möglich ist, wäre das ebenfalls gut. Auch Spanien oder Italien würden mich reizen, das ist aufgrund ihrer Regeln für ausländische Spieler aber etwas komplizierter.
Gab es schon ein Angebot aus der Bundesliga oder aus der Premier League?
Schmidt: Nein, noch nie. Ich glaube, das zeigt: Ich muss noch härter arbeiten! (lacht)
Das Interview führte Steffen Schneider
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