Spanien scheitert erneut im Elfmeterschießen - Marokko jubelt über ersten Viertelfinal-Einzug

Spanien hat bei der WM 2022 in Katar das Achtelfinale 0:3 (0:0) im Elfmeterschießen gegen Marokko verloren und damit zum dritten Mal in Folge das WM-Viertelfinale verpasst. Die Nordafrikaner stehen dagegen erstmals in der Runde der letzten Acht - weiter kam eine afrikanische Mannschaft noch nie. Spanien war zuvor schon bei der WM 2018 und der EM 2020 im Elfmeterschießen gescheitert.

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Quelle: MagentaTV

Gegen dicht gestaffelte Marokkaner, die im Education City Stadion von Ar-Rayyan knapp 20.000 Fans unterstützten, tat sich Spanien in der Anfangsphase schwer. Zwar lag die Mannschaft von Luis Enrique zwischenzeitlich bei 80 Prozent Ballbesitz, den ersten Abschluss aber verbuchte Marokko.
Ein Freistoß von Achraf Hakimi aus 21 Metern halblinker Position flog aber deutlich drüber (12.). Spanien hingegen musste bis zur Mitte des ersten Durchgangs auf den ersten – und einzigen - gefährlichen Abschluss warten. Dann nämlich bediente Jordi Alba mit einem feinen Chipball links im Strafraum Marco Asensio, der aus sechs Metern das Außennetz traf (26.).
Kurz vor der Halbzeit wurde es dagegen im Strafraum der Iberer nochmal brenzlig. Zunächst setzte Nayef Aguerd einen Kopfball nach Flanke von Sofiane Boufal aus fünf Metern über den Querbalken, wenig später klärte Aymeric Laporte in letzter Sekunde vor Stürmer Youssef En-Nesyri (43.).
Auch in der zweiten Hälfte bot sich ein ähnliches Bild: Spanien hatte den Ball, Marokko lauerte auf Konter. Einen Freistoß von RB Leipzigs Dani Olmo faustete Torhüter Bono aus der Gefahrenzone (55.). Viel zwingender wurde das Spiel der Iberer allerdings nicht.
So reagierte Luis Enrique und brachte mit Álvaro Morata seinen Top-Joker, der in den drei vorherigen WM-Spielen immer getroffen hatte (63.).
Ein Treffer gelang Spanien aber auch mit Morata vorne drin nicht. Viel mehr hätte Marokko durch den eingewechselten Abdelhamid Sabiri kurz vor dem Schlusspfiff in Führung gehen können, der suchte allerdings selbst den Abschluss, anstatt den besser postierten Hakim Ziyech zu bedienen (86.).
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Harsche Kritik an Spanien-System: "Haben keinen Plan B"

Quelle: MagentaTV

In der Nachspielzeit vereitelte Bono dann auch noch einen Freistoß von Olmo - die beste Möglichkeit für die Süd-Europäer (90.+5).
Nach 90 Minuten hatte die Furia Roja schon 768 Pässe gespielt, 94 Prozent davon waren angekommen - doch der Ertrag blieb spärlich. Auch in der Verlängerung kam Spanien zunächt nicht zwingend vor das Tor. Marokko hingegen hatte in Person von Walid Cheddira die große Möglichkeit zur Führung, der scheiterte allerdings aus acht Metern an Unai Simón (104.).
Auch in der zweiten Halbzeit blieb es spielerisch dünn - bis in die Nachspielzeit. Da traf der eingewechselte Pablo Sarabia aus kurzer Distanz den Pfosten (120.+3).
Die Partie musste also Elfmeterschießen entschieden werden. Und dort legte Spanien eine gruselige Vorstellung an den Tag. Kein einziger Elfmeter der Schützen Sarabia, Carlos Soler und Sergio Busquets fand den Weg ins Tor. Zweimal parierte Marokkos Keeper Bono, der in der spanischen Liga beim FC Sevilla spielt. Sarabia traf erneut nur den Pfosten.
Besser machten es auf der Gegenseite Abdelhamid Sabiri und Hakim Ziyech, während es Badr Benoun mit seinem Fehlschuss - Unai Simón parierte - nochmal kurz spannend machte.
Schließlich war es der Ex-Dortmunder Hakimi, der seine Mannschaft mit einem direkt ins Zentrum gechippten Elfmeter ins erste Viertelfinale einer WM überhaupt in Marokkos Geschichte schoss. Gegner ist am Samstag (16:00 Uhr im Liveticker) Portugal oder die Schweiz.
Marokko hatte erst zum zweiten Mal in einem Achtelfinale gestanden: 1986 gab es ein 0:1 gegen Deutschland, als Lothar Matthäus in der 87. Minute einen direkten Freistoß verwandelte.
Für Spanien war es nach dem Titelgewinn 2010 und dem Scheitern 2014 in der Gruppenphase bereits das zweite Aus nacheinander in der ersten K.o.-Runde: 2018 in Russland kam das Ende gegen die Gastgeber - ebenfalls im Elfmeterschießen. Auch bei der 2021 ausgetragenen EM 2020 war man an Italien im Halbfinale im Elfmeterschießen gescheitert.

Die Stimmen:

Luis Enrique (Trainer Spanien): "Ich denke, Fußball ist ein wunderbarer Sport, aber mit der klaren Bedingung, dass eine Mannschaft gewinnen kann, wenn sie angreift. Ich denke, wir haben das Spiel dominiert, wir hätten gerne mehr erreicht. Das hat uns gekostet, wir haben elf Schüsse abgegeben, aber nur einen aufs Tor, Sarabia hatte einen Pfostenschuss.... Die Strafen haben uns das Leben gekostet, aber ich bin stolz auf meine Mannschaft, und es tut mir leid für diejenigen, die nicht spielen konnten."
Walid Regragui (Trainer Marokko): "Das ist historisch für Marokko, für Afrika. Ich glaube, seit 2010 hat keine Mannschaft mehr das Viertelfinale erreicht. Wir waren taktisch ganz stark, wir haben nichts zugelassen, sind wahnsinnig viel gelaufen. Im Elfmeterschießen braucht man immer ein bisschen Glück, aber wir wussten, dass wir einen der besten Keeper der Welt haben. Die Spieler sind bereit, für ihr Land zu sterben. Wir wissen noch nicht, gegen wen wir im Viertelfinale spielen, aber wir wollen da noch nicht aufhören. Wir haben eine Mission."
Unai Simón (Spanien): "Ich denke, dass wir in den 120 Minuten des Spiels dem Gegner überlegen waren, aber was ich jetzt sage, ist wenig wert, wenn wir nicht die richtigen Tore schießen. Im Elfmeterschießen waren sie überlegen und das hat sie ins Viertelfinale gebracht. Wir sehen, dass es überall bei der Weltmeisterschaft Überraschungen gibt, wir haben es nicht geschafft, sie zu überwinden, und wir haben nicht erwartet, gegen Marokko auszuscheiden, aber das ist die Realität, und wir müssen nach Hause fahren."
Bono (Marokko): "Ich freue mich so sehr für das Team. Sie waren das ganze Spiel über so gut. Unglaublich gut. Jeder einzelne Spieler."
Sergio Busquets (Spanien): "Es wurde auf grausamste Weise entschieden. Wir haben versucht, sie zu zermürben, Räume zu finden, aber uns fehlte das Glück. Wir müssen aufstehen und unsere Erfahrung nutzen, es gibt sehr junge Spieler dafür, die das tun werden."
Sofiane Boufal (Marokko): "Wir haben gerade Geschichte geschrieben. Diese Emotionen, die wir während des Spiels hatten, waren unglaublich. Dieser Sieg gehört allen Marokkanern, allen Arabern und allen Muslimen auf der Welt."
Romain Saïss (Marokko): "Wir wollten Geschichte schreiben, wir wollen unsere Grenzen weiter verschieben. Wir wussten, dass es ein schweres Spiel wird. Wir mussten alles opfern. Wir haben die Zähne zusammen gebissen und stehen jetzt im Viertelfinale."

Der Tweet zum Spiel:

Deutsche Fans empfinden eventuell ein wenig Schadenfreude. Das 1:2 gegen Japan im letzten Gruppenspiel hatte Spanien noch als ärgerlichen Betriebsunfall abgehandelt. Ja, dadurch war natürlich Deutschland ausgeschieden, aber das sei alles "gar nicht so schlimm", sagte Stürmer Morata: "Zum Glück ist der Fehler passiert, als es noch eine Chance gab. Wäre es eine Runde später passiert, hätten wir vier Jahre lang geweint." So gesehen weint Spanien nun.

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Eine Passquote von 91 Prozent, über 1000 gespielte Pässe, Ballbesitz von 77 Prozent – all diese wunderbaren Spieldaten nützten den Spaniern am Ende wenig gegen willensstarke Marokkaner. Gerade einmal zwei Schüsse aufs Tor brachte die Mannschaft von Luis Enrique in über 120 Minuten zustande. Sicherlich stand Marokko defensiv sehr diszipliniert, in der Torschuss-Statistik wies die Mannschaft von Walid Regragui aber sogar einen Schuss mehr auf Simón auf. Nach dem starken Auftaktsieg gegen Costa Rica (7:0) konnte Spanien das Versprechen also nicht einlösen, stattdessen sind nun alle Teilnehmer aus der ehemaligen Gruppe E - der Deutschland-Gruppe - bereits aus dem Turnier ausgeschieden.

Die Statistik: 4

Marokko ist nach Kamerun 1990, dem Senegal 2002 und Ghana 2010 das vierte afrikanische Team in einem WM-Viertelfinale - weiter kam noch kein afrikanischer Teilnehmer.
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